Fettleber und Leberzellkarzinom
Forschende entdecken ein Protein, das diese Erkrankungen antreibt.
Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung ist weltweit die häufigste Lebererkrankung. Unbehandelt kann sie zur Entwicklung eines Leberzellkarzinoms führen. Forschende um Ralf Weiskirchen und Anastasia Asimakopoulos vom Institut für Molekulare Pathobiochemie, Experimentelle Gentherapie und Klinische Chemie an der Uniklinik RWTH Aachen haben die zu Grunde liegenden molekularen Mechanismen untersucht und ein Protein entdeckt, das die Entstehung der Fettleber und des Leberzellkarzinoms antreibt. Aus den Befunden können neue therapeutische Strategien zur Behandlung von Leberverfettung und deren Folgeerkrankungen entstehen. Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Projekt mit 140.000 € gefördert.
Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung zählt weltweit zu den führenden Ursachen von Lebererkrankungen. Chronische Lebererkrankungen, die durch eine Anhäufung von Fetten (Lipiden) im Leberparenchym gekennzeichnet sind, führen zur Entwicklung einer Entzündung, die wiederrum zur nicht-alkoholischen Steatohepatitis führt. Ohne medizinische Maßnahmen kann die anhaltende Leberschädigung zu einem Leberzellkarzinomen führen.
Die weltweite Forschung über die molekularen Mechanismen, die von einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung zu einem hepatozellulären Karzinom führen, hat bisher nur sehr wenige Erkenntnisse erbracht. Am Institut für Molekulare Pathobiochemie, Experimentelle Gentherapie und Klinische Chemie (IFMPEGKC) an der Uniklinik RWTH Aachen unter der Leitung von Prof. Dr. rer. nat. Ralf Weiskirchen und Dr. rer. nat. Anastasia Asimakopoulos konnte in Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen aus Leipzig, Jena und Zagreb nachgewiesen werden, dass ein Protein namens Perilipin 5 maßgeblich an der Progression der Erkrankung beteiligt ist. Die Wissenschaftler:innen konnten im Tiermodell aufzeigen, dass das Fehlen dieses Proteins die Pathogenese der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung hin zum hepatozellulären Karzinom, verhindert.
Perilipin 5 ist ein Mitglied der Perilipin-Proteinfamilie. Diese beinhaltet fünf Mitglieder (Perilipin 1-Perlipin 5), die unterschiedliche Funktionen im Lipidstoffwechsel innehaben. Insbesondere ist bekannt, dass Perilipin 5 auf der Oberfläche von zellulären Lipidtröpfchen vorkommt, in denen Lipide eingelagert und vor dem Abbau geschützt werden.
Experiment am Mausmodell
In dem aktuellen Forschungsprojekt züchtete die Arbeitsgruppe Mäuse, denen Perilipin 5 fehlte. Diese Mäuse wurden in einem Schädigungsmodell eingesetzt, das die Progression einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung zum Leberzellkarzinom im Menschen nachahmt. Dazu wurden die Mäuse mit einer karzinogen wirkenden Substanz behandelt und anschließend einer „Western-Diät“ ausgesetzt. Diese Behandlung führt zur Entwicklung der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung und begünstigt die Entstehung eines Leberzellkarzinom. Das Experiment verfolgte das Ziel zu klären, wie dieses Protein, mit all seinen bekannten Funktionen im Fettstoffwechsel, das Krankheitsgeschehen beeinflusst.
„Unsere Experimente haben gezeigt, dass das Fehlen von Perilipin 5 die Entstehung eines, durch übermäßige Kalorienzufuhr bedingten, Leberschadens verhindert und die Lebertumorgenese durch eine veränderte Regulation von Schlüsselsignalwegen, die mit der Karzinogenese verbunden sind, hemmt. So zeigten Lebern von Tieren, denen Perilipin 5 fehlte, im Vergleich zu Tieren mit einer normalen Expression von Perilipin 5 reduzierte zelluläre Lipideinlagerungen, kleinere Lipidtröpfchengröße und eine signifikant reduzierte Steatohepatitis. Zudem waren die Tiere vor der Entstehung von Lebertumoren geschützt. Das untermauert frühere Befunde der Arbeitsgruppe, die gezeigt haben, dass die Konzentration von Perilipin 5 in Patienten mit Leberzellkarzinom signifikant erhöht ist“, fasst Dr. Asimakopoulos zusammen.
Die in den Experimenten gefundenen verringerten Leberschäden ging einher mit niedrigeren Werten von Leberschädigungsmarkern, die im Blut gemessen werden können. Die Mäuse ohne Perilipin 5 waren zudem geschützt vor einer Fibrosierung der Leber, die durch eine vermehrte Ablagerung kollagenreicher extrazellulärer Matrix gekennzeichnet ist. Zusätzliche Untersuchungen des Forschungsteams zeigten zudem, dass hepatische Sternzellen, die für die übermäßige Matrixsynthese verantwortlich sind, in ihrem Stoffwechsel inaktiver waren.
