Neue Materialien und Werkstoffe fest im Blick

VolkswagenStiftung bewilligt 20 Millionen Euro für neue Forschungsvorhaben.
In den Natur- und Ingenieurwissenschaften erstmals Bewilligungen im neu eingerichteten Schwerpunkt „Komplexe Materialien“

Das Prinzip, aus unterschiedlichen Materialien einen Werkstoff zu konstruieren, der ganz andere Eigenschaften besitzt als jede einzelne der verwendeten Komponenten, ist nicht neu – man denke etwa an Verbundwerkstoffe aus Glasfaser und Kunststoff. Bislang nicht erreichte Gestaltungsspielräume in der Materialforschung ergeben sich nun durch die Möglichkeit, Materie bis in den Nanometerbereich kontrollieren und damit die Grenzflächen zwischen beliebigen Materialien beherrschen zu können. Mit dem im vergangenen Jahr eingerichteten Schwerpunkt „Komplexe Materialien: Verbundprojekte der Natur-, Ingenieur- und Biowissenschaften“ will die VolkswagenStiftung Forscher dazu anregen, sich mit der Entwicklung neuer Materialien zu beschäftigen. Auf der Basis von Erkenntnissen, die aus bislang ungewöhnlichen Kooperationen von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen hervorgehen sollen, könnten neuartige Struktur- und Funktionswerkstoffe entstehen für eine Fülle möglicher Anwendungen: etwa in der Katalyse, der Sensorik, der Informationsverarbeitung – oder auch auf dem Gebiet der Medizin.

Für dieses grundlegende Verständnis stehen die ersten zehn Vorhaben über insgesamt 4.726.000 Euro, die die Stiftung jetzt auf dem Gebiet der komplexen Materialien fördert. Drei Vorhaben stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Ein Forscherteam aus Stuttgart, München und Heidelberg hat sich zum Ziel gesetzt, eine Verbindung zwischen der Mechanik des Zytoskeletts – also den stabilisierenden Bauteilen in unseren Körperzellen – und der Mikromechanik von faserverstärkten Materialien zu knüpfen. Der Einbau von Fasern in Metalle, Keramiken und Polymermaterialien kann die mechanischen Eigenschaften dieser Stoffe wesentlich verbessern, und biologische Gewebe und Zellen nutzen ihre Faserverstärkungen sogar aktiv, um sich besser auf äußere Einwirkungen einzustellen. Das besondere Augenmerk der Wissenschaftler gilt der Selbstorganisation passiver und aktiver faserverstärkter Vernetzungen, die von unterschiedlichen „Vernetzern“ – wie Myosin und ATP/ADP – vermittelt werden oder sich auf Grund einer bestimmten Temperatur einstellen. So soll es letztlich gelingen, die Kraftverteilung in einzelnen Kompartimenten einer lebenden Zelle nachzuahmen. Am Ende der Entwicklungskette könnten einmal ganz neuartige Materialien stehen, die mithin „adaptiv“, also quasi sich selbst steuernd und ausrichtend, auf äußere Kräfte reagieren. Die VolkswagenStiftung unterstützt das Projekt drei Jahre lang mit 505.000 Euro.

Die Wissenschaftler eines weiteren Kooperationsprojekts, es wird von der VolkswagenStiftung mit knapp 600.000 Euro und ebenfalls über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert, haben solartechnische Anwendungen im Blick. Auf dem Weg dorthin konzentrieren sie sich zunächst darauf, mit Hilfe ganz unterschiedlicher Untersuchungsansätze – zum Beispiel photoelektrochemischer Experimente oder elektrischer Charakterisierungsmethoden – schrittweise die Leistung von Photoelektroden zu verbessern. Letztlich soll es möglich sein Kriterien abzuleiten „für eine Präparation von Elektroden mit einer für die Anwendung in photoelektrochemischen Zellen zur Solarenergiekonversion optimierten Effizienz“, wie die Forscher aus Bremen und Oldenburg betonen. Sie kommen aus unterschiedlichen Disziplinen: der organischen und der physikalischen Chemie sowie der Festkörperphysik. Ins Boot geholt haben sie sich zudem noch Ingenieurwissenschaftler der Gifu University in Japan.

Wissenschaftler aus vier Forschungseinrichtungen in Mainz, Frankfurt, Ulm und Heidelberg haben sich zusammengetan, um synthetische Hydrogelschichten auf elastischen, mikrostrukturierten Substraten zu entwickeln.
Was sich kompliziert anhört, soll einmal als biologisch funktionale Oberfläche einsetzbar sein mit dem Ziel, zum Beispiel das Wachstum von Zellen des Körpergewebes – wie Fibroblasten und Keratinocyten – zu manipulieren: etwa durch die Vorgabe einer bestimmten geometrischen Struktur oder durch gezielte mechanische Reize. Die Forscher – organische und Physikochemiker sowie Zellbiologen – streben an, mit Blick auf mögliche Anwendungen die Zellen so zu beeinflussen, das diese ihre Umgebung nicht mehr wie im Normalfall steuern können. Insbesondere aber soll das neue Material für Untersuchungen des zellulären Verhaltens bei bio(chemischen), topologischen und mechanischen Reizen einsetzbar sein. Von der VolkswagenStiftung erhalten sie für ihr auf drei Jahre angelegtes Vorhaben 676.500 Euro.

