Kleine Moleküle können Angriffspunkte für Krebstherapie enthüllen

Im Labor wird die Wirkung verschiedener Medikamente auf Mini-Tumoren getestet, um die Hinweise aus der Mikro-RNA-Analyse zu überprüfen.
Foto: Kirsten Lassig / Uniklinikum Dresden

Die Häufigkeit, mit der bestimmte kleine Moleküle, so genannte Mikro-RNAs, in Krebszellen vorliegen, kann Hinweise darauf geben, wie sich Tumoren medikamentös behandeln lassen. Dies konnte ein Team unter Leitung von Forschenden der Hochschulmedizin Dresden, des Deutschen Krebsforschungszentrums, am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden und Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum Dresden erstmals zeigen. Künftig könnte die Analyse der Mikro-RNAs zusätzliche Informationen für Therapieentscheidungen liefern. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Cell Reports Medicine veröffentlicht.

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).

Zielgerichtete Medikamente, die passgenau auf bestimmte biologische Merkmale eines Tumors ausgerichtet sind, haben in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte in der Krebstherapie gebracht. Damit ein zielgerichteter Wirkstoff eingesetzt werden kann, muss jedoch vorab ermittelt werden, ob der jeweilige Tumor geeignete Angriffspunkte aufweist. Dies geschieht unter anderem über Erbgutanalysen, die relevante genetische Veränderungen (Mutationen) im Tumor aufzeigen können. Ein Team unter Leitung von Forschenden der Hochschulmedizin Dresden, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und des Mildred-Scheel-Nachwuchszentrums Dresden (MSNZ) konnte nun erstmals zeigen, dass die Häufigkeit von Mikro-RNAs in Tumoren wichtige zusätzliche Hinweise auf mögliche therapierelevante Angriffspunkte liefern kann.

Mikro-RNAs (miRNAs) sind kleine Moleküle, die Einfluss auf die Aktivität der Gene in unseren Zellen haben. Über spezifische biochemische Interaktionen können sie eine Vielzahl von Genen hemmen und beeinflussen somit fast alle körpereigenen Prozesse. Krebsfördernde Gene besitzen jedoch häufig die Fähigkeit, krebshemmende miRNAs auszuschalten. Im Umkehrschluss kann die geringe Anzahl dieser krebshemmenden miRNAs Rückschlüsse auf die Aktivität krebsfördernder Gene zulassen und somit Angriffspunkte für Therapien aufdecken.

„Erbgutanalysen von Tumoren offenbaren häufig eine Vielzahl von genetischen Veränderungen. Oft ist es schwierig zu beurteilen, welche davon tatsächlich Einfluss auf das übermäßige Zellwachstum haben. Die Analyse der miRNAs kann wichtige zusätzliche Hinweise darauf geben, welche Gene tatsächlich als Krebstreiber fungieren. Darüber hinaus kann sie weitergehende Angriffspunkte des Tumors aufzeigen, die bei der Erbgutanalyse nicht entdeckt werden können“, erklärt Letztautor Prof. Hanno Glimm, Mitglied im Geschäftsführenden Direktorium des NCT/UCC Dresden und Abteilungsleiter am DKFZ.

miRNA als Detektor für krebsfördernde Genaktivität

Um die Relevanz von miRNAs als eine Art Detektor für überaktive Krebsgene zu testen, untersuchten die Forschenden im Labor gezüchtete Mini-Tumoren von Darmkrebspatientinnen und -patienten mit bekannten krebstreibenden Veränderungen. Die Mini-Tumoren zeigten auffällig geringe Mengen vor allem jener miRNAs, welche die Krebstreiber unter gesunden Bedingungen hemmen würden. Dies legt den Rückschluss nahe, dass die krebsfördernden Gene gezielt Gruppen von miRNAs ausschalten können und zwischen der geringen Anzahl von miRNAs und der Aktivität krebstreibender Gene ein direkter Zusammenhang besteht.

