Dem Blutkrebs auf der Spur
Der MHH-Hämatologe Dr. Florian Perner erhält 2,2 Millionen Euro aus dem Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für seine Forschung zu epigenetischen Veränderungen von Blutstammzellen und ihrer Rolle bei der Entstehung von Blutkrebs.
Leukozyten – umgangssprachlich weiße Blutkörperchen genannt – schützen uns vor Krankheitserregern und Tumorzellen. Während normalerweise ihre Vermehrung und Erneuerung strikt reguliert ist, gerät dieser Vorgang bei manchen Menschen außer Kontrolle: Die unreifen Vorstufen der Leukozyten im Knochenmark vermehren sich bei ihnen unverhältnismäßig stark auf Kosten reifer Blutzellen – und Blutkrebs entsteht. Das Risiko für Leukämie und andere Formen von Blutkrebs steigt mit zunehmendem Lebensalter, gleichzeitig verschlechtert sich die Prognose für die Betroffenen, Rückfälle und Resistenzen gegen eingesetzte Medikamente nehmen zu. Auch Behandlungen wie eine Chemotherapie oder eine Stammzelltransplantation sind schwierig, weil sie von älteren Menschen nur schlecht vertragen werden.
Nicht bei allen Menschen führen genetische Veränderungen in den hämatopoetischen Stammzellen zwangsläufig zur Entstehung von Blutkrebs. Warum das so ist und wie die biologischen Abläufe funktionieren, untersucht Dr. Florian Perner, Wissenschaftler an der Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Er möchte einen Weg finden, die bösartigen Eigenschaften der Blutkrebs-Zellen gezielt zu beeinflussen und so neue und schonende Behandlungsmöglichkeiten finden.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat Dr. Perner in ihr Emmy-Noether-Programm aufgenommen und fördert ihn zum 1. März 2024 über sechs Jahre mit rund 2,2 Millionen Euro. „Wir gratulieren Dr. Perner zu dieser renommierten Forschungsförderung, die ihn als exzellenten Arzt und Wissenschaftler auszeichnet und das Forschungsprofil der MHH in der Onkologie entscheidend bereichert“, sagt MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns.
Zellklone im Blut nehmen mit dem Alter zu
Molekulargenetische Studien haben gezeigt, dass Mutationen in den blutbildenden Stammzellen schon früh entstehen. Im Laufe des Lebens verändern sich die Zellen in ihrer genetischen Zusammensetzung; und es bilden sich unterschiedliche Zellverbände oder auch Zellklone. Diesen Prozess nennt die Wissenschaft „klonale Evolution“. „Während der Alterung des blutbildenden Systems kommt es zu einer Ausbreitung dieser Klone, und schließlich zur Krankheitsentstehung“, erklärt Dr. Perner. Dabei spielt auch die Epigenetik eine wichtige Rolle. Sie beschreibt Prozesse innerhalb der Zelle, welche die Aktivität von Genen beeinflussen. Dabei reagieren Zellen unter anderem auf Umwelteinflüsse. Epigenetische Mechanismen verändern nicht die Gene selbst, sondern ihre Aktivität. So steuern sie, welche Eigenschaft eine Zelle hat, welche Gene an- oder ausgeschaltet werden und haben damit auch Einfluss darauf, ob und wann ob eine Krankheit ausbricht oder eben nicht.
Verpackung des Erbgutes verändert
Mit seiner Forschungsgruppe „Translational Epigenetics“ möchte Dr. Perner den biologischen Abläufen auf die Spur kommen und herausfinden, wie sich Stammzellen in Krebszellen umwandeln. „Durch epigenetische Veränderungen erhalten manche Stammzellklone zunächst einmal einen Wachstumsvorteil“, sagt der Hämatologe. „Allerdings sind weitere Prozesse nötig, damit aus den hämatopoetischen Stamm- und Vorläuferzellen eine Blutkrebs-Vorstufe und schließlich tatsächlich Leukämie entsteht.“ Der Wissenschaftler schaut dabei auf die Umgestaltung der Chromatin-Struktur, die „Verpackung“ der DNA. Sie bestimmt, wie gut oder schlecht Gene für die Ablese-Maschinerie der Zelle zugänglich sind, ob also die darin enthaltene Erbinformation in Eiweiß-Strukturen übersetzt werden kann oder nicht. Epigenetische Prozesse können die Struktur der Chromatin-Verpackung verändern. Diese Chromatin-Modifikation kann dann dafür sorgen, dass in einer Zelle die falschen Gene aktiviert werden und sich die Zelle in eine bösartige Krebszelle umwandelt.
Neue Substanzen sollen Umwandlung in Krebszellen verhindern
Seine Arbeitsgruppe untersucht diese epigenetischen Mechanismen bei akuter myeloischer Leukämie (AML) und Leukämie-Vorstufen. „Wenn wir die biologischen Abläufe genau verstehen, wissen wir auch, wo wir gezielt in die Chromatin-Modifikationen eingreifen können, um den Fitness-Vorteil der mutierten Zellen auszuschalten“, hofft Dr. Perner. Das versucht er mit neuartigen Wirkstoffen, die in klinischen Studien bereits erfolgreich zur Behandlung von Leukämie getestet wurden. „Diese Substanzen wirken nur an ganz spezifischen Stellen der Krebszellen, sind auch für alte Menschen gut verträglich und vielversprechend für die Behandlung von akuter Leukämie“, sagt der Wissenschaftler. In seinem Projekt will er nun untersuchen, ob die Wirkstoffe schon im Vorfeld den Wachstumsvorteil von Zellklonen beeinträchtigen und ihre Umwandlung in aggressive Krebszellen verhindern können. Doch eine zielgerichtete Therapie, um altersbedingte klonale Evolution im Blut zu beeinflussen, könnte nicht nur das Risiko für Blutkrebs senken. „Die Entwicklung solcher Zellklone im blutbildenden System erhöht auch das Risiko für andere im Alter zunehmende Probleme wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Herzinfarkte und Schlaganfälle und ist ein ebenso ernstzunehmender Faktor wie Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht.“
SERVICE:
Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Florian Perner, perner.florian@mh-hannover.de.
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