3D-Drucken ohne schlechtes Gewissen

Ein Stützkunststoff aus 40 % PHBV, 10 % PEG und 50 % hochfeinem Kochsalz (im Bild die drei Prüfstäbe rechts) hatte die besten Eigenschaften für den 3D-Druck. Das Compound ist in Meerwasser vollständig biologisch abbaubar. Foto: IKT, Universität Stuttgart

Forschende entwickeln bioabbaubares Supportmaterial – Entsorgung über das Abwasser ohne Mikroplastik – Industriepartner gesucht.

Kunststofffilament aus 40 % PHBV, 20 % PEG und 40 % Kochsalz. Foto: IKT, Universität Stuttgart

Im Vorhaben AquaLoes haben Forschende des Instituts für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart (IKT) bioabbaubare Stützstrukturen für den 3D-Druck entwickelt. Sie bestehen hauptsächlich aus Polyhydroxybutyrat-co-valerat (PHBV) und Kochsalz und lassen sich im Wasserbad vom Bauteil ablösen und über das Abwasser entsorgen, ohne dass Mikroplastik entsteht. Das vollständig aus biologischen Quellen stammende PHBV ist in natürlichen Gewässern, auch im Meer, biologisch abbaubar.

Um das patentierte Werkstoffkonzept zur Marktreife weiter zu entwickeln, sucht das IKT aktuell nach Industriepartnern.

3D-Drucker werden auch im privaten Bereich immer beliebter. Egal ob Spielzeug, Dekoration, Werkzeug oder Haushaltshelfer – der Phantasie sind bei den Druckobjekten keine Grenzen gesetzt. Will man komplexere, dreidimensionale Gegenstände drucken, benötigt man häufig sogenannte Support- oder Stützstrukturen. Sie bestehen aus Kunststoffen, die sich nach der Fertigstellung vom eigentlichen Bauteil entfernen lassen. Je nach Art des Stützkunststoffs kann sogar reines Wasser als Lösemittel dienen. Schlussendlich gelangen die Rückstände der Stützkunststoffe dann in Form von Mikroplastik über das Abwasser in den natürlichen Wasserkreislauf, da Kläranlagen sie nicht vollständig herausfiltern können.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, einen neuen Werkstoff für Stützstrukturen auf der Basis des Biokunststoffs Polyhydroxybutyrat-co-valerat (PHBV) zu entwickeln. PHBV ist sogar in Meerwasser biologisch abbaubar und kann vollständig zu Wasser und CO2 verstoffwechselt werden. Da PHBV selbst zwar in Wasser abbaubar, jedoch nicht wasserlöslich ist, wollten die Forschenden die Ablösbarkeit des Stützwerkstoffs über die Compoundierung von Kochsalz erreichen. Die Stützpolymere sollten so im Wasser in kleine Fragmente zerfallen, die man aus der Flüssigkeit herausfiltern kann oder die bei Verbleib im Abwasser in überschaubaren Zeiträumen durch Mikroorganismen abgebaut werden. „Aufgrund der geringen Partikelgröße gehen wir von wenigen Monaten für den Abbau aus“, erklärt Projektleiter Professor Christian Bonten vom IKT.

Im Vorhaben AquaLoes konnte das Forscherteam die grundsätzliche Machbarkeit dieser Idee nachweisen. Dazu entwickelte und testete es über 30 verschiedene Rezepturen aus PHBV, Salz und anderen bioabbaubaren Polymeren. Im Ergebnis wies eine Rezeptur aus 40 % PHBV, 10 % PEG[1] und 50 % hochfeinem Kochsalz die besten Eigenschaften auf. Aus diesem Compound ließen sich auch filigrane Stützstrukturen ohne Abreißen des Filamentstranges drucken. Insbesondere in Kombination mit dem weit verbreiteten 3D-Druck-Polymer PLA[2] erreichte das Compound eine hohe Haftung und ermöglichte den Druck fehlerloser Bauteile. Die hohe Haftung ging allerdings etwas zu Lasten einer vollständig rückstandsfreien Ablösbarkeit. Der Ablöseprozess benötigte in einem Leitungswasserbad bei Raumtemperatur 24 Stunden, zudem war geringfügiger Einsatz von Werkzeug nötig. Im Vergleich dazu brauchen herkömmliche Stützpolymere wie BVOH[3] nur etwa 4 bis 6 Stunden zur Auflösung. Um die Ablösezeit ihres entwickelten Compounds weiter zu verkürzen, testeten die Forschenden erfolgreich die Option, das Bauteil in einem haushaltsüblichen Geschirrspüler zu spülen. Da das neue Polymer auf den Hobbybereich zielt, ist diese Methode in der Praxis gut umsetzbar, wäre aber auch mit einem vollständigen Verbleib der Stützpolymere im Abwasser verbunden.

Noch ist das bioabbaubare Stützpolymer nicht marktreif. Es bedarf insbesondere noch Verbesserungen bei der Ablösbarkeit und -dauer sowie der Kombinationsfähigkeit mit weiteren 3D-Druckmaterialien. Das IKT-Team sucht aktuell interessierte Industriepartner, um den Ansatz gemeinsam weiter zu entwickeln. Die Universität Stuttgart hat bereits ein Patent auf 3D-Druck-Supportmaterial aus PHBV, Salz und weiteren Polymeren, Weichmachern und Hilfsmitteln angemeldet.

Über PHBV

Der Biokunststoff Polyhydroxybutyrat-co-valerat (PHBV) wird biotechnologisch gewonnen: Bestimmte Bakterienstämme produzieren aus pflanzlichen Rohstoffen wie Zucker oder Stärke oder aus Rest- und Abfallstoffen PHBV als Speicherstoff. Dieses kann direkt aus den Bakterien extrahiert werden. Noch im Forschungsstadium befindet sich der Ansatz, genetisch veränderte Cyanobakterien zur PHBV-Produktion zu nutzen. Dies hätte den Vorteil, dass keine Anbauflächen erforderlich wären, denn Cyanobakterien ernähren sich von Wasser, CO2 und Sonnenlicht.

Projektinformationen

Das Vorhaben AquaLoes wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Der Abschlussbericht steht in der FNR-Projektdatenbank (https://www.fnr.de/projektfoerderung/projektdatenbank-der-fnr ) unter dem Förderkennzeichen 22039518 zur Verfügung.

[1] Polyethylenglykol

[2] Polylactid

[3] Butenediol Vinyl Alkohol Copolymer

Weitere Informationen:

https://www.fnr.de/projektfoerderung/projektdatenbank-der-fnr
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22039518
https://www.fnr.de/
https://www.fnr.de/presse/pressemitteilungen/aktuelle-mitteilungen/aktuelle-nach…

Media Contact

Dr. Torsten Gabriel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.

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