Prozessüberwachung mit KI: Alte Maschinen kostengünstig nachrüsten
Künstliche Intelligenz (KI) in der Prozessüberwachung kann Ausschuss reduzieren, die Bauteilqualität steigern und das Personal entlasten. Teure Investitionen in neue Maschinen sind dafür nicht unbedingt notwendig. Das zeigt das kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekt „AutoPress“ des IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH und der JOBOTEC GmbH. Die Forschenden haben ein System aus Sensoren und KI entwickelt, mit dem sich alte Maschinen im Rahmen eines Retrofits nachrüsten lassen. Entwickelt wurde das System am Beispiel einer Spindelpresse, es lässt sich aber auch auf andere Maschinen und Anlagen übertragen.
Die Prozessüberwachung auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI), die im Forschungsprojekt „AutoPress“ entwickelt wurde, erkennt Parameterabweichungen mit einer Erfolgsquote von 95 bis 98 Prozent. Werden Fehler erkannt, erhält die Person eine Rückmeldung, die die Anlage bedient:
- „Achtung, das Werkzeug ist fehlerhaft eingebaut!“
- „Achtung, das Halbzeug ist nicht zentriert!“
- „Achtung, Sie haben das falsche Material eingelegt!“
Produzierende Unternehmen können mit diesem System nicht nur Fehler frühzeitig erkennen, Ausschuss vermeiden und die Bauteilqualität steigern – sie entlasten auch ihr Personal. Mit KI-Unterstützung können auch weniger qualifizierte Mitarbeitende die Maschinen bedienen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies ein echter Wettbewerbsvorteil.
Retrofit verlängert die Lebensdauer von Maschinen und Anlagen
Um modernste Sensoren und KI nutzen zu können, müssen produzierende Unternehmen nicht unbedingt teure Maschinen neu anschaffen. Stattdessen können sie alte Maschinen im Rahmen eines sogenannten Retrofits nachrüsten. Ein Retrofit ist in der Regel kostengünstiger als die Neuanschaffung. Zudem ist es nachhaltiger, weil es dazu führt, dass Maschinen länger genutzt werden.
Im Forschungsprojekt „AutoPress“ haben das IPH und JOBOTEC beispielhaft eine in die Jahre gekommene Spindelpresse mit modernen Sensoren ausgestattet. Dabei haben sie darauf geachtet, mit kostengünstigen Komponenten und bestehenden Industriestandards zu arbeiten – damit auch kleine und mittlere Unternehmen in der Lage sind, ihre Maschinen ohne großen Aufwand nachzurüsten. Was im Forschungsprojekt „AutoPress“ am Beispiel einer Spindelpresse entwickelt wurde, lässt sich auch auf zahlreiche andere Maschinen und Anlagen übertragen.
KI-Modelle werten Sensordaten aus und erkennen Abweichungen
Ausgerüstet wurde die Spindelpresse unter anderem mit Laserdistanzsensoren, Sensoren zur Spannungsmessung und Temperatursensoren. Verschiedene KI-Modelle werten die Messergebnisse aus und gleichen sie mit den idealen Parametern ab. Werden Abweichungen erkannt, gibt das System Handlungsempfehlungen aus.
Mit Sensoren ausgestattet: Das Werkzeug im Forschungsprojekt „AutoPress“. (c) Nils Doede / IPH gGmbH
So erkennt das System beispielsweise Abweichungen von der idealen Halbzeughöhe. Wenige Millimeter können hier große Folgen haben: Wurde zu wenig Material in die Presse eingelegt, wird keine Formfüllung erreicht und Ausschuss produziert. Ist das Halbzeug dagegen zu hoch, wird Material und Energie verschwendet. In beiden Fällen ist die KI in der Lage, eine Empfehlung abzugeben, um wie viele Millimeter die Höhe des Halbzeugs korrigiert werden muss – um entweder Ausschuss oder Verschwendung zu vermeiden.
Abweichungen von der idealen Werkzeugposition erkennt die KI ebenfalls. Liegen beispielsweise die beiden Werkzeughälften nicht genau deckungsgleich übereinander, wirkt sich dies negativ auf die Bauteilqualität aus. Gleiches gilt, wenn das Halbzeug nicht genau mittig im Werkzeug liegt.
Auch das falsche Material kann zu Fehlern führen – und eine Verwechslung ist oftmals nicht mit bloßem Auge erkennbar. Verschiedene Stahlsorten benötigen unterschiedliche Temperaturen und Umformkräfte. Die KI erkennt dies und weist auf Werkstoff-Verwechslungen hin – so kann die Anlage gestoppt und der Fehler korrigiert werden, bevor in großer Zahl fehlerhafte Bauteile produziert werden.
Supervised Learning: KI muss zunächst trainiert werden
Sensoren nachrüsten, KI-Software installieren, fertig? Ganz so einfach ist es nicht. Die KI-gestützte Prozessüberwachung ist ein sogenanntes Expertensystem, das zunächst angelernt werden muss – von einer Person, die viel Fachwissen und Erfahrung mit der entsprechenden Maschine mitbringt. Supervised Learning-Algorithmen sorgen dafür, dass das System schnell lernt und selbst zum Experten wird, der Fehlerbilder zuverlässig erkennen kann. So lässt sich das System auf viele verschiedene Maschinen und Produktionsprozesse trainieren.
Das KI-System soll Menschen nicht ersetzen, sondern unterstützen. So können künftig auch Mitarbeitende mit wenig Fachwissen und Erfahrung die Maschinen bedienen – wenn ihnen die KI zur Seite steht. Für Unternehmen, die unter dem Fachkräftemangel leiden, bedeutet das eine enorme Entlastung.
Ausschuss vermeiden und nachhaltiger produzieren
Die KI-gestützte Prozessüberwachung ist aber nicht nur eine Hilfestellung fürs Personal. Sie kann darüber hinaus dazu beitragen, die Bauteilqualität zu erhöhen, Ausschuss zu vermeiden, Material und Energie einzusparen und damit letztlich nachhaltiger zu produzieren. All das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt gibt es unter https://autopress.iph-hannover.de/.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Nils Doede, Projektingenieur am IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH, Leiter des Projekts „AutoPress“, Telefon: +49 511 27976 339, doede@iph-hannover.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1007/s11740-024-01298-8
Weitere Informationen:
https://autopress.iph-hannover.de/ Weitere Informationen zum Forschungsprojekt
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