Der menschliche Geist – ein Schweizer Taschenmesser?
Ist der menschliche Geist wie ein Schweizer Taschenmesser, bei dem es spezielle Werkzeuge für spezielle Aufgaben gibt – ein Werkzeug beispielsweise für den Spracherwerb, eines für das Erkennen von Gesichtern, ein anderes für die Zuschreibung von Gedanken etc.? Vieles von dem, was den Menschen ausmacht, wäre somit von Geburt an durch die genetische Ausstattung festgelegt. Interaktionen mit der Umwelt liefen nach angeborenen Lerninstinkten ab, Kommunikation wäre lediglich ein Produkt dieser Lerninstinkte.
Bereits am Beispiel der Sprache scheiden sich jedoch die Geister. Der Linguist und Anthropologe Dan Sperber beispielsweise konstatiert, dass Sprache angeboren ist. Für ihn, wir auch für den Linguisten Harald Clahsen, ist die biologische Ausstattung des Menschen sein geistiges Schicksal. Allgemeine Lernstrategien wie Imitation, Induktion und Kommunikation mit anderen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die Linguistin Elena Lieven hingegen erkennt im menschlichen Geist keineswegs ein Schweizer Taschenmesser. Es sind die zwischenmenschlichen Interaktionen, die den Menschen, seine Sprache, seine Kultur, wesentlich prägen.
Dan Sperber, Harald Clahsen und Elena Lieven sind Gäste der interdisziplinären Forschungsgruppe „Was ist der Mensch? Kultur – Sprache – Natur“, die in der kommenden Woche, vom 5.12. bis 6.12. 2004, zahlreiche internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu ihrer ersten Jahrestagung im Kulturwissenschaftlichen Institut, Essen begrüßen wird. Im Mittelpunkt der Tagung steht die Frage nach angeborenen versus erworbenen menschlichen Fähigkeiten, die anhand von empirischen Forschungsergebnissen auf den Gebieten Erstspracherwerb, biologische Ausstattung und Kulturaneignung diskutiert wird. Die Forschungsgruppe „Was ist der Mensch? Kultur – Sprache – Natur“ wird gemeinsam vom Kulturwissenschaftlichen Institut, Essen und der Universität Dortmund getragen.
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