ESS zum Frühstück serviert – Projekt "Europäische Spallations-Neutronenquelle" in Berlin vorgestellt
Einen Koffer in Berlin hat das Jülicher „Projektteam Europäische Spallations-Neutronenquelle (ESS)“ seit vergangenem Mittwoch. Auf Einladung des Dürener Bundestagsabgeordneten Dietmar Nietan während eines Arbeitsfrühstücks stellte eine Delegation aus Jülich am 4. Juli 2001 den nordrhein-westfälischen SPD-Bundestagsabgeordneten die Pläne für das Zukunftsprojekt Europäische Spallations-Neutronenquelle (ESS) vor. Um dieses wissenschaftliche Großgerät, das Neutronen für die Forschung erzeugt, bewirbt sich das Forschungszentrum Jülich in Konkurrenz zu anderen europäischen Standorten mit großem Nachdruck.
Forscher brauchen Neutronen. Als elektrisch ungeladene Teilchen sind Neutronen besonders sanfte Sonden: Sie dringen tief in Materie ein – in Metall ebenso wie in Gewebe – und offenbaren so den inneren Aufbau des jeweiligen Stoffs und, was besonders wichtig ist, auch die Dynamik der darin ablaufenden Prozesse. Nur wenn diese bekannt sind, können die Forscher neue Materialien mit ganz bestimmten Eigenschaften entwickeln.
Neutronen werden in Zukunft knapp. Denn: „Viele Forschungsreaktoren, die zurzeit Neutronen liefern, werden in den kommenden Jahren aus Altersgründen abgeschaltet. Dem steht ein wachsender Bedarf an Neutronen für immer mehr Forschungsgebiete gegenüber“, sagt Professor Richard Wagner, Vorstand im Forschungszentrum Jülich. Eine OECD-Studie aus dem Jahre 1998 empfiehlt daher für jede große Wissenschaftsregion der Welt – USA, Ostasien und Europa – je eine neue leistungsfähige Neutronenquelle. In den USA und Japan wurde mit deren Realisierung bereits begonnen.
Prof. Wagner informierte seine Gesprächspartner – die SPD-Bundestagsabgeordneten des Landes Nordrhein-Westfalen – zu ungewöhnlicher Stunde und an einem ausgefallenen Ort: Um 8 Uhr morgens zum „Abgeordneten-Frühstück“ in Räumen des Bundestages „Unter den Linden“ in Berlin. Ebenfalls anwesend: Hartmut Krebs, Staatssekretär im Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung (MSWF) des Landes NRW. „Nordrhein-Westfalen unterstützt das Forschungszentrum Jülich in seiner Bewerbung um die ESS sowohl ideell als auch finanziell“, so Krebs. Mit rund 3 Millionen Mark pro Jahr fördert das Land derzeit die Vorbereitungsphase des Projekts (technische Planung, Kostenabschätzung etc.). In Zukunft müssten zunehmend die europäischen Partner „beworben“ werden um Jülich als europäischen Standort zu festigen, schlug Krebs vor.
Eingeladen zu dem originellen Meeting hatte Dietmar Nietan, Bundestagsabgeordneter für den Kreis Düren (Rheinland). Ihm ging es vor allen Dingen darum, möglichst früh seine Kollegen aus NRW über die Bedeutung der ESS für den Wissenschaftsstandort Nordrhein Westfalen zu informieren. „Die ESS ist nicht nur für den Kreis Düren von immenser wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung. Sie wird – wenn sie in Jülich gebaut wird – Nordrhein-Westfalen und die Bundesrepublik als zukunftsfähige High-Tech-Standorte für die Forschung ausweisen.“
Gegenwärtig werden die begehrten Neutralteilchen überwiegend mittels Kernspaltung in Forschungsreaktoren erzeugt. In der geplanten ESS werden die Neutronen durch die Spallation schwerer Atomkerne freigesetzt. Bei der Spallation werden Protonen (positiv geladene Kernteilchen) mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf einen Atomkern geschossen. Der Atomkern wird dadurch angeregt (aufgeheizt) und gibt Neutronen ab. Dies ist eine sehr viel elegantere und effektivere Methode der Neutronenerzeugung als die mittels Kernreaktor. Weiterer Vorteil: Mit der ESS lassen sich sehr starke Neutronenpulse erzeugen, die von den Wissenschaftlern besonders begehrt sind. Durch die Pulsung kann eine 1000-fache Überhöhung des Spitzenflusses erreicht werden. Das macht die ESS auch deutlich leistungsfähiger als die gerade in den USA in Bau befindliche Spallations-Neutronenquelle (SNS).
Die Spallations-Neutronenquelle benötigt zum Betrieb kein spaltbares Material und es läuft in Spallationsquellen auch keine Kettenreaktion ab. Damit stellt die ESS einen echten Fortschritt gegenüber dem Betrieb eines Reaktors dar.
Nach dem Informationsfrühstück waren sich die anwesenden SPD Bundestagsabgeordneten aus NRW einig: Wenn es gelingt die ESS nach Deutschland zu holen, dann muss sie in Jülich gebaut werden. So darf man sich in Jülich darüber freuen, dass seit dem 4. Juli auch in der Bundeshauptstadt der Kreis der Unterstützer für die ESS am Standort Jülich weiter gewachsen ist.
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.fz-juelich.de/Alle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung
Aktuelle Meldungen und Entwicklungen aus fächer- und disziplinenübergreifender Forschung.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Mikrosystemforschung, Emotionsforschung, Zukunftsforschung und Stratosphärenforschung.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…