Generell ist davon auszugehen, dass solch multifunktionale Materialien und maßgeschneiderte Werkstoffe in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung neuer Technologien einnehmen werden – insbesondere dann, wenn es wie bei den hier beispielhaft vorgestellten Projekten gelingen sollte, vor dem Hintergrund erwünschter Diszilinüberschreitender Zusammenarbeit physikalisch-chemisch erzeugte Materialien und biologische Materie zu kombinieren.

Über weitere Bewilligungen in den Materialwissenschaften informieren wir Sie auf unserer Homepage unter www.volkswagenstiftung.de


Schwerpunkt „Intra- und intermolekulare Elektronenübertragung“

Des Weiteren wurden sechs Vorhaben über 1,28 Millionen Euro im Schwerpunkt „Intra- und intermolekulare Elektronenübertragung“ in die Förderung genommen. Darunter die beiden Folgenden:

Ein derzeit viel diskutiertes Thema des biologischen Elektronentransportes ist, inwieweit die Proteinmatrix darin involviert ist oder diese ihn möglicherweise sogar bestimmt. Eine international zusammengesetzte Forschergruppe der University of Leiden und des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie in Dortmund geht in diesem Kontext der Frage nach, wie bei photosynthetisch aktiven Mikroorganismen solare in chemische Energie umgewandelt wird – und zwar unter dem Blickwinkel der Regulierung der Elektronentransportcharakteristika durch die Proteinmatrix. Insbesondere sollen die Rolle der Proteindynamik und der Polypeptidbewegungen untersucht werden. Ferner ist es das Ziel der Forscher, die Distanzabhängigkeit des Elektronentransfers im Inneren des photochemischen Reaktionszentrums zu bestimmen. Dabei werden die biochemischen und biophysikalischen Experimente in Leiden durchgeführt, die Untersuchung der Spektren sowie molekulardynamische Berechnungen sind der Dortmunder Arbeitsgruppe zugeordnet. Die Wissenschaftler werden von der VolkswagenStiftung drei Jahre lang mit insgesamt 312.400 Euro unterstützt.

Mit 138.000 Euro über den gleichen Zeitraum gefördert wird ein Vorhaben an der Universität Würzburg, das sich mit dem Elektronen- oder Lochtransfer zwischen zwei Redoxzentren beschäftigt. Trotz umfangreicher Forschungen auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren ist noch nicht geklärt, wie und in welchem Ausmaß die chemischen und physikochemischen Eigenheiten der Brücke zwischen den Redoxzentren die Kinetik des Elektronentransfers bestimmen. Dabei müssen zwei vollkommen verschiedene Mechanismen betrachtet werden. Einmal ist es der „Hopping-Mechanismus“, bei dem Plätze zwischen den beiden Redoxzentren als Positionen dienen, wo das Elektron oder das Loch während seiner Wanderung lokalisiert ist. Zum anderen ist es der „Superexchange-Mechanismus“, in dem „virtuelle“ Zustände der Brücke dazu dienen, den Ladungstransfer durch das Mischen von Donor- und Akzeptorzuständen zu vermitteln – wobei die Ladung jedoch nie auf der Brücke lokalisiert ist. Es gibt erste Beispiele dafür, dass sich der Elektronentransfer gezielt von einem Superexchange- in einen Hopping-Mechanismus überführen lässt. Ein Ziel des Forschers ist es daher, den Mechanismus entsprechend beeinflussen und schalten zu können.

Kontakt VolkswagenStiftung: Christian Jung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 0511/8381-380,
 E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

Kontakte an den Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen:
Priv.-Doz. Dr. Derck Schlettwein
Universität Oldenburg
Physikaliche Chemie 1
Telefon: 04 41/7 98 39 63
Fax: 04 41/7 98 28 09

Prof. Dr. Dieter Wöhrle
Universität Bremen
Institut für Organische und
Makromolekulare Chemie
Telefon: 04 21/2 18 23 67
Fax: 04 21/2 18 49 18

Prof. Dr. Jürgen Parisi
Universität Oldenburg
Energie- und Halbleiterforschung
Telefon: 04 41/7 98 35 41
Fax: 04 41/7 98 33 26

Dr. Harm-Anton Klok
MPI für Polymerforschung, Mainz
Telefon: 0 61 31/37 93 06
Fax: 0 61 31/37 91 00

Priv.-Doz. Dr. August Bernd
Universität Frankfurt am Main
Klinikum, Zentrum für
Dermatologie und Venerologie
Telefon: 0 69/63 01 55 85
Fax: 0 69/63 01 64 66

Prof. Dr. Martin Möller
Universität Ulm
Organische Chemie III
Telefon: 07 31/5 02 28 70
Fax: 07 31/5 02 28 83

Prof. Dr. Joachim Spatz
Universität Heidelberg
Biophysikalische Chemie
Telefon: 0 62 21/54 84 61
Fax: 0 62 21/54 61 99

Priv.-Doz. Dr.
Heinz-Jürgen Steinhoff
MPI für molekulare Physiologie,
Dortmund
Telefon: 02 34/3 22 44 63
Fax: 02 34/3 21 46 26

Prof. Dr. Arnold J. Hoff
University of Leiden
Department of Biophysics
Telefon: +31/7 15 27 59 55
Fax: +31/7 15 27 58 19

Prof. Dr. Christoph Lambert
Universität Würzburg
Institut für Organische Chemie
Telefon: 09 31/8 88 53 18
Fax: 09 31/8 88 46 06

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Dipl.Biol. Christian Jung idw

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

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