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Geoinformatiker der Universität Rostock entwickeln ein Vorhersagesystem, mit dem Landwirte ihre Äcker künftig gezielter bearbeiten, bewässern und düngen können. Außerdem hilft es, Ernteerträge besser abzuschätzen. Kern des Vorhersagesystems ist eine Software, die Messwerte von verschiedenen Satellitensensoren in Rekordzeit auswerten kann.
Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer sichtbarer. In Deutschland folgte in den vergangenen Jahren ein trockener Sommer auf den anderen. In diesem Jahr herrschte in Frankreich, Italien und Spanien zunächst Dürre. Dann fiel Starkregen, der in vielen Regionen die Flüsse über die Ufer treten ließ. Diese Wetterkapriolen dürften in den nächsten Jahrzehnten vor allem auch für Landwirte zur Herausforderung werden, die über das Jahr stets zur richtigen Zeit säen, düngen und bewässern müssen, um eine gute Ernte einfahren zu können. Mit dem Klimawandel aber wird das Wetter auch für sie zunehmend unberechenbar.
Satelliten vermessen Pflanzen und Böden
Mit dem von Geoinformatikern der Universität Rostock entwickelten Vorhersagesystem können Landwirte ihre Ernteerträge in Zukunft besser abschätzen und ihre Äcker künftig gezielter bearbeiten, bewässern und düngen. Martin Künsting
Um Landwirten mehr Planungssicherheit zu geben, entwickelt ein Team der Universität Rostock um Professor Philip Marzahn derzeit ein neues Vorhersagesystem, das helfen soll, die Ernteerträge besser einzuschätzen. Zudem soll das System den Bauern punktgenaue Hinweise geben, wann sie ihre Felder düngen oder bewässern sollten. Grundlage ist eine Software, die die Daten von Erdbeobachtungssatelliten auswertet. Diese Satelliten umkreisen die Erde und scannen die Oberfläche mit Kameras, Mikrowellensensoren und anderen Geräten ab. Aus diesen Sensordaten lässt sich auf den Zustand der Pflanzen, auf die Feuchte und Körnigkeit des Ackerbodens schließen. Gemessen wird dabei letztlich, wie viel Lichtstrahlung vom feuchten Boden oder den grünen Blättern absorbiert oder ins All zurückgeworfen wird. Diese Satellitentechnik ist inzwischen etabliert und wird in der Landwirtschaft schon länger verwendet. Doch gibt es nach wie vor Beschränkungen. „Damit Landwirte schnell auf Veränderungen der Feuchte oder den Ernährungszustand der Pflanzen reagieren können, benötigen wir permanent aktuelle Daten“, sagt Philip Marzahn. „Die sind bislang aber nicht so leicht verfügbar.“
Herausfordernder Daten-Mix
Das Problem: In der Regel überfliegen einzelne Satelliten ein- und denselben Landstrich nur einmal am Tag oder noch seltener. Manchen Satelliten versperren Wolken die Sicht. Um trotzdem mehrmals täglich Informationen über den Zustand einer Ackerfläche und der Pflanzen zu erhalten, muss man die Daten von mehreren Satelliten kombinieren. Allerdings messen verschiedene Satelliten mit verschiedenen Sensoren. Manche nutzen optische Kameras, andere Mikrowellensensoren. Das, sagt Philip Marzahn, sei eine technische Herausforderung: „Wir erhalten ganz verschiedene Werte aus unterschiedlichen Messsystemen, die physikalisch ganz anders arbeiten – wollen daraus am Ende aber stets dieselbe Information gewinnen, etwa, ob der Boden die richtige Feuchte hat oder ob meine Pflanzen gut ernährt sind.“ Bisher sei das kaum möglich.
Zusammen mit seinem Projektleiter Thomas Weiß hat Philip Marzahn daher ein Softwaresystem entwickelt, das die verschiedenen Datenformate und physikalischen Parameter lesen, auswerten und verschmelzen – „assimilieren“ – kann; um daraus die gewünschte Information zu extrahieren. Bis zu vierzehn Tage im Voraus soll das System künftig den Zustand des Bodens und der Pflanzen abschätzen können. Den Landwirten wird es dann beispielsweise sagen können, wie viel Dünger zu welcher Zeit und an welchem Punkt aufgetragen werden sollte, um den gewünschten Ertrag zu erzielen.
Zwei mathematische Modelle für die perfekte Vorhersage
Für ihr Vorhersagesystem mussten Philip Marzahn und Thomas Weiß tief in die informatische Trickkiste greifen. Zum einen haben sie ein sogenanntes „Strahlungstransfermodell“ entwickelt, das die verschiedenen physikalischen Messwerte der Satelliten in mehreren Schritten in einheitliche Ausgangsdaten wandelt. Hinzu kommt ein mathematisches Pflanzenwachstumsmodell, das berechnet, wie gut eine Pflanze unter bestimmten Bedingungen wächst. Es wird mit den Satellitendaten täglich oder gar mehrmals täglich aktualisiert. Letztlich, sagt Philip Marzahn, ginge es darum, „Big Data“, riesige Datenmengen, mithilfe von Software und Künstlicher Intelligenz in Hochgeschwindigkeit zu bearbeiten, um den Landwirten die relevante Information schnell zur Verfügung zu stellen.
Einsatz in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus
Das Vorhersagesystem ist nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern interessant, sondern für alle Regionen, in denen es große Äcker gibt. In solchen Gegenden sind schon seit einiger Zeit Traktoren und andere Fahrzeuge im Einsatz, die per GPS-Signal gesteuert werden, um in der Spur zu bleiben. Die Daten aus Philip Marzahns Vorhersagesystem könnten künftig direkt in das Navigationssystem eingespielt werden und die Fahrzeuge auf den Punkt genau steuern. Die Auflösung der Satelliteninformation, der Bodenfeuchte- und Nährstoffdaten, ist mit zehn mal zehn Metern sehr hoch. „Der Landwirt kann damit verschiedene Stellen des Ackers gezielt bearbeiten, düngen oder bewässern. Schließlich ist ein Acker ja keine homogene Fläche.“
Philip Marzahn kooperiert mit dem Rostocker-Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, das über gute Kontakte zu großen landwirtschaftlichen Betrieben und Dienstleistern verfügt. Die Entwicklungsarbeit aber findet an der Universität Rostock statt, die Berechnung der Daten auf den Servern des IT- und Medienzentrums der Universität. Derzeit testen die Forscher ihr System an zehn mal zehn Meter großen Parzellen. Künftig soll es den Landwirten Informationen für ganz Mecklenburg-Vorpommern liefern.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Kontakt:
Prof. Dr. Philip Marzahn
Universität Rostock
Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät
Professur Geodäsie und Geoinformatik
Tel.: +49 381 498-3200
philip.marzahn@uni-rostock.de
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