Mit neuen Wirkstoffen gegen Tuberkulose und Malaria

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis
(c) HZI/Manfred Rohde

Bill & Melinda Gates Foundation fördert Saarbrücker Forschungsprojekt zu neuen Medikamenten gegen Infektionserkrankungen.

Tuberkulose und Malaria zählen zu den tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit und breiten sich nicht zuletzt durch den fortschreitenden Klimawandel zunehmend aus. In beiden Fällen führen antimikrobielle Resistenzen dazu, dass etablierte Wirkstoffe oft nicht mehr effektiv eingesetzt werden können. Damit in Zukunft dennoch wirksame Medikamente verfügbar sind, arbeiten Forschende am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) zusammen mit Evotec, einem führenden Unternehmen für Wirkstoffforschung und -entwicklung, an resistenzbrechenden Anti-Infektiva auf Basis von Naturstoffen. Das Forschungsprojekt des Saarbrücker Teams rund um Prof. Rolf Müller wird nun von der Bill & Melinda Gates Foundation mit Fördermitteln in Höhe von rund 3,1 Millionen Euro unterstützt. Zusätzlich wurde das HIPS als Mitglied im renommierten „Tuberculosis Drug Accelerator“ aufgenommen.

Je öfter Antibiotika angewendet werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Krankheitserreger gegen die verwendeten Wirkstoffe resistent werden. Insbesondere im Fall von Tuberkulose spielen solche antimikrobiellen Resistenzen eine enorm wichtige Rolle, da während der Therapie gleich mehrere Wirkstoffe über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten eingesetzt werden müssen, um den hartnäckigen Erreger erfolgreich bekämpfen zu können. In Europa liegt der Anteil an resistenten Tuberkuloseerregern im Durchschnitt bereits bei 20 Prozent, in einigen Regionen Afrikas oder Asiens noch deutlich darüber. Weltweit versterben jährlich rund 1,3 Millionen Menschen an Tuberkulose, bei der durch Stechmücken übertragenen Krankheit Malaria liegt die Zahl bei etwa 600.000. Damit sich diese Situation nicht weiter verschlimmert und die beiden Infektionserkrankungen auch in Zukunft erfolgreich behandelt werden können, werden neue resistenzbrechende Wirkstoffe dringend benötigt. Dieser Aufgabe widmen sich Forschende des HIPS gemeinsam mit Evotec im Rahmen eines durch die Bill & Melinda Gates Foundation geförderten Projektes. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Außerdem ist das HIPS an zahlreichen Projekten des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) beteiligt. Als Koordinator des Forschungsbereichs „Neue Antibiotika“ nimmt Prof. Rolf Müller auch im DZIF eine wichtige Schnittstellenposition für die Entwicklung neuer Wirkstoffe ein.

Im Rahmen des Projektes wollen die Forschenden zuvor identifizierte Wirkstoffkandidaten weiterentwickeln, mit denen sich die beiden Infektionserkrankungen Tuberkulose und Malaria behandeln lassen – auch wenn die Erreger bereits gegen gängige Wirkstoffe resistent sind. Grundlage hierfür sind Substanzen, die von Bodenbakterien produziert werden, um konkurrierende Bakterien zu bekämpfen. „Wir konzentrieren uns bei der Suche nach neuen Wirkstoffen ausschließlich auf Moleküle, die über bislang ungenutzte Wirkmechanismen verfügen. So vermeiden wir, dass ein neues Medikament durch bereits verbreitete Resistenzen in seiner Effektivität eingeschränkt wird“, sagt Jennifer Herrmann, Teamleiterin Biologie in der Abteilung für Mikrobielle Naturstoffe am HIPS. „Wir haben sowohl gegen Tuberkulose als auch gegen Malaria wirksame Substanzen in unserem Portfolio, die wir nun im Rahmen des Projekts so optimieren wollen, dass sie letztlich sicher in der Humantherapie eingesetzt werden können.“

Die bereits etablierten Wirkstoffkandidaten aus früheren Screening-Programmen werden u.a. mithilfe der von Evotec etablierten Plattformen weiter profiliert. Ein Droplet-Mikrofluidik-basiertes Screeningmodell ermöglicht es, neue mikrobielle Naturstoffe zu identifizieren und für die Entwicklung neuer Antibiotika zu nutzen.

Eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und der pharmazeutischen Industrie scheint naheliegend, ist jedoch im Bereich der Antibiotikaforschung eher eine Seltenheit. „Die meisten großen Pharmaunternehmen haben in den vergangenen zehn Jahren aus ökonomischen Gründen die Entwicklung neuer Antibiotika eingestellt. Wir sehen uns dennoch in der Verantwortung, dieses Thema weiter zu bearbeiten, da neue Wirkstoffe dringend benötigt werden. Dank der Unterstützung durch die Gates Foundation freuen wir uns, zu einer engen Zusammenarbeit zwischen der akademischen Forschung und der pharmazeutischen Industrie auf diesem wichtigen Gebiet beizutragen“, sagt Dr. Cord Dohrmann, Chief Scientific Officer von Evotec.

