Als die Mittelmeerregion bis an den Äquator kam – Wanderung einer Kontinentalplatte im Jura gezeigt

Vor 245 Millionen Jahren, zu Beginn der Trias, war im Superkontinent Pangäa die gesamte Landmasse der Erde vereint. Gegen Ende der Trias, vor circa 180 Millionen Jahren, begann dieser Superkontinent zu zerfallen und die Verteilung der Kontinente und Ozeane auf der Erde nahm langsam die Form an, die wir heute kennen. Der Zerfall von Pangäa und die Öffnung des Atlantiks vor circa 140 Millionen Jahren ist in Europa in der Alpen- und Mittelmeerregion immer noch in der Abfolge von Gesteinsschichten dokumentiert. Ein wichtiger Bestandteil dieser Ablagerungen sind sogenannte Radiolarite oder Kieselschiefer, die sich mit kalkigen Ablagerungen abwechseln. Nach bisher vorherrschender Theorie kontrolliert die Wassertiefe des Ozeans, ob es zu kalkigen oder kieseligen Ablagerungen kommt. Ein internationales Forscherteam, zu dem auch Professor Valerian Bachtadse vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München gehörte, zeigt jetzt in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature, dass die Bewegungsraten der Lithosphärenplatten in dieser Zeit weitaus höher waren, als bisher vermutet. Dadurch gelangte der Ablagerungsraum in niedrige Breiten, wo es bevorzugt zur Bildung kieseliger Radiolarit-Ablagerungen kommt, wie man aus Studien rezenter Ozeansedimente weiß.

Im frühen Jura, als der Zerfall von Pangäa schon begonnen hatte, kam es im Bereich der heutigen Alpen zur Ablagerung mächtiger Kalksedimente. In den Gesteinsschichten aus dem mittleren und späten Jura allerdings finden sich vor allem kieselige Ablagerungen, die aus den Skeletten von Radiolarien bestehen. Radiolarien sind kugel- oder helmförmige Einzeller, die von einer Kieselsäurekapsel umgeben sind und heute als Plankton in warmen Gewässern nahe dem Äquator vorkommen. Gegen Ende des Jura und in der Kreidezeit findet sich dann wieder Kalkstein.

Unter anderem von der Wassertiefe und der Temperatur hängt ab, ob sich kalkhaltige Sedimente am Meeresboden ablagern können. Ab einem bestimmten Tiefenbereich löst sich der aus abgestorbenen Planktonlebewesen stammende Kalk auf und kann sich nicht am Meeresboden ablagern. Die CCD oder „carbonate compensation depth“ gibt diesen sehr variablen Grenzbereich in der Wassertiefe an. Liegt der Meeresboden tiefer als die CCD, gibt es keine kalkhaltigen Sedimente, liegt er darüber, bildet sich Kalkstein.

Die Forscher untersuchten die Ablagerungen im Lombardischen Becken, einem Teil der italienischen Südalpen, der geologisch zu einem Bruchstück der Afrikanischen Platte – der Adriatischen Mikroplatte – gerechnet wird. Der Übergang von kalkhaltigen Sedimenten zu den kieselsäurehaltigen Ablagerungen der Radiolarien in dieser und anderen Regionen wurde bislang damit erklärt, dass der Boden des sich öffnenden Atlantischen Ozeans unter die CCD sank. Nach vorherrschender Theorie bildeten sich dann allerdings wieder kalkhaltige Sedimente, weil es im Wasser zu einer starken Vermehrung kalkhaltiger Planktonlebewesen kam. Bei einem derartigen Szenario reichern sich nach und nach auch tiefer liegende Wasserschichten mit gelöstem Kalk an. Die CCD verschiebt sich dann nach unten, bis sie tiefer als der Meeresboden liegt. Dann kann wieder Kalkstein entstehen.

Die Ansammlung und Ablagerung von Radiolarien am Meeresboden unterhalb der CCD sei aber auch bei modernen Ozeanen keine Notwendigkeit, argumentieren Bachtadse und seine Kollegen. Schließlich werden in weiten Bereichen der Ozeane heute Tiefseetone abgelagert. Hier enthält das Ozeanwasser nur sehr wenig Kieselsäure, so dass die Überreste von Radiolarien sich auch auflösen, bevor sie absinken können. Die Forscher schlagen in einem Alternativmodell vor, dass sich die Region, in der auch das Lombardische Becken liegt, im mittleren Jura weit nach Süden in eine Zone nahe am Äquator bewegte. Dort gibt es auch heute noch große Vorkommen kieselsäurehaltigen Planktons – die Radiolarien. Später soll sich diese Kontinentalplatte wieder nach Norden und damit zu den Zonen mit kalkhaltigem Plankton hinbewegt haben. Das würde die Sedimentabfolge Kalkstein-Radiolarite-Kalkstein erklären.

Ihr Modell zur Sedimentierung von Radiolarien im Lombardischen Becken aufgrund einer Plattenbewegung in Nord-Süd-Richtung belegen die Wissenschaftler mit Hilfe des Paläomagnetismus. Gesteine werden bei ihrer Entstehung parallel zu der Richtung des Magnetfelds der Erde magnetisiert. Die Neigung der Feldlinien, die Inklination, ist eine Funktion der geographischen Breite. Somit kann durch die Bestimmung der Richtung einer Magnetisierung in einer Gesteinsprobe eindeutig auf die geographische Breite geschlossen werden, in der das Gestein entstand. An verschiedenen Stellen im Lombardischen Becken entnahmen die Wissenschaftler paläomagnetische Proben. Wie erwartet, konnte mit Hilfe dieser Untersuchungen zunächst eine Bewegung der Region in Richtung Süden bestätigt werden. Demnach befand sich die Region, zu der auch das Lombardische Becken gehört, im frühen Jura in tropischen Breiten, im mittleren und späten Jura sogar nahe am Äquator. In der frühen Kreidezeit dagegen hatte sich die gesamte Kontinentalplatte wieder in Richtung Norden bewegt, so dass das Lombardische Becken wiederum in tropischen Breiten lag.

Zum ersten Mal wird mit dem Modell, das Bachtadse und seine Kollegen aufgestellt haben, der Entstehung der Wechsellagerung von Kalkstein und Radiolariten nicht nur eine vertikale Verschiebung der CCD gegenüber dem Meeresboden zugrunde gelegt. Die Wissenschaftler weisen mit Hilfe des Paläomagnetismus bislang unbekannt hohe Driftraten der afrikanischen Platte im Erdmittelalter nach, deren Nordrand sich aus einer Zone mit stark kalkhaltigem Plankton nahe an den Äquator bewegte, wo vornehmlich Radiolarien zu finden sind, und später in nördliche Breiten zurückkehrte. Dieses Modell könnte eine Erklärung liefern für die im gesamten Mittelmeerraum und Nahen Osten auftretenden Radiolarite aus dem Jura. (suwe)

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Valerian Bachtadse
Department für Geo- und Umweltwissenschaften
Tel.: +49 89 21 80 42 37
Fax: +49 89 21 80 42 05
E-Mail: valerian@lmu.de

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