Möglicher Einfluss auf Entstehung anderer Erkrankungen
Weitergehende Lipidom-Analysen, die mit der Arbeitsgruppe um Priv.-Doz. Dr. Jürgen Schiller und Dr. Kathrin M. Engel von der Universität Leipzig durchgeführt wurden, zeigten, dass der Verlust von Perilipin 5 die Blutkonzentration von Phosphatidylcholinen und Sphingomyelinen, die wichtige Bausteine für Zellmembranen darstellen, erniedrigt. Dies deutet darauf hin, dass Perilipin 5 nicht nur die Entstehung von Fettlebererkrankungen begünstigt, sondern zudem auch die Entstehung anderer Erkrankungen beeinflussen könnte, die mit einer erhöhten Aufnahme von Fett und Zucker einhergehen.
In weiteren, bisher unveröffentlichten Studien, hat die Arbeitsgruppe zeigen können, dass der Verlust von Perlipin 5 auch zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora führt. Hierbei ist insbesondere eine signifikante Zunahme an vorteilhaften Bakterien wie Lactobacillus und Actinobacteria zu verzeichnen. Diese Bakterien besitzen eine wichtige Funktion bei der intestinalen Homöostase.
Vielversprechende Ergebnisse
Zusammenfassend hat dieses Projekt gezeigt, dass der Verlust von Perlipin 5 vor dem Fortschreiten der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung zu einem hepatozellulären Karzinom schützt. Perilipin 5 vermittelt entzündliche Signale, mitochondriale Funktionen und reguliert wichtige Facetten des Lipidstoffwechsels. Daher führt sein Verlust in der Leber zu reduzierter Entzündung und Tumorgenese.
„Die Ergebnisse dieser Studie sind äußerst wichtig und zeigen, welche Auswirkungen ein einzelnes Protein auf Lebererkrankungen und Leberkrebs haben können. Wir hoffen nun, in weitergehenden mechanistischen Studien klären zu können, wie die erhobenen Befunde zur Entwicklung neuer Therapieansätze zur Behandlung von Lebererkrankungen ausgenutzt werden können“, betont Prof. Dr. Weiskirchen.
* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.
Wilhelm Sander-Stiftung: Partnerin der Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit 140.000 € über zwei Förderperioden unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 280 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Kontakt
Konstanze Adam
Wilhelm Sander-Stiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
Tel.: +49 (0) 89 544187-0
E-Mail: adam@sanst.de
Uniklinik RWTH Aachen
Die Uniklinik der RWTH Aachen verbindet als Supramaximalversorger patientenorientierte Medizin und Pflege, Lehre sowie Forschung auf internationalem Niveau. Mit 36 Fachkliniken, 33 Instituten und sechs fachübergreifenden Einheiten deckt die Uniklinik das gesamte medizinische Spektrum ab. Die Bündelung von Krankenversorgung, Forschung und Lehre in einem Zentralgebäude bietet beste Voraussetzungen für einen intensiven interdisziplinären Austausch und eine enge klinische und wissenschaftliche Vernetzung. Hervorragend qualifizierte Teams aus Ärztinnen/Ärzten, Pflegenden und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern setzen sich kompetent für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten ein. Rund 9.000 Mitarbeitende sorgen für patientenorientierte Medizin und eine Pflege nach anerkannten Qualitätsstandards. Die Uniklinik versorgt mit 1.400 Betten rund 50.000 stationäre und 200.000 ambulante Fälle pro Jahr.
Kontakt
Dr. Mathias Brandstädter
Leiter Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Tel.: +49 (0) 241 80-89893
Fax: +49 (0) 241 80-33-89893
E-Mail: mbrandstaedter@ukaachen.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. rer. nat. Anastasia Asimakopoulos & Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Ralf Weiskirchen
RWTH Universitätsklinikum Aachen
Institut für Molekulare Pathobiochemie, Experimentelle Gentherapie und Klinische Chemie (IFMPEGKC)
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
E-Mail: anast.asimakopoulou@gmail.com; rweiskirchen@ukaachen.de
Originalpublikation:
1. Mass-Sanchez PB, Krizanac M, Stancl P, Leopold M, Engel K, Buhl EM, van Helden J, Gaßler N, Schiller J, Karlic R, Möckel D, Lammers T, Meurer SK, Weiskirchen R, Asimakopoulos A. Perilipin 5 deletion protects against nonalcoholic fatty liver disease and hepatocellular carcinoma by modulating lipid metabolism and inflammatory responses. Cell Death Discov, doi: 10.1038/s41420-024-01860-4.
2. doi: 10.3390/ijms22105284
3. doi: 10.3390/ijms22062865
4. doi: 10.3390/cells10092184
5. doi: 10.3390/ijms24087219
6. doi: 10.21037/dmr-21-98
Weitere Informationen:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
http://www.linkedin.com/company/wilhelm-sander-stiftung/
https://www.ukaachen.de/kliniken-institute/institut-fuer-molekulare-pathobiochem…
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…