PNAS berichtet: Funktion eines Geruchsrezeptors nachgewiesen
Auf der Suche nach dem Geheimnis der Geruchswahrnehmung sind zwei Bochumer Forschergruppen einen Schritt weiter gekommen: Mit Experimenten an Fruchtfliegen (Drosophila) und Froscheiern ist es ihnen erstmals gelungen, die Funktionalität von Geruchsrezeptoren bei Insekten direkt nachzuweisen. PNAS berichtet in seiner aktuellen Ausgabe.
- Fruchtfliege und Froscheier riechen Marzipan
- Funktion eines Geruchsrezeptors nachgewiesen
- PNAS berichtet: Riechen bei Insekten erforscht
Auf der Suche nach dem Geheimnis der Geruchswahrnehmung sind zwei Bochumer Forschergruppen einen Schritt weiter gekommen: Mit Experimenten an Fruchtfliegen (Drosophila) und Froscheiern ist es Dr. Klemens Störtkuhl und Dipl. Chem. Raffael Kettler aus der Gruppe um Prof. Dr. Bernhard Hovemann (Biochemie/Molekulare Zellbiochemie) und Dr. Christian Wetzel, Dipl. Biol. Hans-Jörg Behrendt und Dr. Günter Gisselmann vom Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt (Zellphysiologie) erstmals gelungen, die Funktionalität von Geruchsrezeptoren bei Insekten direkt nachzuweisen. Sie züchteten zum einen Fliegen, die mit ihren Antennen nachweislich einen Stoff besonders gut riechen können, und stellten zum anderen riechende Froscheier her. Beide sprachen auf denselben Stoff an: das nach Marzipan duftende Benzaldehyd. Das Magazin „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) berichtet in seiner Ausgabe vom 31.07.2001 über die spektakulären Funde.
Rezeptoren in Fliegenantennen …
Insekten orientieren sich in ihrer Umgebung vornehmlich durch Sehen und Riechen. Deshalb können Wissenschaftler an ihnen die molekularen Vorgänge dieser beiden Wahrnehmungsprozesse hervorragend studieren. Vor einem Jahr gelang es amerikanischen Forschern der Yale und der Columbia Universität, mittels Computerabgleich eine neue Genfamilie mit ca. 60 Rezeptoren auf den Antennen der Fruchtfliege zu finden. Die große Frage aber war, ob diese Rezeptoren tatsächlich in der Lage sind, Geruchsstoffe zu erkennen. Den direkten Nachweis lieferten jetzt die RUB-Wissenschaftler.
… bilden sich vermehrt und melden Marzipan
Die Gruppe um Dr. Störtkuhl veränderte Drosophilas Gene so, dass sie einen der 60 Rezeptoren vermehrt in den Geruchsneuronen der Antennen produzierte. Es entstand ein verändertes Tier, das das Rezeptorprotein OR43a in über 1000 Geruchsneuronen bildet – anstatt in nur 15 wie der Wildtyp. Dann konfrontierten sie die Fliegen mit 24 Standardduftstoffen. Elektroden, die sie dem nur einen Millimeter kleinen Tier auf die Antennen setzten, maßen ihre Reaktion auf die verschiedenen Gerüche. Das Ergebnis: Bei Benzaldehyd, das nach Marzipan duftet, reagierten die Antennen des genetisch veränderten Typs doppelt so stark wie die des Wildtyps. Damit ist bewiesen, dass die Rezeptoren tatsächlich Düfte wahrnehmen. Darüber hinaus konnten die Bochumer Forscher zeigen, dass ein einziger Geruchsrezeptor mehrere Duftstoffe erkennen kann.
Insektenprotein funktioniert auch in Wirbeltierzellen
Im Labor von Prof. Hatt gingen die Forscher einen anderen Weg, um die Funktionsfähigkeit der Rezeptorgene zu beweisen: Sie injizierten die genetische Information für den Rezeptor OR43a, die sie aus der Fruchtfliege gewonnen hatten, in eine Froscheizelle – ähnlich wie bei einer künstlichen Befruchtung im Reagenzglas. Nach einigen Tagen konnten die Froscheier Duftstoffe riechen; genau dieselben, die in den Antennen der genetisch veränderten Fruchtfliege verstärkte Reaktionen hervorgerufen hatten. Froscheier ohne Injektion antworteten auf keinen Duft. So konnten die Wissenschaftler beweisen, dass die neue Genfamilie, zu der auch OR43a gehört, tatsächlich für Riechrezeptorproteine verantwortlich ist. Mehr noch: Das Protein reagiert sogar in Insektenzellen und Wirbeltierzellen in der gleichen Art und Weise. Dies eröffnet ganz neue gen- und biotechnologische Möglichkeiten, z. B. für Biorezeptoren.
Nächstes Rätsel: Der Weg ins Gehirn
Die Erkenntnisse bei Drosophila sollen auch helfen zu erkennen, welche Proteinstrukturen für das Riechen wichtig sind. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, wie die Information von der Antenne ins Gehirn der Fliege gelangt und dort verarbeitet wird. Daraus resultiert das Verhalten des Tieres, mit dem es Futter findet und sich in seiner Umgebung orientiert.
Starmodell Drosophila
Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster leistet nicht zum ersten Mal einen wichtigen Beitrag in der Grundlagenforschung: So hat sie z. B. fundamentale Ergebnisse – etwa die Entdeckung der Homeo-Box-Gene, für die Frau Nüsslein Volhard 1995 den Nobel-Preis erhalten hat – erst möglich gemacht. Auch bei den Versuchen zum Verständnis der Geruchsverarbeitung wird die Fruchtfliege wieder Modellcharakter haben.
Titelaufnahme
Christian H. Wetzel, Hans-Jörg Behrendt, Günter Gisselmann, Klemens F. Störtkuhl, Bernd Hovemann and Hanns Hatt: Functional expression and characterization of a Drosophila odorant receptor in a heterologous cell system. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Vol. 98, Issue 16, 9377-9380, July 31, 2001
Klemens F. Störtkuhl and Raffael Kettler: Functional analysis of an olfactory receptor in Drosophila melanogaster. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Vol. 98, Issue 16, 9381-9385, July 31, 2001
Weitere Informationen
Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt, Lehrstuhl für Zellphysiologie, Fakultät für Biologie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26792, Fax: 0234/32-14129
Dr. Klemens Störtkuhl, Molekulare Zellbiochemie, Fakultät für Chemie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26246, Fax: 0234/32-06246, E-Mail: klemens.stoehrtkuhl@ruhr-uni-bochum.de
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