Modellprojekt der Volkswagen AG als Beitrag zu einer innovativen Arbeitspolitik in Deutschland

Göttinger Soziologen: 5000 x 5000 für eine erfolgreiche Fabrikmodernisierung

Das vor drei Jahren für die Volkswagen AG (Wolfsburg) vereinbarte Modellprojekt 5000 x 5000 stellt einen erfolgreichen Schritt in Richtung Fabrikmodernisierung dar. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam unter der Leitung des Industriesoziologen Prof. Dr. Michael Schumann. Der Präsident des Soziologischen Forschungsinstituts an der Universität Göttingen (SOFI) ist verantwortlich für die Begleitforschung des Projektes, das Arbeitslose für eine Tätigkeit in der Automobilherstellung qualifiziert und unter besonderen Entlohnungskonditionen in gesicherte Arbeitsverhältnisse integriert. Nachdem bereits das Auswahlverfahren und die Qualifizierung mehrerer tausend neuer Beschäftigter untersucht wurden, legen die Göttinger Wissenschaftler jetzt eine erste Analyse der Arbeits- und Betriebsbedingungen unter Vollbetrieb vor. Danach kann das Projekt auch einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung einer innovativen Arbeitspolitik mit Beschäftigungssicherung und Kostenreduktion leisten. Zentrales Anliegen ist es, auf die Gefährdung der Industrieproduktion in Deutschland eine möglichst sozialverträgliche Antwort zu finden.

In der Auto 5000 GmbH produzieren gegenwärtig 3.800 Beschäftigte täglich mehr als 800 Fahrzeuge des Modells Touran. Der Betrieb schreibt nach Angaben von Prof. Schumann schwarze Zahlen. Einen wichtigen Anteil daran hat die gewählte Fabrikorganisation, so der Göttinger Wissenschaftler. Im Produktionsprozess arbeiten die Mitarbeiter in Teams mit hoher Selbstorganisation, die Planungsaufgaben übernehmen und an der Prozessoptimierung mitwirken. Dabei sind sie für die Erfüllung des Tagessolls in der Produktion voll verantwortlich, auch wenn sie dafür gegebenenfalls über das Schichtende hinaus Nacharbeit leisten müssen. Unterstützt werden sie von einem Betriebsingenieur, der neben der Personalführung auch Aufgaben der technischen Planung und der Budgetkontrolle übernimmt. Weitere Elemente der Modernisierung sind die Einführung von „Lernfabriken“ mit der prozessnahen Vor-Ort-Ansiedlung unter anderem von Instandhaltung, Qualitätssicherung, Planung, Personalbetreuung und Controlling sowie die systematische Verknüpfung von Arbeit und Lernen. Für Kommunikation und berufliche Weiterbildung stehen den Beschäftigten drei Wochenstunden zur Verfügung, die allerdings nur zur Hälfte vom Betrieb vergütet werden. Das Konzept 5000 x 5000 wurde maßgeblich von Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor Dr. Peter Hartz, dem Gesamtbetriebsrat der Volkswagen AG und der Gewerkschaft IG Metall, Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, entwickelt.

Die Göttinger Forscher kommen auf der Basis breiter, repräsentativer Befragungen zu dem Ergebnis, dass dieses Konzept der Fabrikmodernisierung von den Belegschaften mehrheitlich mitgetragen wird. Prof. Schumann: „Die Gruppenarbeit gilt gerade unter den Gesichtspunkten der Fairness, der gemeinsamen Entscheidungen und der gegenseitigen Unterstützung als Arbeitsfortschritt. Die Einbindung in Produktverantwortung und Prozessoptimierung führt zu einem erweiterten Aufgabenspektrum, beruflicher Aufwertung und größerer betrieblicher Anerkennung.“ Die enge Verzahnung von Arbeit und Lernen und die prozessnahe Weiterbildung gelten, so der Soziologe, als Zugewinn. Daher sprechen sich die Beschäftigten für die weitere, noch konsequentere Umsetzung des Konzeptes aus.

Wie Prof. Schumann erläutert, können die Erfahrungen mit dem Modell Auto 5000 eine wichtige Rolle in der aktuellen Debatte um die Zukunftsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland spielen. „Das Projekt zeigt eine Alternative zu traditionellen Ansätzen einer Kostenreduktion durch die Erhöhung der Arbeitsintensität oder eine Verdichtung der Kontrolle sowie eine Verlängerung der Arbeitszeiten.“ Eine innovative Arbeitspolitik wie die von Auto 5000 ermögliche den Unternehmen eine höhere Arbeitsproduktivität und einen effizienteren Umgang mit den Produktivitätsressourcen. Dabei eröffne sich für die Beschäftigten eine doppelte Perspektive: Sie könnten einen eigenen Beitrag zur Sicherung ihrer Beschäftigung leisten und erhielten zugleich größere Chancen auf eine interessante, fachlich herausfordernde und selbstverantwortliche Arbeit.

Kontaktadresse:

Prof. Dr. Michael Schumann
Soziologisches Forschungsinstitut
an der Georg-August-Universität Göttingen
Friedländer Weg 31, 37085 Göttingen
Telefon (0551) 52205-0, Fax (0551) 52205-88
e-mail: mschuma@gwdg.de

Media Contact

Marietta Fuhrmann-Koch idw

Weitere Informationen:

http://www.sofi.uni-goettingen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften

Der neueste Stand empirischer und theoretischer Erkenntnisse über Struktur und Funktion sozialer Verflechtungen von Institutionen und Systemen als auch deren Wechselwirkung mit den Verhaltensprozessen einzelner Individuen.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Demografische Entwicklung, Familie und Beruf, Altersforschung, Konfliktforschung, Generationsstudien und kriminologische Forschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Lebensretter unter der Haut

Erstmals in der UMG Defibrillator mit Brustbein-Elektrode gegen den plötzlichen Herztod implantiert. Im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) wurde einem Patienten mit Herzrhythmusstörungen erstmals ein neuartiger Defibrillator mit Brustbein-Elektrode implantiert:…

Studie zeigt Zunahme der UV-Strahlung in Mitteleuropa

Langzeitanalyse zu Daten aus dem deutschen UV-Messnetz erschienen: Ausgabejahr 2024 Datum 28.11.2024 In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die UV–Strahlung in Teilen von Mitteleuropa unerwartet stark erhöht. Zwischen 1997 und…

Stundenlanges Fräsen von Umformwerkzeugen passé

Die Großserienfertigung von Bipolarplatten für Brennstoffzellen erfolgt im Sekundentakt. Um eingesetzte Umformwerkzeuge vor Verschleiß zu schützen, werden sie aus hochwertigen Metalllegierungen gefräst. Im Nationalen Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion (H2GO) geht das Fraunhofer-Institut…