Hiervon ausgehend definierten die Forschenden die optimalen Schwellenwerte, um eine therapeutisch relevante Herabsetzung von miRNAs in Tumoren zu erkennen. Dies ermöglicht es, die miRNA-Analyse auch bei Patientinnen und Patienten ohne bekannte Treibermutationen einzusetzen, um für das Tumorwachstum relevante Veränderungen zu ermitteln.

Anschließend wurde diese Analyse bei 95 Patientinnen und Patienten mit seltenen Krebserkrankungen vorgenommen, die im Rahmen des DKFZ/NCT/DKTK-MASTER-Programms behandelt wurden. Das MASTER-Programm zeigt auf Basis umfassender molekularer Analysen des Tumor- und des Kontrollgewebes für Betroffene, die an seltenen Krebsarten oder ungewöhnlich jung an Krebs erkrankt sind, gezielte individualisierte Therapiemöglichkeiten auf.

Bei etwas mehr als der Hälfte der untersuchten Patientinnen und Patienten wiesen die Ergebnisse der molekularen Analyse und der miRNA-Analyse Gemeinsamkeiten hinsichtlich möglicher medikamentöser Angriffspunkte auf. Bei etwa 40 Prozent der Patientinnen und Patienten lieferte die miRNA-Analyse zusätzliche Hinweise auf mögliche therapierelevante Schwachstellen des Tumors.

Gute Übertragbarkeit in klinische Routine

„Die Mikro-RNA-Analyse hat das Potential, bei der Priorisierung von Ergebnissen aus der molekularen Analyse zu unterstützen. Sie kann außerdem weitere Therapieoptionen aufzeigen, wenn sonstige Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Unsere Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass das Ausmaß der Mikro-RNA-Reduktion Anhaltspunkte für die Aggressivität des Tumors liefert“, sagt Dr. Alexander Wurm, Erstautor der Studie und MSNZ-geförderter Nachwuchsgruppenleiter am NCT/UCC. „Ein weiterer Vorteil der Mikro-RNA-Analyse ist, dass sie schnelle Ergebnisse liefert und nur wenig Probenmaterial benötigt. Damit ließe sie sich leicht in die klinische Praxis implementieren.“ Um den künftigen Weg in die Klinik zu ebnen, soll die Methode nun in einem nächsten Schritt in klinischen Studien mit größeren Patientengruppen weiter überprüft werden.

„Die individuell bestmögliche Behandlung onkologischer Patientinnen und Patienten ist uns ein großes Anliegen. Wir freuen uns, dass von Dresdner Forschenden wichtige Impulse ausgehen, um dieser Maßgabe künftig noch besser gerecht werden zu können“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden.

Veröffentlichung:
Wurm et al., Signaling-induced systematic repression of miRNAs uncovers cancer vulnerabilities and targeted therapy sensitivity, Cell Reports Medicine (2023), https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2023.101200

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Im Labor wird die Wirkung verschiedener Medikamente auf Mini-Tumoren getestet, um die Hinweise aus der Mikro-RNA-Analyse zu überprüfen. © Uniklinikum Dresden/Kirsten Lassig

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Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten an den NCT-Standorten auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch der NCT-Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das Dresdner Zentrum von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.

Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
• Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
• Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
• Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
• Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
• DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
• Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 26 Kliniken und Polikliniken, sechs Institute und 17 interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten.
Mit 1.410 Betten und 201 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 1.120 Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 2.250 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patienten, die an Krebs, an Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen.

Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
Die Hochschulmedizin Dresden, bestehend aus der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und dem gleichnamigen Universitätsklinikum, hat sich in der Forschung auf die Bereiche Onkologie, metabolische sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Bei diesen Schwerpunkten sind übergreifend die Themenkomplexe Degeneration und Regeneration, Imaging und Technologieentwicklung, Immunologie und Inflammation sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationaler Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung – die Hochschulmedizin Dresden lebt diesen Gedanken mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 73 Nationen sowie zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams in aller Welt.

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.

Originalpublikation:

Wurm et al., Signaling-induced systematic repression of miRNAs uncovers cancer vulnerabilities and targeted therapy sensitivity, Cell Reports Medicine (2023), https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2023.101200

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