Neuer Sterntyp gibt Hinweise auf mysteriösen Ursprung von Magnetaren

Künstlerische Darstellung von HD 45166, dem Stern, der ein Magnetar werden könnte
Herkunftsnachweis: ESO/L. Calçada

Magnetare sind die stärksten Magneten im Universum. Diese extrem dichten toten Sterne mit ultrastarken Magnetfeldern sind überall in unserer Galaxie zu finden. Wie sie entstehen, wissen die Astronominnen und Astronomen jedoch nicht genau. Jetzt haben Forschende mit Teleskopen rund um die Welt, darunter auch Einrichtungen der Europäischen Südsternwarte (ESO), einen lebenden Stern aufgespürt, der wahrscheinlich zu einem Magnetar wird. Diese Entdeckung markiert die Entdeckung eines neuen Typs von astronomischen Objekten – massereiche magnetische Heliumsterne – und gibt Aufschluss über den Ursprung von Magnetaren.

Obwohl der Stern HD 45166 seit über 100 Jahren beobachtet wird, konnte sein rätselhaftes Wesen nicht ohne Weiteres durch herkömmliche Modelle erklärt werden. Man wusste nur wenig über ihn, abgesehen von der Tatsache, dass er zu einem Sternpaar gehört [1], reich an Helium ist und einige Male massereicher als unsere Sonne ist.

„Dieser Stern wurde zu einer Art Leidenschaft von mir“, sagt Tomer Shenar, der Hauptautor einer heute in Science veröffentlichten Studie über dieses Objekt und Astronom an der Universität Amsterdam in den Niederlanden. „Tomer und ich bezeichnen HD 45166 als den »Zombie-Stern«“, sagt die Mitautorin und ESO-Astronomin Julia Bodensteiner aus Deutschland. „Das liegt nicht nur daran, dass dieser Stern so einzigartig ist, sondern auch, weil ich scherzhaft gesagt habe, dass er Tomer in einen Zombie verwandelt.“

Nachdem Shenar bereits ähnliche heliumreiche Sterne untersucht hatte, vermutete er, dass Magnetfelder den entscheidenden Hinweis geben könnten. Tatsächlich sind Magnetfelder dafür bekannt, das Verhalten von Sternen zu beeinflussen. Sie könnten erklären, warum herkömmliche Modelle HD 45166 nicht beschreiben konnten, der sich etwa 3000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Einhorn (Monoceros) befindet. „Ich erinnere mich, dass ich beim Lesen der Fachliteratur einen Heureka-Moment hatte: »Was, wenn der Stern magnetisch ist?«“, sagt Shenar, der derzeit am Zentrum für Astrobiologie in Madrid, Spanien, arbeitet.

Shenar und sein Team machten sich daran, den Stern mit mehreren Teleskopen rund um den Erdball zu untersuchen. Die entscheidenden Beobachtungen wurden im Februar 2022 mit einem Instrument am Canada-France-Hawaii Telescope durchgeführt, das Magnetfelder erkennen und messen kann. Das Team stützte sich auch auf wichtige Archivdaten, die mit dem Fiber-fed Extended Range Optical Spectrograph (FEROS) am La Silla-Observatorium der ESO in Chile aufgenommen wurden.

Als die Daten vorlagen, bat Shenar seinen Mitautor Gregg Wade, einen Experten für Magnetfelder in Sternen am Royal Military College of Canada, die Daten zu prüfen. Die Antwort von Wade bestätigte Shenars Vermutung: „Was auch immer dieses Objekt ist – es ist definitiv magnetisch.“

Wie Shenars Team herausfand, hat der Stern ein unglaublich starkes Magnetfeld von 43.000 Gauß, was HD 45166 zum magnetischsten massereichen Stern macht, der bisher gefunden wurde [2]. „Die gesamte Oberfläche des Heliumsterns ist so magnetisch wie die stärksten vom Menschen hergestellten Magneten“, erklärt Co-Autor Pablo Marchant, Astronom am Institut für Astronomie der KU Leuven in Belgien.

