Tropfsteine geben Auskunft über die Dynamik des Klimas in Europa
Geowissenschaftler untersuchen Stalagmiten in rumänischer Höhle, um regionale Niederschlagsmuster zu rekonstruieren.
Dynamische Prozesse in der atmosphärischen Zirkulation wie der Nordatlantische Jetstream haben Einfluss auf regionale Veränderungen des Niederschlags. Das zeigen Untersuchungen zu Niederschlagsmustern im östlichen Mitteleuropa seit dem Ende der letzten Eiszeit, die ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Dr. Sophie Warken von der Universität Heidelberg durchgeführt hat. Die Wissenschaftler analysierten Tropfsteine aus der rumänischen Cloşani-Höhle, die als natürliches Klimaarchiv Rückschlüsse auf die Niederschlagsvariabilität über einen Zeitraum von etwa 20.000 Jahren ermöglichen. Die neuen Erkenntnisse über die Dynamik des Klimas in Europa könnten nach Angaben von Dr. Warken dazu beitragen, aktuelle Klimamodelle zu verbessern und die Wahrscheinlichkeit von Extremwettereignissen genauer vorherzusagen.
Eine besondere Bedeutung für regionale Wetter- und Niederschlagsmuster in den mittleren Breiten Europas nimmt der Nordatlantische Jetstream ein. Dabei handelt es sich um eine atmosphärische Strömung, die den Nordatlantik in südwestlicher bis nordöstlicher Richtung quert und Niederschläge nach Europa transportiert. Dass sich in der Vergangenheit klimatische Veränderungen auf die Stärke und den Verlauf des Jetstream ausgewirkt haben, ist zwar bekannt. Noch unzureichend verstanden ist nach den Worten von Dr. Warken jedoch, wie klimabedingte Schwankungen des Jetstream lokale und regionale Niederschlagsmuster in Europa beeinflusst haben.
Auskunft über die Klimadynamik vergangener Zeitalter können natürliche Klimaarchive geben, zu denen auch Tropfsteine, wie sie in der Cloşani-Höhle in Rumänien vorkommen, gehören. Die auch als Speleotheme bezeichneten Kalkablagerungen bilden sich über Zeiträume von mehreren Tausend Jahren aus einsickerndem Niederschlagswasser, das in das Höhleninnere gelangt. Mithilfe geochemischer Untersuchungen ist es möglich, Rückschlüsse auf das Ablagerungsgeschehen zu ziehen – so auch auf die Umweltbedingungen und Niederschlagsmengen vergangener Zeiten. Im Mittelpunkt der aktuellen Untersuchungen standen drei Stalagmiten, die Informationen zu den hydroklimatischen Bedingungen im östlichen Mitteleuropa der vergangenen 20.000 Jahre enthalten.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, wie sich der Verlauf des Nordatlantischen Jetstream aufgrund der Erwärmung und des Schmelzens der Eisschilde der nördlichen Hemisphäre veränderte – ein Vorgang, der bis vor etwa 5.000 Jahren andauerte. In der Folge kam es in der späten letzten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren und dem frühen bis mittleren Holozän – der noch andauernden warmzeitlichen Epoche nach der letzten Eiszeit vor etwa 7.000 Jahren – zu Niederschlägen, die um 20 bis 30 Prozent höher ausfielen als dies in der Gegenwart der Fall ist. Dabei schwankte über vergleichsweise kurze Zeiträume von Jahrhunderten oder auch nur Jahrzehnten die Niederschlagsvariabilität in der Region, und zwar unabhängig von langfristigen Temperaturentwicklungen im nordatlantischen Raum.
„Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass vor allem dynamische Prozesse wie Veränderungen in Windmustern und atmosphärischen Strömungen wie dem Jetstream Einfluss auf Niederschlags- und Wettermuster in Zentraleuropa ausüben“, betont Dr. Warken. Dies füllt nach ihren Worten eine Forschungslücke, da sich bisherige Rekonstruktionen hauptsächlich auf thermodynamische Prozesse beziehen, also auf die Erwärmung der Atmosphäre, und damit einen direkten Zusammenhang zwischen Temperaturanstieg und Niederschlagszunahme herstellen. Sie basieren häufig auf Klimamodellen, die bei der Simulation lokaler und regionaler Niederschlagsmuster immer noch große Unsicherheiten aufweisen.
„Der Klimawandel führt bereits jetzt zu häufigeren und intensiveren Niederschlagsereignissen; nach derzeitigen Prognosen wird die Anzahl an Extremwettereignissen wie Starkniederschlägen in einigen Regionen Europas weiter zunehmen“, sagt Sophie Warken. Um künftige Niederschlagsmuster und die Wahrscheinlichkeit extremer Wettereignisse genauer vorhersagen zu können, ist ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden dynamischen Prozesse von entscheidender Bedeutung. Vor diesem Hintergrund könnten die aktuellen Ergebnisse aus der Cloşani-Höhle dazu beitragen, die Genauigkeit von Klimamodellen und Klimaprognosen zu verbessern, so die Geowissenschaftlerin, die mit ihrer Forschungsgruppe an den Instituten für Geowissenschaften und Umweltphysik der Universität Heidelberg das Klima vergangener Jahrtausende rekonstruiert.
Die Arbeiten wurden gemeinsam mit Forschern der Universitäten Mainz und Innsbruck (Österreich) durchgeführt. Beteiligt waren weitere wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland und Rumänien. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht.
Kontakt:
Universität Heidelberg
Kommunikation und Marketing
Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
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Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Sophie Warken
Institut für Geowissenschaften
Telefon (06221) 54-96029
sophie.warken@uni-heidelberg.de
Originalpublikation:
S. F. Warken, D. F. C. Riechelmann, J. Fohlmeister, A. Schröder-Ritzrau, N. Frank, D. Scholz, K. P. Jochum, I.-C. Mirea, S. Constantin & C. Spötl: Dynamic processes determine precipitation variability in Eastern Central Europe since the Last Glacial Maximum, Communications Earth & Environment (12 November 2024), https://doi.org/10.1038/s43247-024-01876-9
Weitere Informationen:
http://www.iup.uni-heidelberg.de – Homepage Sophie Warken
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