Neuen Regulationsmechanismus des tumorförderndes Proteins LSD1 indentifiziert

Immunfluoreszenzdarstellung einer Zelle. LSD1 und NEK6 lokalisieren mittels biomolekularer Kondensation in spezifischen Kompartimenten im Zellkern, um spezifische Gene zu regulieren.
© Knodel/Rathert

Eine aktuelle Studie von Wissenschaftler:innen um Dr. Philipp Rathert von der Universität Stuttgart eröffnet neue Perspektiven für die Entwicklung zielgerichteter Krebstherapien. Die Forscherinnen und Forscher identifizierten mit NEK6 einen bisher unbekannten Regulator des Proteins LSD1, das eine Schlüsselrolle bei der Entstehung verschiedener Krebsarten spielt. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Communications Biology“ veröffentlicht. Die Wilhelm Sander-Stiftung förderte das Projekt mit 104.000 Euro.

Die Behandlung von Krebs stellt die Medizin vor große Herausforderungen, da Krebszellen sehr unterschiedliche genetische Veränderungen aufweisen können. Viele der heute eingesetzten Therapien basieren auf Chemotherapie, die oft mit starken Nebenwirkungen verbunden ist. Wissenschaftler suchen daher intensiv nach gezielteren Behandlungsmöglichkeiten, die speziell auf die Eigenschaften der Krebszellen ausgerichtet sind.

Ein vielversprechender Ansatzpunkt ist das Protein LSD1, das wie ein molekularer Schalter die Aktivität von Genen reguliert. Bei vielen Krebsarten ist dieser Schalter falsch eingestellt, wodurch die Krebszellen unkontrolliert wachsen können. „Wie LSD1 selbst reguliert wird, war bisher nicht vollständig verstanden. Diese Information ist aber entscheidend, um wirksame Medikamente entwickeln zu können“, erklärt Dr. Philipp Rathert die Ausgangssituation der Studie.

Mit Hilfe einer innovativen fluoreszenzbasierten Screening-Methode gelang es Franziska Knodel, Doktorandin im Labor von Dr. Rathert, die Kinase NEK6 als wichtigen Steuerungsfaktor von LSD1 zu identifizieren. NEK6 ist ein Enzym, das andere Proteine chemisch modifizieren und damit deren Funktion beeinflussen kann. In Zusammenarbeit mit der Universität Münster konnte das Team zeigen, dass NEK6 die Aktivität von LSD1 reguliert und seine Verteilung in bestimmten Bereichen der Zelle steuert.

„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, wie NEK6 die LSD1-Aktivität in der Zelle verstärkt und damit die Genregulation maßgeblich beeinflusst“, erklärt Franziska Knodel, Erstautorin der Studie. „Besonders interessant ist die Entdeckung, dass NEK6 gezielt einen bestimmten Bereich von LSD1 verändert, der für die Bildung spezieller Zellkompartimente wichtig ist.“

Diese Zellkompartimente, die Forschende als biomolekulare Kondensate bezeichnen, sind mit winzigen Tröpfchen in der Zelle vergleichbar. Sie entstehen, wenn sich bestimmte Proteine und andere Moleküle zusammenlagern – ähnlich wie Öltropfen im Wasser. Die Studie zeigt, dass sich LSD1 in diesen Tröpfchen anreichert und dort seine Funktion besser ausüben kann. NEK6 verstärkt diesen Prozess, indem es LSD1 chemisch verändert.

„Diese Entdeckung ist besonders spannend, weil wir damit zum ersten Mal verstehen, wie die räumliche Organisation von LSD1 in der Zelle gesteuert wird“, erklärt Dr. Rathert. „Dieses Wissen könnte uns helfen, neue Medikamente zu entwickeln, die gezielt in diesen Prozess eingreifen.

Die neuen Erkenntnisse ebnen den Weg für innovative Therapieansätze, die nicht nur LSD1 selbst, sondern auch seine Regulatoren wie NEK6 als Angriffspunkte nutzen. Besonders vielversprechend erscheint die Möglichkeit von Kombinationstherapien, die mehrere dieser Faktoren gleichzeitig beeinflussen. Solche Ansätze könnten in Zukunft zu wirksameren und gleichzeitig schonenderen Behandlungsmöglichkeiten für Krebspatienten führen.

* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.

Wilhelm Sander-Stiftung: Partnerin der Krebsforschung

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit 104.000 € über 2 Jahre unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 280 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontakt
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E-Mail: adam@sanst.de

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Philipp Rathert, PhD
Institut für Biochemie und Technische Biochemie
Universität Stuttgart
Allmandring 31
70569 Stuttgart
Tel: +49 (0) 711 685 64388
Fax: +49 (0) 711 685 64392
E-Mail: philipp.rathert@ibtb.uni-stuttgart.de

Originalpublikation:

Knodel, F., Eirich, J., Pinter, S. et al. The kinase NEK6 positively regulates LSD1 activity and accumulation in local chromatin sub-compartments. Commun Biol 7, 1483 (2024). https://doi.org/10.1038/s42003-024-07199-x

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
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