Parkinson-Medikament verändert durch Eisenmangel das Darmmikrobiom zum Schlechteren

Störung der mikrobiellen Gemeinschaft begünstigt Krankheitserreger im Darm.

In einer bahnbrechenden neuen Studie, durchgeführt im Rahmen des FWF-geförderten Exzellenzclusters „Mikrobiomes drive Planetary Health“, haben Wissenschafter*innen der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der University of Southampton, der Aalborg University und der Boston University aufgedeckt, dass das häufig verschriebene Parkinson-Medikament Entacapon das menschliche Darmmikrobiom erheblich negativ verändert, indem es Eisenmangel hervorruft. Die Studie, die aktuell in Nature Microbiology veröffentlicht wurde, liefert neue Einblicke in die oft übersehenen Auswirkungen von Arzneistoffen auf mikrobielle Gemeinschaften, die eine entscheidende Rolle für die menschliche Gesundheit spielen.

Während bereits lange bekannt ist, dass Antibiotika das menschliche Darmmikrobiom erheblich stören, zeigen neuere Forschungen, dass auch eine Vielzahl von anderen Medikamenten – insbesondere solche zur Behandlung neurologischer Erkrankungen – die mikrobiellen Gemeinschaften in unserem Körper stark beeinflussen können. Zusätzlich zu ihren therapeutischen Effekten auf verschiedene Organe bringen diese Wirkstoffe ungewollt die Darmmikroben aus dem Gleichgewicht, was potenziell gesundheitliche Konsequenzen nach sich zieht. Bisher stützten sich Studien zu diesen Wechselwirkungen entweder auf Patient*innenanalysen, die durch viele Störfaktoren beeinflusst sind, oder auf Experimente mit isolierten Darmbakterien, die die Komplexität des menschlichen Mikrobioms nicht vollständig erfassen.

Untersuchung von Medikament-Mikroben-Wechselwirkungen

Um diese komplexen Wechselwirkungen besser zu verstehen, nutzte das internationale Forschungsteam einen innovativen experimentellen Ansatz. Sie untersuchten die Wirkung von zwei Medikamenten – Entacapon und Loxapin, einem Medikament zur Behandlung von Schizophrenie – auf Stuhlproben gesunder menschlicher Spender. Die Wissenschafter*innen analysierten die Auswirkungen auf die mikrobiellen Gemeinschaften mithilfe modernster molekularer und bildgebender Techniken, darunter eine Methode zur Aktivitätsmessung mittels schweren Wassers und Stimulierter Raman-Spektroskopie (SRS). Die Forscher*innen entdeckten, dass Loxapin und insbesondere Entacapon viele Mitglieder des Mikrobioms stark hemmten, während Escherichia coli unter dem Einfluss von Entacapon stark zunahm.

„Die Ergebnisse waren noch deutlicher, als wir die mikrobielle Aktivität untersuchten und nicht nur die bloße Anwesenheit der Mikroben“, erklärt Fatima Pereira, Erstautorin der Studie und ehemalige Postdoktorandin an der Universität Wien. „Die Methode mit schwerem Wasser und SRS ermöglichte es uns, bedeutende Veränderungen im Darmmikrobiom zu beobachten, die in herkömmlichen Abundanzmessungen oft übersehen werden.“

Entacapon verursacht Eisenmangel und begünstigt pathogene Mikroben

Die Forscher*innen vermuteten aufgrund der chemischen Struktur des Arzneistoffs, dass Entacapon die Eisenverfügbarkeit im Darm beeinträchtigen könnte, ein wesentlicher Nährstoff für viele Mikroben. Ihre Experimente bestätigten, dass tatsächlich die Zugabe von Eisen zu den mit Entacapon behandelten Stuhlproben die Veränderungen des Mikrobioms weitgehend aufhob. Weitere Untersuchungen ergaben, dass E. coli, das sich unter diesen Bedingungen stark vermehrte, über ein hoch effizientes Eisenaufnahmesystem verfügte. Dieses System ermöglichte es den Bakterien, Eisenmangel zu überwinden und sich trotz des Medikaments zu vermehren.

„Damit haben wir einen neuen Mechanismus im Darm entdeckt, bei dem das Parkinson-Medikament Entacapon ungewollt das Wachstum von E. coli und anderen potenziell pathogenen Mikroben gefördert hat“, sagt Michael Wagner, wissenschaftlicher Leiter des Exzellenzclusters und stellvertretender Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CeMESS) der Universität Wien.

Breitere Auswirkungen auf Medikament-Mikrobiom-Wechselwirkungen

Diese Entdeckung hat weitreichende Implikationen für das Verständnis, wie auch andere Medikamente das Darmmikrobiom potentiell beeinflussen könnten. Mehrere Medikamente, einschließlich Entacapon, enthalten metallbindende Catecholgruppen, was darauf hindeutet, dass dieser Mechanismus ein häufiger Weg für medikamenteninduzierte Veränderungen des Mikrobioms sein könnte.

Die Ergebnisse bieten zudem die Möglichkeit, die Nebenwirkungen von Medikamenten wie Entacapon zu mildern, indem eine ausreichende Eisenverfügbarkeit im Dickdarm sichergestellt wird. „Im nächsten Schritt wollen wir Medikamentenbehandlungen so anpassen, dass sie das Darmmikrobiom besser unterstützen“, erklärt Wagner. „Wir prüfen derzeit Strategien zur gezielten Eisenabgabe an den Dickdarm, wo es dem Mikrobiom zugutekommt, ohne die Medikamentenaufnahme im Dünndarm zu beeinträchtigen.“

Originalpublikation:

Pereira FC, Ge X, Kristensen JM, Kirkegaard RH, Maritsch K, Szamosvári D, Imminger S, Seki D, Shazzad JB, Zhu Y, Decorte M, Hausmann B, Berry D, Wasmund K, Schintlmeister A, Böttcher T,5, Cheng J-X & Wagner M: The Parkinson’s disease drug entacapone disrupts gut microbiome homeostasis via iron sequestration. Nature Microbiology.
DOI: 10.1038/s41564-024-01853-0.
https://www.nature.com/articles/s41564-024-01853-0

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Wagner
Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft (CeMESS), Universität Wien
1030 Wien, Djerassiplatz 1
T +436648175115
michael.wagner@univie.ac.at
www.univie.ac.at

Weitere Informationen:

https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/a…

Auch im Video „Medikamente und Darmflora: Was unser Mikorbiom stört“ erklärt Michael Wagner die Ergebnisse und Hintergründe der aktuellen Studie:

Die Studie wurde im Rahmen des FWF-geförderten Exzellenzclusters „Mikrobiome steuern Planetare Gesundheit“ durchgeführt, einer gemeinsamen Forschungsinitiative von acht führenden österreichischen Forschungseinrichtungen. Weitere Informationen: www.microplanet.at.

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Alexandra Frey Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

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