Vom Beklagen zum Handeln: HKA geht die Klimakrise in den Alpen an
Gletscherschmelze, Hitzewellen und veränderte Niederschlagsmuster erfordern strategisches und grenzüberschreitendes Wassermanagement
Der stetige, intensive Ressourcengebrauch hat unsere Umwelt negativ beeinflusst – und das über nationale Grenzen hinaus. Der Klimawandel verändert die Alpenregion drastisch: Schmelzende Gletscher und veränderte Niederschlagsmuster gefährden Flüsse und Grundwasserreserven. Das von der EU kofinanzierte Projekt „Waterwise“, geleitet durch das Interreg-Programm Alpenraum, bringt die Hochschule Karlsruhe (HKA) und 11 weitere Partner aus sieben Alpenländern – Frankreich, Italien, Schweiz, Deutschland, Österreich und Slowenien – zusammen, um die Krise zu bewältigen und grenzüberschreitende Lösungen für ein nachhaltiges Wassermanagement in der Alpenregion zu entwickeln.
Wassermanagement in den Alpen: Von den Berggipfeln bis in die urbanen Zentren
Das Management der alpinen Wasserressourcen beginnt an ihrer Quelle – schmelzende Gletscher, Schneefelder und veränderte Niederschlagsmuster – und erstreckt sich bis in urbane Zentren, wo Wasserknappheit die sozioökonomische Stabilität über Grenzen hinweg gefährden kann. Ein anschauliches Beispiel ist das Val d’Ursé-Tal in der Schweiz, dessen Bergbäche die Flüsse Adda und Po speisen – Lebensadern für die Wirtschaft und Gesellschaft Norditaliens.
Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind deutlich sichtbar. Zwischen 2005 und 2018 haben zwei der letzten verbliebenen Gletscher in der Zugspitzregion ein Drittel bis die Hälfte ihrer Eismasse verloren. In Frankreich hat der Tré-la-Tête-Gletscher innerhalb von nur zwei Jahren (2014–2016) eine Eismenge verloren, die 6.000 olympischen Schwimmbecken entspricht. In Österreich verzeichnet die Jamtal-Region einen beschleunigten Gletscherrückgang, wobei die Wetterstation Galtür einen Temperaturanstieg von 2°C im Vergleich zum Mittelwert von 1961–1990 dokumentiert.
Sichtbare Auswirkungen des Klimawandels
Das Schmelzen der Gletscher und die abnehmende Schneedecke sind deutliche Zeichen für die tiefgreifenden Auswirkungen des Klimawandels. Diese gefährden die lebenswichtigen Bergquellen und die alpinen Grundwasserreserven, die sie speisen. Hinzu kommen Hitzewellen, lang anhaltende Dürreperioden und unvorhersehbare Niederschlagsmuster, die Ökosysteme und Gemeinschaften gleichermaßen belasten.
Die Folgen reichen über die Wasserversorgung hinaus und bedrohen die Biodiversität einzigartiger alpiner Lebensräume. Im Becken der Grande Sassière etwa gibt es 20 seltene Pflanzenarten, die von den dortigen Feuchtgebieten abhängen, deren Zukunft ungewiss ist. Diese Störungen beeinträchtigen zudem direkt die Wasserverfügbarkeit und -qualität für zahlreiche alpine Gemeinden, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich.
Reale Beispiele verdeutlichen die Bedeutung dieser Veränderungen. In Trentino-Südtirol ist die Gemeinde Ziano di Fiemme auf die Sadole-Quelle angewiesen, die von einem Felsgletscher im Val Sadole-Tal gespeist wird. Ebenso liefert der Berg Petzen, an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien, wichtige Wasserressourcen für lokale Gemeinden und unterstützt die Energieerzeugung durch Wasserkraft.
