Magnetischer Effekt: Bahnbrechende Entdeckung für die thermoelektrische Kühlung bei niedrigen Temperaturen
Forschende am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe haben in Zusammenarbeit mit der Chongqing University und dem Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik einen Durchbruch im Bereich topologischer Thermoelektrika erzielt. In ihrer in „Nature Materials“ veröffentlichten Studie präsentieren sie eine bahnbrechende Entwicklung in der Thermoelektrik: Durch das Anlegen eines schwachen Magnetfeldes lässt sich die Kühlleistung topologischer Materialien bei niedrigen Temperaturen signifikant verbessern. Dies stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Magneto-Thermoelektrik dar, die eine kostengünstige und energieeffiziente Alternative zu herkömmlichen Kühlmethoden sein kann.
Wiedererwachtes Interesse an thermoelektrischen Materialien
In den letzten Jahren hat sich das Interesse an thermoelektrischen Materialien dank weltweiter Forschungsaktivitäten in der Entwicklung und Erforschung topologischer Materialien sowie der zugehörigen Theorie topologischer Bandstrukturen wieder verstärkt. Verschiedene Ansätze und Ideen wurden verfolgt. Eine Idee des internationalen Forscherteams vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, der Chongqing University und dem Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik erwies sich als besonders erfolgreich: Es gelang ihnen, unter dem Einfluss eines niedrigen Magnetfeldes von lediglich 0,7 Tesla einen bemerkenswert hohen „figure of merit“ (zT) Wert von 1,7 ± 0,2 bei 180 Kelvin zu erreichen. Hierfür verwendeten sie ein Einkristallmaterial aus Bismuth und Antimon, den topologischen Isolator Bi88Sb12. Diese Beobachtung ist umso bemerkenswerter, da der zT-Wert damit fast dreimal höher ist als ohne Magnetfeld. Darüber hinaus übertrifft dieser „magnetische“ zT-Wert alle bekannten thermoelektrischen Materialien für niedrige Temperaturen.
Aussichten auf eine hohe magneto-thermoelektrische Leistung
Der entscheidende Schritt zur Realisierung dieser hohen magneto-thermoelektrischen Leistung ist das Züchten von hochqualitativen Bi1–xSbx-Einkristallen. Dies stellt eine große Herausforderung dar. Zwar sind Bi und Sb vollständig mischbar, jedoch besteht gleichzeitig eine starke Neigung zur Phasensegregation, das heißt zur Entmischung und Bildung von Bereichen unterschiedlicher Zusammensetzung. Die Forschenden nutzten hierfür das Zonenschmelzverfahren. Mit einer institutseigenen Anlage konnten so hochqualitative Einkristalle mit einer geringen Ladungsträgerdichte von etwa 10^17 cm^-3 und einer hohen Beweglichkeit von über 4 × 10^5 cm²V^-1s^-1 bei 80 K hergestellt werden. Die hohe Ladungsträgermobilität in Kombination mit der einzigartigen Banddispersion von Bi1–xSbx ist entscheidend für den außergewöhnlich hohen zT-Wert und die hohe magneto-thermoelektrische Leistung von Bi88Sb12.
Theoretische Modellierungen zeigen, dass das Dirac-Band mit seiner linearen Banddispersion eine Schlüsselrolle bei einem großen magnetischen Seebeck-Effekt spielt, der durch die Zeeman-Aufspaltung aufgrund des großen Landé-g-Faktors weiter verstärkt wird. Viele topologische Materialien weisen ähnliche Eigenschaften wie eine lineare Dirac-Banddispersion und eine sehr kleine effektive Masse (sowie einen großen g-Faktor) auf. Daher wird erwartet, dass sich eine hohe magneto-thermoelektrische Leistung auch mit anderen neuartigen topologischen Materialien erzielen lässt. „Wir glauben, dass ein tieferes Verständnis der magneto-thermoelektrischen Eigenschaften von Bi1–xSbx die Entwicklung topologischer Thermoelektrika für Kühlanwendungen bei niedrigen Temperaturen voranbringen wird“, sagen die beiden Hauptautor*innen Yu Pan und Claudia Felser.
Die wesentliche Rolle kleiner Magnetfelder in thermoelektrischen Anwendungen
Die Ergebnisse der Studie basieren somit auf der Idee, kleine Magnetfelder zur deutlichen Steigerung der Leistung in thermoelektrischen Anwendungen zu nutzen. Besonders hervorzuheben ist, dass bereits in relativ niedrigen Magnetfeldern hohe zT-Werte erreicht werden können. Da sich solche Felder mit konventionellen Permanentmagneten erzeugen lassen, eröffnet dies eine neue Perspektive für kostengünstige und effiziente thermoelektrische Kühlgeräte. Die Beobachtungen motivieren außerdem weitere Untersuchungen, um andere topologische Materialien mit ähnlichen Eigenschaften zu erforschen. Es bestehen bereits Ansätze, wie die thermoelektrische Leistung in diesen Substanzen auf noch höhere Werte gesteigert werden könnte.
Originalquelle: https://www.cpfs.mpg.de/3698623/20250106a
Expertenkontakte
Claudia Felser
Director
E-Mail: Claudia.Felser@cpfs.mpg.de
Yu Pan
Chongqing University
Chongqing
Volksrepublik China
E-Mail: Yu.Pan@cpfs.mpg.de
Originalveröffentlichungen
Yu Pan, Bin He, Xiaolong Feng, Fan Li, Dong Chen, Ulrich Burkhardt, Claudia Felser
Zeitschrift: Nature Materials
Titel des Artikels: A magneto-thermoelectric with a high figure of merit in topological insulator Bi88Sb12
Veröffentlichungsdatum des Artikels: 03. Januar 2025
DOI: https://doi.org/10.1038/s41563-024-02059-9
Yu Pan, Claudia Felser
Zeitschrift: Nature Materials
Titel des Artikels: A weak magnetic field enhances the thermoelectric performance of topological materials
Veröffentlichungsdatum des Artikels: 03. Januar 2025
DOI: https://doi.org/10.1038/s41563-024-02070-0
Medienkontakt
Liane Schröder
Public Relations
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