Mini-Fabrik für Laborprozesse und -produkte

Pneumatisches Handhabungsmodul für Biochips

Robust, kostengünstig und flexibel – das sind die Anforderungen, die vor allem kmU an Anlagen stellen, wenn es darum geht, Laborprozesse in einen industriellen Maßstab zu überführen und zu automatisieren. Das »Advanced Modular Micro-Production System« (AMMS) – ein Baukastensystem zum einfachen und schnellen Aufbau von Produktionssystemen – setzt auf modulare und miniaturisierte Anlagenkomponenten.

Die Biotech-Branche legt kräftig zu: Nach Ansicht der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) ist Deutschland auf dem besten Weg an die Weltspitze. Für 1999 zählte die DIB insgesamt 279 Biotech-Firmen in Deutschland, die gut 8000 Mitarbeiter beschäftigten. Im Vorjahr waren es noch 222 mit 5650 Mitarbeitern. Neue Verfahren und Prozesse für analytische, medizinische und produktionstechnische Anwendungen eröffnen insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (kmU) gute Chancen auf dem Markt – und auf Investoren: Rund ein Drittel des 1999 angelegten Risikokapitals flossen an Biotech-Unternehmen. Viele dieser Unternehmen stehen mittlerweile vor der Aufgabe, ihre Laborprozesse in einen industriellen Maßstab zu überführen und zu automatisieren. Ein nach herkömmlichen Konzepten sehr aufwändiges und teures Unterfangen. »Automatisierte Anlagen für solche Prozesse sind meist auf hohen Durchsatz ausgelegt, relativ unflexibel und für Mittelständler schlecht geeignet«, weiß Hannes Dobler vom Fraunhofer IPA aus Erfahrung. Er plant seit mehreren Jahren Anlagen für Labore.

Für kmU sind nur robuste, automatisierte Systeme interessant, mit denen sich variantenreiche Kleinserien wirtschaftlich herstellen lassen. Sie dürfen in der Anschaffung nicht zuviel kosten, müssen schnell und flexibel umrüstbar sein, mit einer einfachen Infrastruktur auskommen und nicht zuviel Platz beanspruchen. Vor diesem Hintergrund hat ein Team von Wissenschaftlern am Fraunhofer IPA ein Baukastensystem zum einfachen und schnellen Aufbau von miniaturisierten Produktionssystemen entwickelt. Das »Advanced Modular Micro-Production System« (AMMS) ist ein neues Konzept, das auf modulare und miniaturisierte Anlagenkomponenten setzt. Es besteht aus intelligenten, kompakten Prozessmodulen und einer produktneutralen Plattform. Standardisierte Schnittstellen verbinden die Module im Plug-and-Play-Verfahren mit der Plattform. Die Schnittstellen der Module und Materialflusskomponenten sind so einfach gestaltet, dass sich Änderungen im Herstellkonzept in kurzer Zeit realisieren lassen. Das Spektrum der im AMMS-Baukasten enthaltenen Module reicht von Plattform- und Medienversorgungseinheiten über Prozessbausteine bis hin zu Transportmodulen. »Alle Fertigungseinheiten lassen sich segmentieren. So können beispielsweise reine Bereiche mit Laminarflow von unreinen getrennt werden«, erklärt Hannes Dobler.

Eine dezentrale Steuerungsarchitektur garantiert einen hohen Grad an Verfügbarkeit und Robustheit des Produktionssystems. Jedes Modul ist mit einem eigenen Prozessrechner ausgestattet, der via Ethernet direkt mit dem Steuerrechner oder anderen Modulen kommuniziert. Zur Planung des Layouts, zur Konfiguration der Prozessmodule und zur Visualisierung des Realsystems haben die Stuttgarter Wissenschaftler eine Planungs- und Konfigurationssoftware entwickelt, die eine intuitive Steuerung der Anlage in einer virtuellen Umgebung ermöglicht.

Einen Vorgeschmack darauf, wie Minifabriken nach dem AMMS-Konzept aussehen könnten, gab es bereits auf der Hannover Messe und der Laborautomatisierungsmesse MipTec-ICAR in Basel. Während in Hannover optische Sensoren montiert wurden, hatten die IPA-Ingenieure für Basel einen Ausschnitt aus einer Biochip-Produktion automatisiert: Auf derselben 80 x 100 Zentimeter großen Grundplatte transportierten frei bewegliche Läufer in Form luftgelagerter Linearantriebe eine Mikrotiterplatte und Biochips von Station zu Station. Miniaturisierte Handhabungsmodule überführten die Probenträger aus Glas von einem passiven Eingabe-Tray in das aktive Tray. Im aktiven Tray wurden die Biochips durch Unterdruck fixiert, zu einem kapillarbasierten Dosiersystem gebracht und darunter positioniert und bedruckt. Die parallelen Dosierkapillaren gaben die Flüssigkeiten im Nanoliter-Maßstab auf der Glasoberfläche ab.

Bislang werden solche Analyse-Chips fast ausschließlich im Labor fabriziert – halbautomatisch, unter Laborbedingungen, auf Laborgeräten und meist nur für den eigenen Gebrauch. »Maximal zweihundert Chips entstehen da am Tag«, schätzt Dobler. Das reicht zwar im Moment noch aus, doch der Bedarf steigt. Vor allem in der Lebensmittelanalytik, der Pharmaforschung und der medizinischen Diagnostik werden täglich neue Anwendungen entdeckt und entwickelt. So sagt beispielsweise die System Planning Corporation (SPC), Arlington, VA, in ihrer Studie von 1998 mikrofluidischen Systemen und Komponenten für analytische Zwecke – dem »Lab on a Chip« – für 2003 ein Volumen von 375 bis 750 Mio US-Dollar voraus.

Vorgehensweisen und Lösungen beim Upscaling biochemischer und analytischer Prozesse sind auch Themen des IPA-Technologieforums »Vom Laborprozess zur Produktion – Erfahrungen, Trends und Perspektiven für Biotechnologie und Pharmazie«. Es findet am 14. November 2001 in Stuttgart statt: Fraunhofer-Institutszentrum Stuttgart (IZS), Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart.

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Dipl.-Ing. Michaela Neuner idw

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