Strategische Integration des Wassermanagements
Die wachsenden Herausforderungen durch Gletscherschmelze, schrumpfende Schneedecken und veränderte Niederschlagsmuster verdeutlichen die Dringlichkeit, das Wassereinzugsgebietsmanagement strategisch in die Politikgestaltung zu integrieren. Die Verfügbarkeit von Wasser ist ein Grundpfeiler der Nachhaltigkeit und unterstützt wesentliche Sektoren wie Energieproduktion, Landwirtschaft, Industrie und Tourismus – zentrale Wirtschaftsfaktoren der Alpen und angrenzender Regionen.
Ziele und Auftakttreffen des Projekts „Waterwise“
Angesichts der zunehmenden Herausforderungen im Bereich der Wasserressourcen und der eskalierenden Auswirkungen des Klimawandels leitet das Waterwise-Projekt Bemühungen, um alpine Gemeinden und Schutzgebiete bei der Entwicklung langfristiger Strategien für Resilienz zu unterstützen. Diese innovative Initiative konzentriert sich darauf, lokale Akteure mit den notwendigen Werkzeugen und dem Wissen auszustatten, um Wasserressourcen zu schützen und sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.
Das Projekt stand im Mittelpunkt seines Auftakttreffens Mitte November 2024 in Poschiavo, Schweiz, wo ein internationales, interdisziplinäres Team zusammenkam, um diese kritischen Themen zu adressieren.
„Projekte wie Waterwise sind entscheidend, da sie das dringende globale Problem des Klimawandels durch innovative und kollaborative Ansätze angehen“, sagte Clément Roques, wissenschaftlicher Koordinator des Projekts und leitender Forscher am Zentrum für Hydrogeologie und Geothermie (CHYN) der Universität Neuchâtel.
Monica Tolotti, Forscherin der Hydrobiologie-Gruppe an der Edmund-Mach-Stiftung und administrative Hauptpartnerin des Projekts, ergänzte: „Um diese Herausforderungen effektiv zu bewältigen, ist eine transnationale Zusammenarbeit zwischen Interessengruppen, politischen Entscheidungsträgern und Verwaltungsbehörden unerlässlich.“
Entwicklung einer digitalen Toolbox
Im Mittelpunkt der Waterwise-Initiative steht die Entwicklung einer hochmodernen digitalen Toolbox, die die Resilienz der Alpenregionen stärken soll. Diese umfassende Sammlung von Prognose- und Analysetools wird in Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren entwickelt, um sicherzustellen, dass sie den einzigartigen Anforderungen unterschiedlicher Bedingungen gerecht wird.
Die Toolbox soll praktische Lösungen für das Management von Wasserressourcen, den Schutz der Biodiversität und die Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels bieten. Ihre Gestaltung ermöglicht eine Übertragbarkeit, sodass auch andere Regionen von ihren Anwendungen profitieren können.
Pilotregionen zur Implementierung und Verfeinerung der Toolbox umfassen Contamines Montjoie und Grande Sassière (Frankreich), Jamtal (Österreich), Rèchy (Schweiz), Sadole (Italien), die Zugspitzregion (Deutschland) und das grenzüberschreitende Aquifer von Mount Petzen (Österreich/Slowenien). Zusätzliche Alpenregionen werden integriert, um die Vielseitigkeit der Toolbox unter verschiedenen Umwelt- und hydrologischen Bedingungen zu testen.
Die Rolle der HKA im Projekt
Die Umsetzung des Waterwise-Projekts im deutschen Studiengebiet an der Zugspitze wird von der HKA in Zusammenarbeit mit der Universität Passau geleitet. Gemeinsam stellen sie sich einer der Kernherausforderungen des Projekts: der Verbesserung der Verfügbarkeit hydrologischer Daten in der Alpenregion.
