Pneus optisch auf die Zähne fühlen

Wenn sich Autoreifen mit einem letzten Knall für immer verabschieden, trifft deren Hersteller selten die Schuld: Auch wenn es aufwändig ist, so testen sie doch jeden einzelnen. Mit einem schnellen optischen Prüfsystem verringert sich der Ausschuss erheblich.

Die meisten Autoreifen platzen, weil sie falsch behandelt wurden. Die wichtigsten Gründe für das Hinscheiden eines Pneus sind: zu hohes Alter, zu niedriger Luftdruck und daraus resultierende Überhitzung bei zu schneller Fahrt sowie Beschädigungen etwa durch Bordsteinkanten. Damit Hersteller nicht die Schuld trifft, prüfen sie vor der Auslieferung alle ihre Reifen auf kleine Abweichungen von der Sollform, die Hinweise auf inhomogenen Gummi, Blasen oder Fehler im Aufbau geben. Die bisher verwendeten Verfahren – mechanische Abtastung oder Sensoren, die über die elektrische Kapazität messen – besitzen den Nachteil, bei jeder Reifenumdrehung nur eine schmale Spur begutachten zu können. Dadurch übersehen sie Fehler, die außerhalb der Messspur vorkommen. Zusätzlich sind im großzügig angelegten Ausschuss etliche intakte Exemplare enthalten, was eine manuelle Nachprüfung notwendig macht.

Ein Verfahren zur Qualitätsprüfung, mit dem erheblich weniger Schrott anfällt, arbeitet nach der Lichtschnittmethode oder neudeutsch sheet of light imaging SOL. Bei einem Test mit einem großen Reifenhersteller konnte es seine Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis stellen: Von knapp 84 000 Reifen musterte die Prüfanlage alle aus, die Beulen oder Dellen hatten. Gleichzeitig wurden Seiten- und Höhenschlag präzise vermessen. Die Nachprüfung durch einen geübten Facharbeiter ergab, dass sich darunter lediglich 0,06 Prozent befanden, die die Anlage fälschlich als Ausschuss deklariert hatte.

Bei der SOL-Methode projiziert ein Laser eine etwa acht Zentimeter breite Linie auf den Reifen. Eine Digitalkamera nimmt die Linie unter einem Winkel dazu auf und speist die berechneten Höhenwerte in die Auswertungssoftware TireChecker, die am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS entwickelt wurde. Diese berechnet nach einer Rotation das Höhenrelief des Reifens. Automatisch erkennt sie Beulen und vertiefte Einschnürungen auf 0,02 Millimeter genau; 0,6 mm werden von Reifenherstellern üblicherweise gerade noch toleriert. Das ebenfalls erhöhte Profil, die Buchstaben des Firmennamens und andere Symbole werden rechnerisch eliminiert. „Genau in diesem wichtigen Bereich der Seitenwand hatten die konventionellen Prüfsysteme große Schwierigkeiten“, berichtet IIS-Abteilungsleiter Peter Schmitt aus der Praxis. „Seit knapp fünf Jahren sind SOL-Prüfstände, die wir mit fünf verschiedenen Industriepartnern realisiert haben, im Einsatz. 41 wurden für verschiedene Anwendungen bereits verkauft – das Interesse der Reifenhersteller ist ungebrochen.“

Media Contact

Dr. Günther Kostka Fraunhofer-Institut

Weitere Informationen:

http://www.fraunhofer.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Automotive

Die wissenschaftliche Automobilforschung untersucht Bereiche des Automobilbaues inklusive Kfz-Teile und -Zubehör als auch die Umweltrelevanz und Sicherheit der Produkte und Produktionsanlagen sowie Produktionsprozesse.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Automobil-Brennstoffzellen, Hybridtechnik, energiesparende Automobile, Russpartikelfilter, Motortechnik, Bremstechnik, Fahrsicherheit und Assistenzsysteme.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…