Mit französischer High-Tech in die Tiefsee
Erneut deutsch-französische Expedition in den Norden
Das französische Forschungsschiff „LAtalante“ startet am 18. August eine Forschungsreise, an der sich 26 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI), des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie in Bremen, der US-amerikanischen Florida State University und des französischen Meereesforschungsinstituts Ifremer beteiligen. Ziele der Reise sind die Gewässer vor Spitzbergen und ein untermeerischer Schlammvulkan vor der Küste Norwegens. Das unbemannte Tauchfahrzeug „VICTOR 6000“, mit dem AWI-Wissenschaftler bereits vor zwei Jahren auf der „Polarstern“ erfolgreich in der Arktis gearbeitet haben, wird mit an Bord des 85 Meter langen Forschungsschiffes sein und den Forschern die Tiefsee erschließen. Das ferngesteuerte Fahrzeug (Remotely Operated Vehicle: ROV) kann bis zu 6000 Meter tief tauchen und ist mit modernsten Kameras und Probennahmegeräten ausgerüstet. Mit zwei Greifarmen können Wissenschaftler Messgeräte am Meeresboden gezielt absetzen und Proben nehmen.
Nach dem Auslaufen aus Foynes im Südwesten Irlands am 18. August wird die „LAtalante“ Kurs auf die Gewässer vor Spitzbergen nehmen. Dort haben AWI-Biologen 1999 mit dem ROV in 2500 Metern Wassertiefe einen Langzeitversuch in der Tiefsee begonnen, um herauszufinden, welche Faktoren für die unerwartet hohe Artenvielfalt am Boden der Tiefsee verantwortlich sind. Knapp zehn Jahre nach der Rio-Konferenz, auf der die Erforschung der Ursachen für den rasanten Artenverlust auf der Erde von allen teilnehmenden Nationen als dringliche Aufgabe für die Wissenschaft verabschiedet wurde, befassen sich die Tiefseeforscher in einem der größten zusammenhängenden Ökosysteme der Erde mit diesem Thema.
Anschließend wird „LAtalante“ mit südwestlichem Kurs zu einem untermeerischen Schlammvulkan, dem Håkon Mosby Mud Volcano (HMMV) vor der Küste Norwegens, fahren. Aus dieser, erst im Jahre 1989 in 1300 Metern Tiefe entdeckten fast kreisrunden Struktur mit einem Durchmesser von rd. zwei Kilometern tritt Methan aus. Der zentrale Krater hat etwa 500 Meter Durchmesser. Das Ungewöhnliche an dieser aktiven Austrittsstelle von Fluiden und Gasen ist seine Lage: Er liegt in arktischen Breiten und an einem passiven Kontinentalhang. Derartige Austrittszonen waren bisher nur von aktiven Kontinentalrändern bekannt. Im Umfeld des Kraters finden sich spezialisierte Organismen, die das Methan als Energielieferant nutzen. Bakterien beispielsweise wandeln das Methan unter Energiegewinn für ihren Stoffwechsel zu Kohlendioxid und Kalziumkarbonat um, andere Organismen wie Röhrenwürmer leben in Symbiose mit solchen Bakterien. Im Untersuchungsgebiet erwar-ten die Forscher regelrechte Matten von Bakterien am Meeresboden, die ein erster Anzeiger für die Austrittstellen des Methan sind. Durch Ergebnisse vorangegangener Expeditionen wissen die Wissenschaft-ler, dass die Fauna am Meeresboden des Schlammvulkans typische Merkmale dieser speziellen Lebensgemeinschaften zeigt.
Das ROV soll in beiden Untersuchungsgebieten jeweils über drei Tage ununterbrochen am Meeresboden arbeiten. Wissenschaftler, Techniker und die Piloten des Fahrzeugs wechseln sich dabei im Schichtbetrieb im Kontrollraum an Bord des Forschungsschiffes ab. Um Messinstrumente zum Meeresboden zu bringen, wird ein sogenanntes Shuttle eingesetzt – ein Behälter, der mit Gewichten beschwert zum Meeresboden sinkt. Über einen am Shuttle befindlichen akustischen Sender kann „VICTOR 6000“ dessen Position unter Wasser orten, heranfahren und Geräte entnehmen. Anschliessend wird der leere Behälter vom ROV mit Proben beladen und zur Oberfläche geschickt, wo er von der Schiffsbesatzung geborgen und für einen erneuten Einsatz vorbereitet wird.
Einige der Fragen, an denen die Wissenschaftler während dieser Expedition arbeiten sind: Welche Bedeutung haben solche methangashaltigen Sedimente als Energiereservoir für die Menschheit, welchen Beitrag leisten sie als Quelle des klimawirksamen Treibhausgases Methan im weltweiten Klimasystem und wie sind die Anpassungen von spezialisierten Tiefseeorganismen an diesen Lebensraum zu verstehen.
Am 6. September wird die „LAtalante“ auf ihrem Rückweg nach Brest zu einem Zwischenstop in Bremerhaven einlaufen. Das kürzlich von den Direktoren des AWI und Ifremer unterzeichnete „Memorandum of Understanding“, in dem die Kooperation der beiden Forschungsinstitute geregelt wird, bietet den Rahmen für einen Empfang an Bord der „LAtalante“ am 7. September. Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Deutschlands und Frankreichs sind eingeladen, sich das einzige bis 6000 Meter Tiefe tauchende ROV Europas an Bord des Flaggschiffs der französischen Forschungsflotte vorstellen zu lassen. Erste Ergebnisse der Expedition und Videos aus der arktischen Tiefsee werden dabei ebenfalls vor-gestellt.
Hinweis an die Redaktionen:
Am 7. September wird um 12 Uhr eine Pressekonferenz an Bord der „LAtalante“ stattfinden. Bitte merken Sie diesen Termin vor. Wir werden keine gesonderte Einladung verschicken. Bitte melden Sie sich bis zum 5. September bei Frau Martin an (Sekretariat der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des AWI /Tel. 0471/ 4831- 1112, E-Mail: jmartin@awi-bremerhaven.de). Wir senden Ihnen dann den Liegeplatz und eine Anfahrtskizze.
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