Die HKA führt zusammen mit der Universität Neuchâtel das erste Arbeitspaket, das sich auf harmonisierte Datenerfassung und Methoden konzentriert. Im Mittelpunkt stehen kostengünstige Sensorsysteme und Crowdsourcing-Ansätze, die Lücken in der Datenerfassung in entlegenen alpinen Einzugsgebieten schließen sollen, wo standardisierte Messstationen begrenzt sind. Workshops und Bildungsmaterialien werden entwickelt, um diese innovativen Werkzeuge zu unterstützen und Gemeinschaften zu befähigen, aktiv an der Überwachung und Verwaltung ihrer Wasserressourcen teilzunehmen.
„In abgelegenen alpinen Einzugsgebieten, wo standardisierte Messstationen selten sind, bieten kostengünstige Sensoren und Crowdsourcing wertvolle Methoden, um kritische Einblicke in Wasserressourcen und deren zukünftige Entwicklungen zu gewinnen“, erklärte Prof. Dr. Markus Noack von der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der HKA und Leiter der Forschungsstelle für Wasserbau der Hochschule.
Kollaborative Anstrengungen über Institutionen hinweg
Kofinanziert durch die Europäische Union im Rahmen des Interreg-Programms Alpenraum profitiert das Waterwise-Projekt von einer robusten Zusammenarbeit, die 12 renommierte Partner vereint: die Universität Neuchâtel (wissenschaftliche Leitung, Schweiz), die Edmund-Mach-Stiftung (administrative Leitung, Italien), Réserves naturelles de France (Frankreich), Legambiente Piemonte e Valle d’Aosta (Italien), EGTC Geopark Karawanken (Österreich, Slowenien), Universität Passau (Deutschland), Geologischer Dienst von Slowenien (Slowenien), Tetraktys (Frankreich), Hochschule Karlsruhe (Deutschland), Alpinarium Galtür Dokumentations-GmbH (Österreich), Agenzia Regionale per la Protezione dell’Ambiente Lombardia (Italien) und CREALP: Zentrum für alpine Umweltforschung (Schweiz).
Ein Projekt für nachhaltige Entwicklung
Während der Klimawandel weiterhin natürliche Prozesse stört, bieten Projekte wie „Waterwise“ einen Fahrplan für nachhaltige Entwicklung. Durch transnationale Zusammenarbeit, innovative Technologien und das Engagement für den Erhalt der Biodiversität kann sich die Alpenregion an die Auswirkungen eines sich wandelnden Klimas anpassen und diese abmildern. Dieses Projekt liefert wertvolle Erkenntnisse für andere Regionen weltweit, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind.
Kontakt
Internationales Waterwise Pressebüro
Elisa Leo (Legambiente Piemonte e Valle d’Aosta)
Tel.: +39 3474066702
E-Mail: e.leo@legambiente.it
Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft (HKA)
Moltkestraße 30, 76133 Karlsruhe
Presse und Kommunikation
H. Gust
Tel.: +49 721/925-1016, Fax: +49 721/925-1005
E-Mail: pk@h-ka.de
Website: www.h-ka.de
Presse und Kommunikation
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.
Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.
Neueste Beiträge
Wie sicher ist die IT ambulanter Pflegedienste?
Fraunhofer SIT startet BSI-Studie. Projekt zur Sicherheit digitaler Pflegedokumentationssysteme: Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT wird die Sicherheit digitaler Pflegedokumentationssysteme von ambulanten Pflegediensten untersuchen. Im Auftrag des Bundesamts für Sicherheit…
Schicht um Schicht
Wie Simulationen bei der Herstellung von organischen Bauelementen wichtige Aussagen treffen können. Organische Bauelemente sind nicht zuletzt durch moderne Fernseher mit organischen Leuchtdioden (OLEDs) in aller Munde. Doch die Entwicklung…
Humusbeobachtung aus dem All: Ein gewaltiger Einblick in die Menschheit
Der Humusgehalt von Böden ist einer der wichtigsten Indikatoren für die Bodenfruchtbarkeit. Die Erfassung von Humusveränderungen durch Bodenproben ist jedoch sehr zeitaufwendig und kostenintensiv. Eine neue Methode ermöglicht die direkte…