Hören, wie warm es ist?
Meteorologen der Leipziger Universität Leipziger entwickeln akustisch-tomografische Methoden weiter
Das Equipment für seine tomografischen Studien hat Dr. Armin Raabe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meteorologie der Universität Leipzig, in doppelter Ausführung: einmal als Modell von zwei mal zwei Metern in einer Ecke des Labors, und einmal füllt es als Ausrüstung für die Messungen im Gelände eine ganze Garage aus. Deren Inhalt besteht aus ein paar Regalen voller eimergroßer Lautsprecher, zahllosen Akkus und einigen Kilometern Kabel.
Wie das Ganze funktioniert, kann man am Modell besser sehen. Auf dem Gestell werden an jeweils zwei rechtwinklig zueinander stehenden Außenkanten der Quadrate in gleichmäßigen Abständen Lautsprecher befestigt und an der jeweils gegenüberliegenden Seite Mikrofone. Wenn die Lautsprecher Schallwellen aussenden, nehmen die Mikros diese auf. Aber nicht in unveränderter Form, denn zwischen einem Sende- und einem Empfangspunkt enthalten die Schallparameter, welche die Schallwellenausbreitung beschreiben, Informationen über den Zustand der sondierten Luftschicht. Wind und Wärme beispielsweise verdriften, bremsen oder beschleunigen die Schallwellen. (Luftfeuchtigkeit würde sie verstärken oder dämpfen – aber das spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.) Vergleicht man die ausgesendeten mit den empfangenen Schallwellen, sind also Aussagen über Witterungserscheinungen auf der schachbrettartig untersuchten Fläche möglich. Diese beziehen sich, weil innerhalb jeder „Scheibe“ Durchschnittwerte gebildet werden, auf die ganze Fläche. Diese Qualität wäre mit einzeln auf dem Gelände positionierten Messegeräten nicht erreichbar. Zwar können von meteorologischen Punktmessungen zeitlich hoch aufgelöste Informationen gewonnen werden, eine fehlerfreie Informationsübertragung auf größere Gebiete ist jedoch unmöglich. Die ebenfalls üblichen Fernerkundungsverfahren, zum Beispiel durch Satelliten, liefern andererseits zwar räumlich aufgelöste Daten, sind jedoch in ihrer zeitlichen Auflösung begrenzt.
Vergleicht man die mittels akustisch-tomografischer Methoden gewonnenen Werte über die Verteilung von Witterungserscheinungen über einem Areal dann mit denen eines irgendwo in dieser Landschaft installierten Messgerätes, ergeben sich in der Regel Differenzen. Die sagen aus, inwieweit das Messgerät an der richtigen Stelle aufgebaut wurde – und ob es überhaupt in der Lage ist, Daten zu ermitteln, die als Durchschnittswert akzeptabel sind. Auf diesem Wege können auch Regeln erarbeitet werden, die man ganz allgemein bei der Installierung von Messstationen beachten sollte. „Wir können außerdem ermitteln, was die numerische Atmosphärenmodelle, also die Methoden nach denen per Computer die Vorgänge in der Atmosphäre berechnet werden, taugen. Das Optimum wäre, wenn die Numerik nach Eingabe aller Parameter die selben Dinge errechnet, wie wir in der Realität beobachten. Um das zu erreichen, müssen die Modelle mit Hilfe unserer Messungen perfektioniert werden.“
Für diese Forschungen ist es nicht notwendig, die Ausrüstung an ständig neuen Messfeldern zu installieren. In der Regel ist die Arbeitsgruppe um Dr. Raabe auf einer Fläche in Melbitz bei Torgau auf dem Gelände des Instituts für Troposphärenforschung und in Lindenberg südlich von Berlin unterwegs. Das handliche Modell ist allerdings nicht nur dazu da, das Wirkprinzip zu veranschaulichen, sondern auch, Messungen zu ermöglichen, in dem Landschaftsmodelle künstlich erzeugtem Wetter ausgesetzt werden. Das geschieht zumeist in Windkanal der TU Dresden. Diese Miniaturisierung akustisch-tomographischer Methoden ist das Ergebnis von Entwicklungsarbeiten der Universität Leipzig.
Diese Messmethode hilft jedoch nicht nur den Meteorologen, sondern auch anderen, die ergründen wollen, wie sich Gase innerhalb eines Raumes verteilen. Deshalb ist das Modell der Leipziger Wissenschaftler auch in der Industrie unterwegs und misst unter anderem, wie sich in einer Kammer mit verschiedenen Öffnungen warme und kühlere Massen im Raum bewegen – eine Frage, die mit einem simplen Thermometer nicht umfassend zu beantworten wäre.
Wenn man mit Hilfe der Tomografie erkennt, welche Auskünfte veränderte Schallwellen über Wind und Temperaturen geben, kann man das Ganze aus umdrehen und fragen: Bei welchem Wetter breiten sich Schallwällen wie aus? Eine Antwort, die die Erzeuger oder auch Erdulder von Schallwällen – die ja ab einer gewissen Stärke als Lärm empfunden werden – zumeist gern beantwortet hätten. Marlis Heinz
weitere Informationen:
Dr. Armin Raabe
Telefon: 0341 97-32853
E-Mail: raabe@uni-leipzig.de
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