Initiative zur Erforschung der geistigen Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas

Welche Leitbilder hat Europa? – Begünstigt die „Europäisierung“ die Beilegung von Konflikten?

Stiftung bewilligt 1,84 Millionen Euro für acht neue Vorhaben in ihrer Initiative zur Erforschung der geistigen Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas

Die VolkswagenStiftung fördert gegenwartsbezogene und historische Forschungen zum östlichen Europa, die die Vielfalt dieses Kulturraums in den Blick nehmen und zugleich dessen Bezüge und Verbindungen zum übrigen Europa beleuchten. Vorrangiges Ziel dabei ist es, Ähnlichkeiten und Unterschiede im Hinblick auf die Entwicklung in anderen Teilen Europas herauszuarbeiten und Prozesse der gegenseitigen Beeinflussung und Durchdringung unterschiedlicher Kulturen zu untersuchen. In ihrer Förderinitiative „Einheit in der Vielfalt? Grundlagen und Voraussetzungen eines erweiterten Europas“ stellt die VolkswagenStiftung jetzt für acht neue Vorhaben insgesamt rund 1,84 Millionen Euro bereit, darunter:

1.
302.100 Euro für das Vorhaben „Oper im Wandel der Gesellschaft. Die Musikkultur europäischer Metropolen im ’langen’ 19. Jahrhundert“ von Professor Dr. Heinz-Gerhard Haupt, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld, und Dr. Philipp Ther, Juniorprofessur für Polen- und Ukrainestudien, Fakultät für Kulturwissenschaften, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder);

2.
306.100 Euro für das Kooperationsvorhaben „Europapolitische Leitbilder in der erweiterten Europäischen Union – Fragmentierung, Kontinuität oder Neuformierung?“ von Dr. Mathias Jopp vom Institut für Europäische Politik (IEP) in Berlin, Professor Dr. Wolfgang Wessels vom Forschungs¬institut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen der Universität Köln sowie Professor Doc. PhD Ssc. Lenka Rovna vom Department of Western European Studies, Faculty of Social Sciences, Universität Prag;

3.
186.500 Euro für das Vorhaben „Konfliktbeilegung durch Europäisierung? Griechenland und seine Nachbarn Mazedonien und Türkei“ von Professor Dr. Heinz-Jürgen Axt, Institut für Politikwissenschaft, Fakultät für Gesellschaftswissenschaften, Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg.

Ausführliche Informationen zu diesen Projekten auf den Seiten 2 und 3 der Presseinformation; auf Seite 4 folgt eine Übersicht der weiteren fünf neu bewilligten Vorhaben.

Zu 1: Das Forscherteam der Universitäten Bielefeld und Frankfurt (Oder) beschäftigt sich mit der Rolle der Oper in verschiedenen europäischen Gesellschaften. Ganz konkret sollen die soziale Funktion und die politische Bedeutung, aber auch die kulturelle Praxis von Opernaufführungen in acht europäischen Metropolen untersucht werden – und zwar jenen Metropolen, denen im 19. Jahrhundert eine herausragende Bedeutung als Opernstadt zukam: London, Berlin, Wien, Mailand, Budapest, Prag, Lemberg und Kiew. Das Teilprojekt zu den Opern in West- und Mitteleuropa ist an der Universität Bielefeld angesiedelt, von dort aus wird auch die Zusammenarbeit mit den beteiligten westeuropäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesteuert. Das Teilprojekt zu den Opern Ostmittel- und Osteuropas – samt Koordination der osteuropäischen Partner – wird an der Universität Frankfurt (Oder) beheimatet sein.

Vorgesehen ist, die historische Bedeutung der Oper auf vier Untersuchungsfeldern zu erfassen: Erstens sollen die Opern – insofern öffentliches Musikhören bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein ein primär gesellschaftliches Ereignis gewesen ist – als Sozialräume sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus soll zweitens die politische Dimension der Oper beleuchtet werden, da Aufführungen wichtige Funktionen als öffentliche Foren der politischen Repräsentation und der Legitimation von Herrschaft besaßen. Besonderes Augenmerk wird drittens der Rezeption der Musik geschenkt, um die allmähliche Herausbildung eines neuen Hörverhaltens im Europa des 19. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Und schließlich soll viertens geklärt werden, wie sich Spielpläne und Bühnenpraxis veränderten, und wie sich dabei ein europäisches Standardrepertoire herausbildete. Erwartet wird von dem Vorhaben ein wesentlicher Beitrag zur Kulturgeschichte Mittel- und Osteuropas. Gefördert wird das Projekt von der VolkswagenStiftung mit 302.100 Euro über drei Jahre.