Zusätzlich zur Förderzusage durch die Bill & Melinda Gates Foundation wurde das HIPS als Mitglied in den Tuberculosis Drug Accelerator aufgenommen (www.tbdrugaccelerator.org). Hierbei handelt es sich um einen ebenfalls durch die Stiftung koordinierten Zusammenschluss führender Forschungseinrichtungen und pharmazeutischer Unternehmen, die neue Strategien und Wirkstoffe gegen Tuberkulose entwickeln. „Die von der Bill & Melinda Gates Foundation bereitgestellten Mittel werden es uns ermöglichen, einige unserer vielversprechendsten Entwicklungsprojekte signifikant voranzutreiben und wichtige Schritte in Richtung einer möglichen Anwendung zu gehen. Die Aufnahme als Mitglied in den Tuberculosis Drug Accelerator bietet uns zudem direkten Zugang zu führenden Experten und Technologien, die auf diesem Weg von unschätzbarem Wert sein werden“, sagt Rolf Müller, Geschäftsführender Direktor des HIPS und Leiter der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe. „Auch für die am DZIF angesiedelten Forschungsprojekte des HIPS werden durch die aktuellen Entwicklungen wertvolle zusätzliche Synergien entstehen.“ Evotec ist seit 2018 Mitglied im Tuberculosis Drug Accelerator.

Das auf drei Jahre angesetzte Forschungsprojekt zwischen HIPS und Evotec sollte bereits im Januar 2024 starten, die Fördersumme liegt bei rund 3,1 Millionen Euro.

Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland:
Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrücken wurde im Jahr 2009 vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und der Universität des Saarlandes gemeinsam gegründet. Die Forschenden suchen hier insbesondere nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, optimieren diese für die Anwendung am Menschen und erforschen, wie diese am besten zu ihrem Wirkort im menschlichen Körper transportiert werden können. http://www.helmholtz-hips.de

Evotec SE:
Evotec ist ein Wissenschaftskonzern mit einem einzigartigen Geschäftsmodell, um hochwirksame Medikamente zu erforschen, zu entwickeln und für Patienten verfügbar zu machen. Die multimodale Plattform des Unternehmens umfasst eine einzigartige Kombination innovativer Technologien, Daten und wissenschaftlicher Ansätze für die Erforschung, Entwicklung und Produktion von first-in-class und best-in-class pharmazeutischen Produkten. Evotec setzt diese „Data-driven R&D Autobahn to Cures“ sowohl für proprietäre Projekte als auch in einem Netzwerk von Partnern ein, das alle Top-20 Pharma und mehr als 800 Biotechnologieunternehmen, akademische Institutionen und andere Akteure des Gesundheitswesens umfasst. Evotec ist strategisch in einem breiten Spektrum aktuell unterversorgter medizinischer Indikationen aktiv, darunter z. B. Neurologie, Onkologie sowie Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten. Evotecs Ziel ist es, in diesen Bereichen die weltweit führende „co-owned Pipeline“ innovativer Therapieansätze aufzubauen und verfügt bereits jetzt über ein Portfolio von mehr als 200 proprietären und co-owned F+E-Projekten von der frühen Forschung bis in die klinische Entwicklung. Weltweit arbeiten mehr als 5.000 hochqualifizierte Menschen für Evotec. Die 17 Standorte des Unternehmens bieten hochsynergistische Technologien und Dienstleistungen und agieren als komplementäre Exzellenzcluster. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage http://www.evotec.com und folgen Sie uns auf X/Twitter @Evotec und LinkedIn.

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Anti-Infektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. http://www.helmholtz-hzi.de

Kontakt für die Medien:
Dr. Yannic Nonnenmacher
Referent Wissenschaftliche Strategie
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS)
Tel. 0681 98806-4500
hips.medien@helmholtz-hips.de

 

Diese Pressemitteilung finden Sie auch auf unserer Homepage unter dem Link https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/news-detail/article/complete/mit-….

Media Contact

Dr. Andreas Fischer Presse und Kommunikation
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Parkinson-Medikament verändert durch Eisenmangel das Darmmikrobiom zum Schlechteren

Störung der mikrobiellen Gemeinschaft begünstigt Krankheitserreger im Darm. In einer bahnbrechenden neuen Studie, durchgeführt im Rahmen des FWF-geförderten Exzellenzclusters „Mikrobiomes drive Planetary Health“, haben Wissenschafter*innen der Universität Wien in Zusammenarbeit…

Neues Verfahren zur Rückgewinnung wertvoller Elemente aus Holzasche

Team der Hochschule Rottenburg und der Universität Tübingen erarbeitet Grundlagen zur Aufbereitung des bisherigen Verbrennungsabfalls als Sekundärrohstoff. Die Aschen, die bei der Holzverbrennung in Heiz- und Kraftwerken entstehen, enthalten wertvolle…

Auf der Spur des „Schlüsselproteins“

Neues Forschungsprojekt zur Ursache von Lungenhochdruck bei Herzinsuffizienz. Pulmonale Hypertonie (PH) ist eine schwerwiegende Erkrankung, bei der der Druck in den Blutgefäßen zwischen Herz und Lunge dauerhaft erhöht ist. Besonders…