Mit veganen Antikörpern Tierversuche vermeiden
Ausgründungsprojekt „Ymolution“ gestartet.
An der Unimedizin Greifswald startete im November ein Projekt, das bereits in ein paar Monaten zu einer Unternehmensgründung führen wird. Ein Forschungsteam des Interfakultären Instituts für Genetik und Funktionelle Genomforschung hat eine neue Methode zur Herstellung von Nanoantikörpern entwickelt, die komplett auf Tierversuche verzichtet.
Diese „veganen“ Antikörper können für viele Forschungsbereiche eine bedeutende Rolle spielen – etwa in der Diagnostik und Krebsforschung, die bisher fast ausschließlich von tierischen Systemen abhängig waren. „Ymolution“ nennt sich die für 2025 geplante Ausgründung aus dem Forschungstransferprojekt. Sie soll für eine revolutionäre Lösung immunologischer Fragestellungen stehen.
Antikörper erkennen Krankheitserreger nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip und machen sie unschädlich. In der Medizin spielen sie daher eine bedeutende Rolle: in der Grundlagenforschung, bei der Diagnostik zum Beispiel beim Corona-Schnelltest oder bei der Entwicklung von Medikamenten. „Doch um Antikörper zu produzieren, kommen normalerweise Tiere zum Einsatz“, sagen Dr. Christian Hentschker und Dr. Alexander Reder vom „Ymolution“-Projekt. Ein Weg sei die Nutzung tierischer Genbibliotheken. Der andere Weg sei die Gewinnung bestimmter Antikörper aus Versuchstieren, insbesondere Mäusen und Kaninchen. „Das ist nicht nur ethisch problematisch, sondern ist zudem mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden“, betont Reder weiter. Zudem sei die Qualität der produzierten Antikörper häufig schlecht, eine Erfolgsgarantie ohnehin nie gegeben. Denn jedes Tier reagiere anders. Fast 90 Prozent der hergestellten Antikörper können gar nicht effektiv genutzt werden.
Für all diese Probleme hat das Greifswalder Forschungsteam nun eine Lösung: die künstliche Herstellung von Nanoantikörpern im bakteriellen System. Mithilfe ihrer neuartigen Methode wird das Immunsystem der Tiere in den Bakterienzellen nachgestellt. Auf diese Weise können in vollständig synthetisch hergestellten Genbibliotheken theoretisch alle relevanten Antikörperspezifitäten abgebildet werden. „Man kann sich das Ganze wie eine unbegrenzte Sammlung von Bauplänen für verschiedene Antikörper vorstellen“, vergleicht Hentschker das Prinzip.
„Aus dieser Bibliothek können wir genau auswählen, welche Antikörper wir herstellen wollen“, erzählt er, „und vorab können wir all das herausfiltern, was nicht oder nur schlecht funktionieren würde.“ Ergänzend dazu hebt Reder hervor, dass das neue Verfahren den besonderen Vorteil bietet, eine Vielzahl an Antikörperspezifitäten zu erzeugen, die bislang unerreichbar waren und die im Tiermodell nicht realisiert werden können. Zudem verlaufe der gesamte Prozess im Labor – kontrolliert und unter höchsten Reinheitsbedingungen. Das ermögliche eine bessere Qualität bei gesteigerter Effizienz der Antikörperproduktion. „Wir werden mit dieser Methode bedeutend schneller Antikörper produzieren, was nicht zuletzt auch die Herstellungskosten entscheidend senkt“, so Reder weiter.
„Ymolution hat das Potenzial, die Antikörperproduktion durch die Anwendung innovativer synthetischer Bibliotheken und funktionaler Selektion nachhaltig zu revolutionieren“, zeigt sich Prof. Karlhans Endlich zufrieden. Diese Antikörper haben schließlich einen direkten Einfluss auf die Patient*innenversorgung – zum Beispiel in der Krebstherapie, bei der Bekämpfung viraler Infektionen oder bei der Behandlung bestimmter Nierenerkrankungen. Der Wissenschaftliche Vorstand der Unimedizin Greifswald betont: „Diese Technologien sind ein Paradebeispiel für den Transfer von Forschungsergebnissen aus der UMG in die regionale Wirtschaft.“
Das Projekt, welches über das Programm „EXIST-Forschungstransfer“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit etwa 850.000 Euro bezuschusst wird, steckt noch in den Anfängen. Die Vorbereitungen für das Unternehmen laufen auf Hochtouren. Im Herbst 2025 ist die Ausgründung geplant. „Ymolution“ ist ein weiteres Projekt an der Unimedizin Greifswald, das erfolgreich eine Förderung aus der EXIST-Forschungstransfer-Initiative einwerben konnte“, freut sich Jan Meiering, betriebswirtschaftlicher Ansprechpartner des „Ymolution“-Teams. Er betont, wie viel Potenzial das Projekt birgt: „Es soll den Grundstein für ein regional ansässiges Unternehmen legen, das langfristig hochqualifizierte Arbeitsplätze schafft.“ Dies könne die Region wirtschaftlich stärken und als Vorbild für weitere Existenzgründungen dienen.
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