Lebensmittelhygiene und Verbraucherschutz

Mit der Lebensmittelhygiene und dem Verbraucherschutz wird am Hygiene-Institut des Universitätsklinikums Münster (UKM) ein zukunftsweisender neuer Schwerpunkt eingerichtet. Die Ausweitung des Aufgabenspektrums des Instituts, das sich bislang auf die Bereiche Krankenhaushygiene und Umwelthygiene sowie auf die Koordination der Umweltmedizin konzentrierte, erfolgt im Zuge der Übernahme der Institutsleitung durch Prof. Dr. Helge Karch. Der vor seinem Wechsel nach Münster an der Universität Würzburg tätige Wissenschaftler gilt als Spezialist unter anderem auf dem Gebiet der Feintypisierung und Infektkettenaufklärung bei Lebensmittel- und Krankenhausinfektionen und engagiert sich darüber hinaus in hohem Maße im Bereich der BSE-Grundlagenforschung, weshalb sein fachlicher Rat in jüngster Zeit immer wieder auf nationaler und europäischer Ebene gefragt ist.

Mit jährlich rund einer Million Mark an Drittmitteln, die der neue Institutschef in Würzburg in den letzten Jahren regelmäßig zur Durchführung seiner Forschungsaktivitäten eingeworben hat, sind die Voraussetzungen für einen zügigen Ausbau des neuen Schwerpunkts in Münster vielversprechend. Gemeinsam mit dem Institut für Medizinische Mikrobiologie und anderen Instituten und Kliniken des UKM wird das Institut für Hygiene somit künftig ein schlagkräftiges Team darstellen, das die drängenden Fragen hinsichtlich der Erforschung und Bekämpfung alter und neuer Krankheitserreger mit Nachdruck angeht.

Während seiner Tätigkeit in Würzburg hat Karch gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut ein Frühwarnsystem etabliert, mit dem die genetischen Fingerprints neu aufgetretener Erregerstämme durch das Internet bundesweit übertragen werden. Auf diese Weise besteht die Chance, bei Auftreten eines Krankheitsfalls in einer bestimmten Region nachzuverfolgen, wo genau sich der Betreffende infiziert haben könnte, welcher Bakterienstamm die Ursache ist und welches Lebensmittel entsprechend kontaminiert war. Mit dem Wechsel Karchs werden dieses und ein europaweites Früherfassungssystem nach Münster verlagert. Eine solche Einrichtung ist um so wichtiger, als in den letzten Jahren hierzulande im Zuge von Änderung der Lebensgewohnheiten und Umweltbedingungen immer wieder neue Erreger in Lebensmitteln aufgetreten sind, die unter Umständen lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen können.

Zu diesen Keimen jüngeren Datums, die beispielsweise durch Salmonellen ausgelöste Gefährdungen noch weit in den Schatten stellen, gehören die so genannten EHEC-Bakterien, die unter anderem durch Rohmilch, nicht ausreichend gegartes Rindfleisch, Rohwurst oder kontaminiertes Trinkwasser übertragen werden können. Laut Karch handelt es sich bei diesem tückischen Bakterium um eine bösartige Mutation eines normalen Bewohners der Darmflora, die zunächst eine Darminfektion auslösen kann und über dabei gebildete Giftstoffe in immerhin jedem zwanzigsten Fall insbesondere bei Kindern die Nierenfunktion nachhaltig schädigt. „EHEC-Bakterien sind die häufigste Ursache für ein akutes Nierenversagen bei Kindern“, verweist Karch auf die Gefährlichkeit dieser Lebensmittelinfektionen, von denen in Deutschland statistisch im Jahr 1000 bis 2000, tatsächlich jedoch nach Einschätzung von Experten wahrscheinlich eher 20.000 Fälle auftreten. Um diese große neue Herausforderung so effektiv wie möglich anzugehen, arbeitet Karch derzeit an entsprechenden Präventionsmaßnahmen, wobei er auf eine europaweite Erfassung der Bakterienstämme setzt.

Dass veränderte Ernährungsgewohnheiten Lebensmittelinfektionen Vorschub leisten können, die vorher eine geringere Rolle spielten, zeigt die Zunahme an Campylobacter-Infektionen. Dieser insbesondere in Geflügel vorkommende Erreger hat sich im Zuge der BSE-Krise durch den auffälligen Umstieg von Rindfleisch auf Geflügel enorm verbreitet und ist mittlerweile genauso häufig wie Salmonellen. Rund 50.000 Fälle dieser Durchfallerkrankungen werden derzeit pro Jahr in Deutschland gemeldet, wobei dies laut Karch möglicherweise nur die Spitze eines Eisberges sei. Neben einer Durchfallerkrankung können diese Bakterien auch das mit bleibenden Lähmungen einhergehende Guillain-Barré Syndrom als Folgeerkrankung auslösen. Karch kann durch Anwendung spezieller Verfahren schon beim ersten Nachweis des Erregers feststellen, ob es sich um eine harmlose oder um die gefährliche Variante handelt. Auch hier sieht er im Sinne einer wirksamen Prävention seine Aufgabe darin, die Bakterienstämme exakt zu typisieren und ihre Herkunft zu eruieren.

Mit großem Engagement ist der neue Direktor des Hygiene-Instituts auch in die aktuelle BSE-Forschung involviert und gilt hier europaweit als ausgewiesener Experte. In Münster will er gemeinsam mit Fachkollegen vom Institut für Medizinische Mikrobiologie eine Forschergruppe BSE gründen. Ziel der geplanten Arbeiten ist es zum Beispiel, Modelle zu entwickeln, die erklären, unter welchen Bedingungen sich Proteine verändern und wie die Aufnahme von Prionenproteinen in den Darm und von dort aus ins Gehirn erfolgt. Darüber hinaus plant die BSE-Arbeitsgruppe die Entwicklung empfindlicherer Nachweisverfahren, die eine bislang ausschließlich an Hirnbiopsien toter Tiere mögliche Bestimmung künftig am lebenden Tier beziehungsweise auch am Menschen ermöglicht.

Sollten sich Ergebnisse seiner bisherigen Aktivitäten im Bereich der BSE-Grundlagenforschung bestätigen, könnte dies auch erstmals den Weg für einen therapeutischen Ansatz bereiten: So konzentriert Karch sein Augenmerk derzeit auf Proteasen, auf Enzyme also, die menschliche Proteine spalten. Im Verlauf dieser Untersuchungen ist er inzwischen auf eine Protease gestoßen, die allem Anschein nach in der Lage ist, auf Prionenproteine, die als Auslöser für BSE gelten, einzuwirken und die sich somit als Ansatzpunkt für eine therapeutische Strategie erweisen könnte.

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Norbert Frie idw

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