Hitzesensor schützt die Venus-Fliegenfalle vor Feuer
In den Sinneshaaren der Venus-Fliegenfalle befindet sich ein Hitzesensor, der die Pflanze vor Buschfeuern warnt. Er reagiert auf schnelle Temperatursprünge, wie Würzburger Forschende entdeckt haben.
Die Venus-Fliegenfalle kann in den nährstoffarmen Sümpfen von Nord- und Süd-Carolina überleben, weil sie den Mangel an Stickstoff, Phosphat und Mineralien durch das Fangen und Verzehren kleiner Tiere ausgleicht. Auf die Jagd geht sie mit Klappfallen, auf denen Sinneshaare sitzen. Berührt ein Insekt diese Haare mehrmals, schnappt die Falle zu und verdaut die Beute.
An ihrem Standort im Sumpf ist die fleischfressende Pflanze oft nicht zu erkennen, weil sie von Gras überwachsen wird. Im Sommer vertrocknet das Gras. Dann kann es durch die für Nord-Carolina typischen häufigen Blitzgewitter in Brand geraten – für die Venus-Fliegenfalle ist das eine gefährliche Situation.
Wie schützt die Pflanze ihre überlebenswichtigen Klappfallen und Sinneshaare vor Feuer? Das haben die Biophysiker Professor Rainer Hedrich und Dr. Shouguang Huang von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg herausgefunden: Die Venus-Fliegenfalle benutzt dafür spezielle Hitzerezeptoren in den Sinneshaaren, wie die Forscher im Journal Current Biology berichten.
Carolina-Buschfeuer in Würzburg nachgestellt
„Um herauszufinden, wie sich die Fliegenfalle beim Abbrennen einer Bedeckung aus trockenem Gras verhält, haben wir im Botanischen Garten der JMU Pflanzen mit geöffneten Klappfallen aus dem Gewächshaus ins Freiland verpflanzt und mit Heu überdeckt“, erzählt Rainer Hedrich. „Dann haben wir das Heu an einem Ende angezündet und es mit einem Gebläse gezwungen, sich zum anderen Ende auszubreiten“.
Nach dem Feuer hatten die Pflanzen sämtliche Fallen geschlossen. Manche Fallen zeigten keine Schäden, andere schienen angebrannt zu sein. Nach wenigen Tagen waren alle unversehrten Fallen wieder geöffnet und funktionierten – sie klappten nach Berührung ihrer Sinneshaare zu.
Heiße Luft lässt die Fliegenfallen zuschnappen
„Die Reiz-Reaktions-Kette beim Fallenschluss nach einer Verwundung hatten wir erst kürzlich aufgeklärt. Jetzt stellte sich die Frage, ob die Fallen bei einem Feuer womöglich schon auf die Hitzewelle im Vorfeld des Brandes reagieren“, so Hedrich.
Mit dieser Vermutung lagen die JMU-Forscher richtig: Ein auf die Falle gerichtetes Heißluftgebläse reichte aus, um die Falle zuklappen zu lassen. Als nächstes führten die Wissenschaftler unter kontrollierten Laborbedingungen weiterführende Hitzeexperimente durch.
Hitzesensor springt bei 37 und 55 Grad Celsius an
Das Fangorgan der Venus-Fliegenfalle besteht aus zwei Blatthälften. Dr. Shouguang Huang brachte die Außenseite der einen Fallenhälfte mit einen Peltier-Element in Kontakt – mit diesem elektrothermischen Wandler konnte er durch geregelte Stromzufuhr gezielt verschiedene Temperaturen an der Falle einstellen.
Dabei stellte er fest, dass beim Überschreiten einer lokalen Blatttemperatur von 37 Grad Celsius der aufgeheizte Bereich der Falle einen elektrischen Impuls hervorbringt, ein Aktionspotential, das sich über beide Fallenhälften ausbreitet. „Bei einer weiteren Temperaturerhöhung auf 55 Grad Celsius wurde eine zweites Aktionspotential ausgelöst und die Falle schnappte zu“, so Shouguang.
Die Reaktion der Falle bei 37 und 55 Grad Celsius setzte aber nur ein, wenn die Temperaturen sprunghaft erhöht wurden, wie bei einer schnellen Hitzewelle. Stieg die Temperatur wie an heißen Sommertagen nur langsam an, reagierten die Fallen nicht.
„Im Gegensatz zum Menschen springt der Hitzesensor der fleischfressenden Pflanze nicht beim Überschreiten der Körpertemperatur an, sondern er reagiert auf die Geschwindigkeit der Temperaturänderung“, so Hedrich.
Indem die Fliegenfalle den Temperaturanstieg auf ihrer Oberfläche misst und ihre Fallen in einem Bruchteil einer Sekunde zuklappt, bleiben ihre Sinneshaare vor Verbrennungen geschützt. Der feuchte Sumpfboden schützt sie zusätzlich vor zu großer Hitze und Verbrennungen. So kann sie nach einem Feuer die Jagd auf tierische Nahrung fortsetzen.
Der Hitzesensor sitzt in den Sinneshaaren
Jede Fallenhälfte besitzt drei Sinneshaare, die hochempfindlich auf Berührungen ansprechen und Aktionspotentiale erzeugen. Die Aktionspotentiale entstehen an der Basis der Haare. Dort lassen Ionenkanäle, die durch Berührung aktivierbar sind, Kalziumionen in die Zellen einströmen. Dieses Kalziumsignal ist der Auslöser und zugleich fester Bestandteil eines Aktionspotentials. Hitzesprünge bewirken in den Sinneshaaren die gleichen kalziumabhängigen elektrischen Ereignisse wie Berührungen.
„Um das Kalziumsignal zu verfolgen, haben wir Fliegenfallen genutzt, die einen genetisch kodierten Kalziumsensor in sich tragen“, so Hedrich. Bei einer Erhöhung des zellulären Kalziumspiegels beginnt dieser Sensor zu fluoreszieren. „Wir haben nicht schlecht gestaunt, dass bei Hitze zuerst das Sinneshaar leuchtete. „Das zeigt, dass die Haare als Berührungs- und Hitzesensoren zugleich operieren“, folgert Hedrich.
Kalziumkanal aus der OSCA-Familie im Blick
„Gegenwärtig verfolgen wir die Hypothese, dass ein Kalziumkanal ein fester Bestandteil des Hitzesensors ist oder sogar der Sensor selbst“, so die Forscher. Wenn das stimmt, wäre eine Art von membrangebunden Temperatursensoren entdeckt, die in Pflanzen noch gänzlich unbekannt sind.
Bisher kennt die Forschung Kalziumkanäle aus der sogenannten OSCA-Familie, die sich mechanisch und osmotisch aktivieren lassen. „In Zukunft wollen wir prüfen, ob es auch in den Sinneshaaren der Venus-Fliegenfalle OSCAs sind, die durch die Zufuhr thermischer Energie angeschaltet werden, und welche ihrer Proteinbereiche auf Mechanik und welche auf Hitze reagieren.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rainer Hedrich, Lehrstuhl für Botanik I (Pflanzenphysiologie und Biophysik), Universität Würzburg, T +49 931 31-86100, hedrich@botanik.uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Trigger hair thermoreceptors provide for heat-induced calcium-electrical excitability in Venus flytrap. Hedrich R., Huang S., Current Biology, 22. August 2023, DOI: 10.1016/j.cub.2023.07.069 https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.07.069
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