Keine Faulenzer im Roboterschwarm
Wie kann ein Team seine Kräfte optimal zuteilen? Konstanzer Physiker um Clemens Bechinger zeigen eine Lösung anhand eines Mikroroboter-Schwarms.
Stellen Sie sich vor, Sie wollen mit einer Gruppe von Leuten ein schweres Möbelstück anheben. Die Leistung jedes Einzelnen ist wichtig, aber wie kann man sicherstellen, dass alle ihren Teil dazu beitragen, das Gewicht zu heben? Die Frage nach einer gerechten Lastenverteilung ist nicht nur bei menschlicher Teamarbeit ein kritisches Thema. Auch Roboterschwärme stehen vor diesem Problem.
Bei kollektiven Aufgaben hängt der Erfolg der Gruppe vom Beitrag jedes einzelnen Mitglieds ab. Individuelle Leistung in einer Gemeinschaftsarbeit zu erkennen und zu belohnen ist jedoch keine leichte Aufgabe. Diese Herausforderung wird noch größer, wenn sie im Mikrometerbereich stattfindet, wo Schwärme von winzigen Robotern zusammenarbeiten müssen, um komplexe Aufgaben zu erfüllen.
Eine neue Studie unter Leitung des Konstanzer Physikers Clemens Bechinger, die in Science Robotics veröffentlicht wurde, hat große Fortschritte für die Lösung dieses Problems gemacht. Die Forschung konzentriert sich auf mikrorobotische Schwärme – winzige Roboter, die durch Laserpunkte gesteuert werden – und auf die Schwierigkeit, jedem Roboter seine Rolle in einer Gruppenaufgabe zuzuweisen. Ohne ein ausgeglichenes System der Arbeitsverteilung könnten einige Roboter nachlassen, während andere die Aufgabe übernehmen, was die Gesamtleistung des Schwarms beeinträchtigen würde.
Um dieses Problem zu lösen, haben die Forscher einen Algorithmus für maschinelles Lernen zusammen mit einer speziellen Methode zur Schätzung des Beitrags jedes Mikroroboters verwendet. Diese Methode stellt sicher, dass die Leistung jedes einzelnen Roboters erkannt und optimiert wird, um das Problem des „faulen Teammitglieds“ zu vermeiden, das bei kollektiven Aufgaben auftreten kann. „Diese Forschung war aufgrund der Unvorhersehbarkeit in einem so kleinen Maßstab eine unglaubliche Herausforderung. Aber durch den Einsatz kontrafaktischer Belohnungen konnten wir das Verhalten jedes einzelnen Mikroroboters präzise steuern und sicherstellen, dass der gesamte Schwarm effizient zusammenarbeitet“, sagt Veit-Lorenz Heuthe, Doktorand am Exzellenzcluster Kollektives Verhalten, der die Experimente durchgeführt hat. Diese „kontrafaktischen Belohnungen“ bescheinigen jedem einzelnen der Mikroroboter seine Leistung und geben dadurch dem Schwarm Anhaltspunkte, um selbstständig eine bessere Verteilung der Kräfte zu erlernen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es auch in einem Schwarm von winzigen Robotern entscheidend ist, die individuellen Beiträge zu erkennen und zu optimieren, um die besten Ergebnisse zu erzielen“, sagt Clemens Bechinger, Leiter der Forschungsgruppe und Mitglied des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten der Universität Konstanz. „Dieser Ansatz steigert nicht nur die Effizienz von Mikroroboterschwärmen, sondern liefert auch Erkenntnisse zur Verbesserung der Teamarbeit in jedem kollektiven System.“
Diese Forschung eröffnet neue Möglichkeiten für den Einsatz von Mikroroboterschwärmen in Bereichen wie Medizin und Umweltüberwachung, in denen eine präzise Steuerung und Koordination unerlässlich ist.
Faktenübersicht:
•Originalpublikation: Veit-Lorenz Heuthe, Emanuele Panizon, Hongri Gu, Clemens Bechinger, Counterfactual rewards promote collective transport using individually controlled swarm microrobots, Science Robotics 2024
DOI: 10.1126/scirobotics.ado5888
•Strategie zur Koordination von bis zu 200 Mikrorobotern auf Basis von Multi-Agent Reinforcement Learning (MARL)
•Prof. Dr. Clemens Bechinger ist Professor für Soft Condensed Matter an der Universität Konstanz. Er ist Mitglied des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten.
Hinweis an die Redaktionen:
Ein Video ist im Folgenden verfügbar: https://youtu.be/S_QVI1wwNA0
Copyright: Veit-Lorenz Heuthe, AG Bechinger, Universität Konstanz
Eine Grafik steht zum Download bereit: https://www.uni-konstanz.de/fileadmin/pi/fileserver/2024_EXTRA/keine_faulenzer.p…
Bildunterschrift: Ein Algorithmus für maschinelles Lernen ermöglicht es Mikrorobotern (grau dargestellt, mit blauen Bewegungsspuren), gemeinsam ein großes Objekt (rot dargestellt) zu bewegen. Die anfangs unkoordinierten Bewegungen der Mikroroboter (links) werden in Trainingsverfahren optimiert, bis alle Roboter die Aufgabe gemeinsam angehen und das Objekt erfolgreich drehen (rechts).
Copyright: Veit-Lorenz Heuthe, AG Bechinger, Universität Konstanz
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