Vom Mini-Cluster zum perfekten Nanopartikel
Neuberufen am Institut für Chemie: Prof. Dr. Matthias Driess entwickelt neue Moleküle mit ungewöhnlichen Eigenschaften
Leitfähige Polysilane, molekulare Schalter und raffiniertes Clusterdesign sind die Forschungsthemen von Matthias Driess, der nun am Institut für Chemie der TU Berlin die Professur „Metallorganik und Anorganische Materialien (Nachfolge Prof. Dr. Herbert Schumann) inne hat. Driess wechselte im Dezember 2004 von der Ruhr-Universität Bochum nach Berlin.
Silizium ist ein zentrales Element der Arbeit des 43-Jährigen. Zum einen entwickelt Driess lösliche metallische Leiter aus UV-labilen Polysilanen. Sie entstehen, wenn man in die Siliziumanaloga langkettiger Kohlenwasserstoffe durch Oxidation „Elektronenlöcher“ hineinschlägt. Oberflächen werden durch Eintunken damit beschichtet. Nach Auflegen einer Maske bröckeln im UV-Licht die bestrahlten Partien heraus.
Zurückbleiben feinste Strukturen, Leiterbahnen, nur 200 Nanometer breit. Leitfähige dünne Filme aus speziellen Carbosilanen, die – dotiert mit Iod – ihre Leitfähigkeit um das 10.000-fache steigern, zielen ebenso in Richtung „Datenverarbeitung der Zukunft“ wie magnetische Moleküle mit einem Rückgrat aus Silizium-Phosphorbindungen.
Schaltbare Moleküle sind das zweite Stichwort. Ausgangspunkt ist die Frage, wie man ein so reaktionsträges Molekül wie Methan energiesparend in Methanol umwandeln kann. Gesucht werden Metallkomplexe, die in der Lage sind, genau eine der vier Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen im Methan zu aktivieren, und die sich über ihr Redoxpotenzial „schalten“ lassen. Derzeit geht man für die großtechnische Methanolherstellung den Umweg über Kohlenmonoxid und Wasserstoff, die an einem heterogenen Katalysator zu Methanol umgewandelt werden. Driess arbeitet an einem neuen Katalysatorsystem auf Basis speziell entworfener Komplexe mit Metallen in ungewöhnlich niedriger Oxidationsstufe.
Last but not least: Nanopartikel beispielsweise aus Zinkoxid für Katalysatoren. Aus molekularen Zinkoxid-Clustern werden reaktionsfreudige Mini-Cluster herausgebrochen und sofort durch „Dekorieren“ mit langkettigen organischen Liganden schachmatt gesetzt. Durch nachfolgendes Erhitzen springt das Dekor wieder ab – doch im Festkörper kann es nicht weit kommen. Die Folge: Nun wieder reaktiv, verbinden sich benachbarte Mini-Cluster zu pico-meter-, später rund zehn nanometergroßen Partikeln. Praktischerweise begrenzt das abgestreifte Dekor die Teilchengröße. „Es sitzt wie ein „Carbonpelz“ auf dem Oxid und kann nachher chemisch „abrasiert“ werden“, erzählt Driess. Fertig ist der perfekt gestylte Katalysator.
Matthias Driess wurde im thüringischen Eisenach geboren und verließ 1981 mit seiner Familie die DDR. Mit dem Studium an der Universität Heidelberg beginnt eine Bilderbuchkarriere. In nur acht Semestern macht Driess sein Chemiediplom. Fasziniert vom Einheitsgedanken von Philosophie und Naturwissenschaften, der schon Alexander von Humboldt leitete, studiert er nebenbei Philosophie und schreibt eine Magisterarbeit zum logischen Empirismus – über die Mathematisierbarkeit von Sprache.
Gebiete, auf denen sich erst wenige Forscher tummelten, zogen Driess magisch an. 1988 synthetisierte er während der Promotion erste Bor-Phosphor-Cluster, Moleküle, die heute als Trojanisches Pferd in der Bor-Neutronen-Einfangtherapie gegen Hirntumore eingesetzt werden. Als Postdoktorand war er in der Siliziumhochburg Madison (University of Wisconsin, USA) bei Robert West an der Eroberung neuartiger Verbindungsklassen mit Silizium-Silizium-Doppelbindungen beteiligt. Seine Neugierde ist vielleicht einer der Gründe, warum Driess Stipendien und Preise regelrecht zuflogen. Drei Stipendien des Fonds der Chemischen Industrie, ein Habilitandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der „Ruprecht-Karls-Preis 1990“ der Universität Heidelberg sind darunter, auch der „Otto-Klung-Preis“ 2000. Nach der Habilitation in Heidelberg und Lehrerfahrungen in Freiburg nahm er 1996 – erst 35-jährig – den Ruf auf eine C4-Professur in Bochum an.
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