Kontakt Universität Bielefeld
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie
Professor Dr. Heinz-Gerhard Haupt
Telefon: 05 21/1 06 – 6959
E-Mail: ghaupt@geschichte.uni-bielefeld.de

Kontakt Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Fakultät für Kulturwissenschaften, Juniorprofessur für Polen- und Ukrainestudien
Dr. Philipp Ther
Telefon: 03 35/55 34 – 2202
E-Mail: ther@euv-frankfurt-o.de

Zu 2: Welche Leitbilder von Europa lassen sich in den Gesellschaften einzelner Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) ausmachen? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Wissenschaftlerteam aus Berlin, Köln und Prag. Die Forscher gehen dabei von der Annahme aus, dass europapolitische Leitbilder einerseits konzeptionelle Aussagen über den grundlegenden institutionellen und konstitutionellen Aufbau der EU enthalten, sie zum anderen Schlüsselfaktoren darstellen für die Entwicklung der Europäischen Union. In welcher Weise verändert sich nun das Spektrum an Leitbildern im Zuge des europäischen Erweiterungsprozesses? Sind dabei Fragmentierungs-, Kontinuitäts- oder Neuformierungstendenzen europäischer Integrationskonzepte absehbar? Um diese Fragen zu beantworten, planen die Wissenschaftler eine vergleichende Analyse der Leitbilder ausgewählter alter (Deutschland, Frankreich, Irland, Großbritannien, Spanien, Österreich) und neuer (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) Mitgliedsstaaten im Zeitraum 2000 (Vertragsreform von Nizza) bis 2006 (Ratifizierung des Verfassungsvertrags). Nach Möglichkeit werden noch weitere Beitrittsländer (zum Beispiel Estland, Slowenien) oder auch ein EU-Beitrittskandidat wie Bulgarien oder Rumänien einbezogen.

Folgende Materialien werden die Wissenschaftler im Einzelnen auswerten: Regierungspositionen und Redebeiträge in parlamentarischen Debatten, ebenso Parteiprogramme und Manifeste zu den Europawahlen. Zudem beziehen sie in ihre Betrachtungen Artikel der bedeutendsten Tageszeitungen in den Untersuchungsländern ein. Des Weiteren nutzen sie solche Umfragen – zum Beispiel das „Eurobarometer“ -, die Aussagen zu europapolitischen Leitbildern erkennen lassen. Sie interviewen ferner Vertreter der Regierungen und Parteien, Intellektuelle und „opinion leaders“. Beteiligt sind neben den Projektleitern sieben Wissenschaftler aus Deutschland, Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei. Die VolkswagenStiftung fördert dieses Vorhaben zur Erforschung des europäischen Erweiterungsprozesses mit 306.100 Euro bei einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren.

Kontakt Institut für Europäische Politik (IEP), Berlin
Dr. Mathias Jopp
Telefon: 0 30/88 91 34 – 21
E-Mail: mjopp@iep-berlin.de

Kontakt Universität Köln
Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen
Professor Dr. Wolfgang Wessels
Telefon: 02 21/4 70 41 31
E-Mail: wessels@uni-koeln.de

Zu 3: Begünstigt die „Europäisierung“, das Zusammenwachsen der Staaten zu einem vereinten Europa, zugleich die Beilegung von Konflikten zwischen einzelnen Partnern des Einigungsprozesses? Mit dieser Frage – konkret bezogen auf Griechenland und seine Nachbarn Mazedonien und die Türkei – beschäftigt sich Professor Dr. Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg-Essen. Er will die Vorstellung überprüfen, dass die stetig zunehmenden Verflechtungen in den Bereichen Politik und Wirtschaft zugleich die – in der EU gemeinhin von allen akzeptierten – friedlichen und geregelten Formen der Konfliktaustragung befördern und so eine neue Kultur der Auseinandersetzung auch im weiter zusammenwachsenden Europa entsteht. Die Betrachtung der Beziehungen des EU-Mitglieds Griechenland zu seinen beiden Nachbarländern Mazedonien und Türkei erscheint hierfür als guter Gradmesser. Ziel ist es letztlich herauszufinden, inwieweit sich die empirisch festgestellten Entwicklungen tatsächlich auf Prozesse der „Europäisierung“ zurückführen lassen und welche Verallgemeinerungen sich daraus – über die Analyse und Interpretation der ausgewählten Fallbeispiele hinaus – ableiten lassen.

