Wohnungsbau auf Minusrekord-Kurs
2005 weniger als 250.000 Baugenehmigungen – Neubau bleibt weit hinter Bedarf von mindestens 300.000 Wohneinheiten zurück – Zunehmende Sorge vor Miet- und Preissteigerungen
Weniger als 250.000 genehmigte Wohneinheiten – und damit deutlich weniger als die von Bundesbauminister Stolpe genannte mittelfristige Bedarfszahl von 300.000 pro Jahr – prognostizieren die Landesbausparkassen (LBS) für 2005. „Damit wird erneut ein historischer Minusrekord erreicht. Die größer werdende Bedarfslücke führt unweigerlich zur Verengung des Angebots und in der Folge zu steigenden Mieten und Immobilienpreisen“, kommentiert LBS-Verbandsdirektor Hartwig Hamm die aktuelle Entwicklung. Spätestens wenn Beschäftigung und Einkommen wieder den Wachstumspfad einschlagen, werde auch die Wohnflächennachfrage zusätzlich ansteigen.
Nach einem Strohfeuer durch die Debatte um die Eigenheimzulage Ende 2003 laufen die Baugenehmigungen bereits im Verlauf des Jahres 2004 auf einen neuen Tiefstand zu. Diese Tendenz zeichnet sich nach Auskunft der LBS schon nach den Zahlen der ersten drei Quartale ab (siehe Tabelle). Während bis einschließlich März in West- und Ostdeutschland die Genehmigungszahlen des Vorjahres erreicht wurden, weil hier die vorgezogenen Anträge in der Statistik verzögert ihren Niederschlag fanden, beträgt der Rückgang bei den Baugenehmigungen im zweiten Quartal bereits fast 10 Prozent. Im dritten Quartal lagen die Zahlen dagegen schon klar im zweistelligen Minusbereich. Lediglich rund 270.000 Wohneinheiten dürften 2004 laut Schätzung der LBS genehmigt werden, 9 Prozent weniger als vor einem Jahr (bisher stand der Minusrekord bei 274.000 genehmigten Wohnungen im Jahr 2002).
Obwohl die aktuelle Initiative zur Streichung der Eigenheimzulage von der Bundesregierung schon seit dem Frühjahr angekündigt wurde, zeigt sich an diesen Daten, dass das Potenzial für weitere Vorzieheffekte nicht mehr vorhanden ist. Nach Einschätzung der LBS dürfte es in diesem Jahr keine mit dem Vorjahr vergleichbare „Jahresschluss-Konjunktur“ mit einem entsprechenden Genehmigungsboom mehr geben. „Wer sich sputen konnte, der hat dies in den beiden letzten Jahren schon getan“, so LBS-Verbandsdirektor Hartwig Hamm. Nach seinen Worten ist auf jeden Fall ein weiterer Rückgang auf unter 250.000 genehmigte Wohneinheiten im Jahr 2005 vorprogrammiert, wenn nicht überraschend positive Signale kommen.
Das Gefährliche an dieser Entwicklung seien nicht nur die negativen Auswirkungen auf Auftragslage und Beschäftigung in der mittelständischen Bauwirtschaft. Sondern sie stehe auch in eklatantem Widerspruch zur vorhandenen Nachfrage. Anders als der Bundesfinanzminister in der Diskussion um die Eigenheimzulage suggeriere, gibt es laut LBS noch auf viele Jahre einen deutlich höheren Wohnungsneubaubedarf. Renommierte Forschungsinstitute sprächen sogar von weit mehr als 300.000 Wohneinheiten pro Jahr. Denn die demografische Entwicklung zeige noch weit mehr als ein Jahrzehnt lang einen Anstieg der Zahl der Haushalte. Außerdem sei der Wohneigentumswunsch bei jüngeren Menschen nach wie vor sehr deutlich ausgeprägt. „Dieses Interesse spiegelt sich auch in den LBS-Geschäftsergebnissen wider“, sagt Hamm. Bausparen erfreue sich in den letzten Jahren gerade bei jungen Leuten wachsender Beliebtheit. Auch daran zeige sich, dass der Wunsch nach familiengerechtem Wohnen und Absicherung durch Wohneigentum in der jungen Generation unverändert lebendig ist.
Mittlerweile liege das Neubauniveau bereits deutlich unter 1 Prozent des Bestandes. Damit reiche die Bautätigkeit mittelfristig nicht einmal für den Erhalt des existierenden Wohnungsangebots aus. Die Landesbausparkassen beklagen daher in der politischen Diskussion die einseitige Überbetonung von Modernisierung und Erhaltungsmaßnahmen. Selbstverständlich sei es richtig, vorhandene Wohnquartiere lebenswert zu erhalten. Auch sei es vernünftig, beim Neubau der Nutzung vorhandener erschlossener Flächen einen Vorrang einzuräumen. Die tatsächliche Entwicklung zeige auch, dass genau diese Potenziale vor allem bei der Wohneigentumsbildung genutzt werden. Ohne ausreichenden Neubau bestehe aber eine Gefahr der Verengung des Angebots mit der zwangsläufigen Folge steigender Mieten und Immobilienpreise.
Das wachsende Interesse ausländischer Investoren an deutschen Wohnungsbaubeständen ist deshalb nach Auffassung der LBS nicht nur als positives Signal zu verstehen. Vielmehr zeige dies, dass Immobilienexperten auch jenseits der Grenzen das Preissteigerungspotenzial im deutschen Wohnungsbestand ganz nüchtern erkennen würden. „Dies sind zugleich keine guten Perspektiven für Wohnungssuchende. Wenn die Politik die Weichen nicht richtig stellt, wird sie alsbald wieder vor der Herausforderung stehen, kurzfristige Aktivitäten für die Wohnungsversorgung von Familien mit Kindern zu starten“, prognostiziert Hamm. Stabile, verlässliche Akzente für die Eigentumsbildung in Form von Anreizen zur Eigeninitiative seien für den Staat auf die Dauer bestens angelegtes Geld. Das dürfe gerade bei Debatten um die Eigenheimzulage nicht übersehen werden.
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