Diese Beobachtung markiert die Entdeckung des allerersten massereichen magnetischen Heliumsterns. „Es ist aufregend, eine neue Gattung von astronomischen Objekten zu entdecken“, sagt Shenar, „insbesondere dann, wenn sie sich die ganze Zeit über versteckt hielt.“

Darüber hinaus liefert die Entdeckung Hinweise auf den Ursprung von Magnetaren, kompakten toten Sternen, die von Magnetfeldern durchzogen sind, die mindestens eine Milliarde Mal stärker sind als das in HD 45166. Die Berechnungen des Teams legen nahe, dass dieser Stern sein Leben als Magnetar beenden wird. Während er unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert, wird sich sein Magnetfeld verstärken. Der Stern wird schließlich zu einem sehr kompakten Kern mit einem Magnetfeld von etwa 100 Billionen Gauß [3] werden – die stärkste Sorte von Magneten im Universum.

Shenar und sein Team stellten außerdem fest, dass HD 45166 eine geringere Masse hat als bisher angenommen, etwa das Doppelte der Masse der Sonne, und dass sein Begleiter in einem weitaus größeren Abstand kreist als bisher angenommen. Darüber hinaus deuten ihre Untersuchungen darauf hin, dass HD 45166 durch die Verschmelzung zweier kleinerer heliumreicher Sterne entstanden ist. „Unsere Ergebnisse verändern unser Verständnis von HD 45166 völlig“, fasst Bodensteiner zusammen.

Endnoten

[1] Obwohl es sich bei HD 45166 um ein Doppelsternsystem handelt, bezieht sich HD 45166 in diesem Text auf den heliumreichen Stern, nicht auf beide Sterne.

[2] Das Magnetfeld von 43 000 Gauß ist das stärkste Magnetfeld, das jemals in einem Stern entdeckt wurde, der die Chandrasekhar-Massengrenze überschreitet, die kritische Grenze, oberhalb derer Sterne zu Neutronensternen kollabieren können (Magnetare sind eine Art von Neutronensternen).

[3] In diesem Text bezieht sich eine Milliarde auf eine Eins gefolgt von neun Nullen und eine Billion auf eine Eins gefolgt von 12 Nullen.

Weitere Informationen

Diese Forschungsergebnisse wurden in einem Artikel vorgestellt, der in der Zeitschrift Science erscheint (doi: 10.1126/science.ade3293).

Das Team besteht aus Tomer Shenar (Anton Pannekoek Institut für Astronomie, Universität Amsterdam, Niederlande [API], jetzt am Zentrum für Astrobiologie, Madrid, Spanien), Gregg Wade (Department of Physics and Space Science, Royal Military College of Canada, Kanada), Pablo Marchant (Institut für Astronomie, KU Leuven, Belgien [KU Leuven]), Stefano Bagnulo (Armagh Observatory & Planetarium, Großbritannien), Julia Bodensteiner (Europäische Südsternwarte, Garching, Deutschland; KU Leuven), Dominic M. Bowman (KU Leuven), Avishai Gilkis (The School of Physics and Astronomy, Tel Aviv University, Israel), Norbert Langer (Argelander-Institut für Astronomie, Universitӓt Bonn, Deutschland; Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland), André Nicolas-Chené (National Science Foundation’s National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory, Hawai’i), Lidia Oskinova (Institut für Physik und Astronomie, Universitӓt Potsdam, Deutschland [Potsdam]), Timothy Van Reeth (KU Leuven), Hugues Sana (KU Leuven), Nicole St-Louis (Département de physique, Université de Montréal, Complexe des sciences, Kanada), Alexandre Soares de Oliveira (Institut für Forschung und Entwicklung, Universidade do Vale do Paraíba, São José dos Campos, Brasilien), Helge Todt (Potsdam) und Silvia Toonen (API).

Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.

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Originalpublikation:

T. Shenar, „A massive helium star with a sufficiently strong magnetic field to form a magnetar“, Science (2023)
DOI: 10.1126/science.ade3293

Weitere Informationen:

https://www.eso.org/public/news/eso2313/ – Originalpressemitteilung der ESO mit weiteren Bildern,Videos und einer Vorabversion des Forschungsartikels

https://www.mpia.de

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