Vorgesehen ist eine Kombination aus Literaturanalyse und Experteninterviews, eine Auswertung von Meinungsumfragen und Parlamentsdebatten. Axt und sein Team kooperieren dabei mit Wissenschaftlern aus Griechenland, Mazedonien und der Türkei. Beteiligt ist unter anderem der ehemalige mazedonische Regierungssprecher Antonio Milososki, der sich derzeit am Duisburger Institut für Politikwissenschaft aufhält. Die VolkswagenStiftung fördert das Vorhaben mit 186.500 Euro über zwei Jahre.

Kontakt Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg
Institut für Politikwissenschaft, Fakultät für Gesellschaftswissenschaften
Professor Dr. Heinz-Jürgen Axt
Telefon: 02 03/3 79 – 2050
E-Mail: hjaxt@uni-duisburg.de

Des Weiteren wurden in der „Europa-Förderinitiative“ der VolkswagenStiftung folgende fünf Bewilligungen ausgesprochen:

4.
279.500 Euro für das Vorhaben „Measuring Linguistic Unity and Diversity in Europe“ von Professor Dr. Erhard W. Hinrichs und Dr. Dale Gerdemann von der Abteilung Computerlinguistik, Seminar für Sprachwissenschaft der Universität Tübingen – in Zusammenarbeit mit Professor Dr. John Nerbonne, Faculteit der Letteren, Alfa-informatica, Rijksuniversiteit Groningen und der Akademie der Wissenschaften in Sofia;

Kontakt Universität Tübingen
Professor Dr. Erhard W. Hinrichs
Telefon: 0 70 71/2 97 42 79
E-Mail: eh@sfs.uni-tuebingen.de

5.
330.600 Euro für das Vorhaben „Bürgerschaft und Verfassungsprozess: zur Transformation politischer Öffentlichkeit in der Integration Ost-Westeuropas“ von Professorin Dr. Ulrike Liebert, Jean Monnet Centrum für Europa-Studien (CEuS), Institut für Politikwissenschaft, Universität Bremen;

Kontakt Universität Bremen
Professorin Dr. Ulrike Liebert
Telefon: 04 21/2 18 – 9033
E-Mail: liebert@uni-bremen.de

6.
191.000 Euro für das Vorhaben „Grenze als Ressource: Kleinhandel in der Armutsökonomie an der neuen EU-Außengrenze zwischen Nordostpolen und dem Bezirk Kaliningrad“ von Professor Dr. Ulrich Mai, Fakultät für Soziologie, Entwicklungssoziologie und Sozialgeographie der Universität Bielefeld, und Professor Dr. Wojciech ?ukowski von der Universität Warschau;

Kontakt Universität Bielefeld
Professor Dr. Ulrich Mai
Telefon: 05 21/1 06 – 3360
E-Mail: ulrich.mai@uni-bielefeld.de

7.
190.000 Euro für das Vorhaben „Die Legitimität der europäischen Integration: die Debatte in den alten und neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union“ von Dr. Jean-Christophe Merle, Philosophisches Institut der Universität des Saarlandes;

Kontakt Universität des Saarlandes
Dr. Jean-Christophe Merle
Telefon: 06 81/3 02 – 4150
E-Mail: j.c.merle@mx.uni-saarland.de

8.
60.000 Euro als Startförderung für das Vorhaben „Normen- und Wertbegriffe in der Verständigung zwischen Ost- und Westeuropa“ von Professorin Dr. Rosemarie Lühr vom Lehrstuhl für Indogermanistik, Philosophische Fakultät der Universität Jena.

Kontakt Universität Jena
Professorin Dr. Rosemarie Lühr
Telefon: 0 36 41/94 43 81
E-Mail: rosemarie.luehr@uni-jena.de

Weitere Informationen zu diesen Vorhaben finden Sie unter www.volkswagenstiftung.de im Menü Förderung/Förderangebot.

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Dr. Christian Jung idw

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