AutoRAPID Projekt biegt in Zielgerade ein
Erfolgreiche Probestellung in Erlangen.
Die voll automatisierte Messung biophysikalischer Eigenschaften hunderter Zellproben in nur wenigen Tagen ist Ziel des Kooperationsprojekts „AutoRAPID“, an dem Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts (MPL) Erlangen und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA Mannheim standortübergreifend zusammenarbeiten. Dazu haben die Wissenschaftler erstmals die einzelnen Komponenten der Biophysiker und der Automatisierungsingenieure erfolgreich in Erlangen aufgebaut.
Forscher*innen der Abteilung Biologische Optomechanik des MPLs unter der Leitung von Prof. Jochen Guck haben eine biophysikalische Messmethode entwickelt, die sie in die Lage versetzt, die individuelle mechanische Charakterisierung einer großen Anzahl von Zellen mit einer Messgeschwindigkeit von 100 bis 1000 Zellen pro Sekunde vorzunehmen. So können sie beispielsweise nachweisen, dass sich biomechanische Eigenschaften von krankhaft veränderten Zellen signifikant von gesunden Zellen unterscheiden. Das zugrunde liegende eigens entwickelte Messverfahren, das sogenannte „Rapid physical phenotyping in deformational flow“ – zu Deutsch „Schnelle physikalische Phänotypisierung im Deformationsfluss“ – ist in seiner Kurzform „RAPID“ nicht nur namensgebend für das Projekt, sondern auch Programm: Es geht um maximale Beschleunigung der Messgeschwindigkeit.
Prof. Jochen Guck (l.) und Dr. Jens Langjürgen (r.) inspizieren den Aufbau des AutoRAPID-Projekts. (c) Susanne Viezens
Das Bestreben des AutoRAPID-Projekts ist die mikrofluidische Messmethode in ein vollautomatisches validiertes Analysesystem zu überführen. Hierbei fließen Zellen durch ein Kanalsystem, das nur wenige zehn Mikrometer breit ist, um die Verformbarkeit der Zellen zu testen. Die Forscher zielen langfristig darauf ab, die Auswirkungen von variablen Parametern z. B. von Medikamenten auf die physikalischen Eigenschaften von Zellen zu messen und diese Erkenntnis für therapeutische Ansätze nutzbar zu machen. Jetzt wurde der integrierte Aufbau erstmals in Erlangen aufgestellt und das Zusammenspiel der Prozessautomatisierung von der Probennahme bis zu den optischen Analysemethoden überprüft.
Prototyp zur Automatisierung der biophysikalischen Zellvermessung voll funktionsfähig
Die einzelnen Baukomponenten des AutoRAPID-Projekts wurden in einer gemeinsamen Probestellung von den beiden Forschungsgruppen erfolgreich zu einem System zusammengefügt und einem Funktionstest unterzogen. Die messmethodische Expertise aus der Biophysik liefert dabei das Forscherteam von Prof. Jochen Guck, Direktor am MPL. Im konkreten Aufbau wird der eigens entwickelte fluidische Mikrochip mit optischen Messmethoden kombiniert. Die Wissenschaftler können die physikalischen Eigenschaften der Zellen durch ein ausgeklügeltes Flusssystem analysieren und für verschiedenste Messungen entsprechend fokussieren.
Die Wissenschaftler des Fraunhofer IPA unter Leitung von Dr.-Ing. Jens Langejürgen, Abteilungsleiter Klinische Gesundheitstechnologien und Standortleiter in Mannheim, steuern ihre Kompetenz in der Prozessautomatisierung bei. Während die herkömmliche manuelle Messung einer Probe eine aufwendige Vorbereitungszeit von bis zu 30 Minuten pro Probe in Anspruch nimmt, können in dem neuen automatisierten Prozess von AutoRAPID bis zu 96 Proben an einem Tag analysiert werden.
Von der Probennahme und Befüllung des Mikrochips durch einen Pipettierroboter bis hin zur Ansteuerung des Dreipumpensystems und der Probenanalyse selbst sind alle Prozessschritte vollautomatisch programmierbar. Einen weiteren Vorteil stellt das neu entwickelte integriere Reinigungsverfahren von Auto-RAPID dar: Der bisherige Einweg-Chip wird durch ein fest verbautes Mehrweg-Messmodul ersetzt.
Das auf vier Laufzeitjahre ausgelegte AutoRAPID-Projekt befindet sich nunmehr im dritten (Forschungs-)Jahr und geht damit in die entscheidende letzte Projektphase über. Ende 2024 möchten die Wissenschaftler ein validiertes Messgerät demonstrieren, welches Tausende von Messungen automatisch durchführt. Jochen Guck äußert sich zuversichtlich: „Es ist großartig zu sehen, wie ein lang geplantes Ziel endlich greifbar wird. Bald können wir Messreihen durchführen, die vor Kurzem noch völlig undenkbar waren“. Im nächsten Schritt wird das automatische Analyseverfahren in der Praxis erprobt und im täglichen Einsatz auf Herz und Nieren getestet.
Jens Langejürgen freut sich: „Durch die hervorragende Zusammenarbeit in diesem Projekt konnten wir schnell einen ausreichend automatisierten Messaufbau für die extensive praktische Testphase in Erlangen einrichten. Gleichzeitig haben wir in Mannheim eine identische Kopie des Systems, die es uns ermöglicht, parallel weitere Optimierungsschritte durchzuführen. Im gemeinsamen interdisziplinären Projektteam profitieren wir von den ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Herangehensweisen.“
Das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts (MPL) deckt ein breites Forschungsspektrum ab, darunter nichtlineare Optik, Quantenoptik, Nanophotonik, photonische Kristallfasern, Optomechanik, Quantentechnologien, Biophysik und – in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin – Verbindungen zwischen Physik und Medizin. Das MPL wurde im Januar 2009 gegründet und ist eines der über 80 Institute der Max-Planck- Gesellschaft, die Grundlagenforschung in den Natur-, Bio-, Geistes- und Sozialwissenschaften im Dienste der Allgemeinheit betreiben.
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Das Fraunhofer IPA – eines der größten Institute der Fraunhofer-Gesellschaft – wurde 1959 gegründet und beschäftigt annähernd 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Organisatorische und technologische Aufgabenstellungen aus der Produktion machen unsere Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte aus. Methoden, Komponenten und Geräte bis hin zu kompletten Maschinen und Anlagen werden von uns entwickelt, erprobt und exemplarisch eingesetzt. Die 19 Fachabteilungen des Fraunhofer IPA decken den gesamten Bereich der Produktionstechnik ab. Sie werden koordiniert durch sechs Geschäftsfelder und arbeiten interdisziplinär mit Industrieunternehmen der Branchen Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Elektronik und Mikrosystemtechnik, Energie, Medizin- und Biotechnik sowie Prozessindustrie zusammen.
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