Wie Zellen die Kurve kriegen
Die Krümmung einer Oberfläche bestimmt das Bewegungsverhalten von Zellen. Sie bewegen sich bevorzugt entlang von Tälern oder Rillen, während sie Erhebungen meiden.
Mit diesen Erkenntnissen unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) und des Weizmann Institute of Science entwickelten Wissenschaftler*innen ein Modell, welches das zelluläre Verhalten vorhersagt. Solche universellen Prinzipien ermöglichen ein besseres Verständnis der Migration von Immun- und Krebszellen und ebnen den Weg für neue Behandlungsmöglichkeiten.
Die Zellwanderung innerhalb des Körpers ist ein grundlegendes biologisches Phänomen. Immunzellen sind ständig auf der Suche nach Krankheitserregern; Krebszellen wandern durch den Körper und bilden Metastasen. Im Inneren des Körpers haben viele Oberflächen wie Gewebe, Blutgefäße oder Auswölbungen eine gekrümmte Form. „Wir konnten zeigen, dass diese Krümmungen das Bewegungsmuster von Zellen direkt beeinflussen“, erklärt Eberhard Bodenschatz, Direktor am MPI-DS. Die Wissenschaftler*innen konnten experimentell belegen, dass Zellen bestimmte Krümmungen gegenüber anderen bevorzugen, ein Phänomen, das „Curvotaxis“ genannt wird.
Um diesen Mechanismus zu beschreiben, erstellten sie ein Computermodell eines Vesikels mit aktiven Bausteinen des Zytoskeletts, die für die Zellbewegung verwendet werden. Diese Struktur ähnelt einer biologischen Zelle, die sich im Körper fortbewegt. „Mit diesem minimalen Zellmodell haben wir den Mechanismus von Curvotaxis auf verschiedenen gekrümmten Oberflächen systematisch untersucht“, berichtet Nir Gov vom Weizmann Institute of Science, Israel. „Die Modellzelle zeigt spezifische Migrationsmuster: Beispielsweise bewegen sich die Zellen entlang wellenförmiger Täler, während sie Grate vermeiden“, fährt er fort.
Diese Beobachtung führte zu einem neuen Modell, mit dessen Hilfe das Zellverhalten vorhergesagt werden kann. Die Vorhersagen des Modells wurden wiederum experimentell an verschiedenen Zelltypen überprüft. So entdeckten die Wissenschaftler*innen einen universellen Mechanismus für die Zellmotilität, der für viele verschiedene Arten von migrierenden Zellen gilt. Auf einer konvexen oder röhrenförmigen Struktur wie der Außenfläche eines Blutgefäßes neigen Zellen dazu, sich in Umfangsrichtung um die Form zu bewegen. Bei konkaven Strukturen (z. B. im Inneren eines Blutgefäßes) wird dagegen eine axiale Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung bevorzugt. „Unsere Arbeit zeigt, wie physikalische Prinzipien selbst in der komplexen Welt der Biologie ein universelles Verhalten hervorrufen können“, fasst Eberhard Bodenschatz zusammen.
Originalpublikation:
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2306818121
Kontakt:
Dr. Manuel Maidorn
Pressesprecher
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