Neubau für die Wattenmeerstation auf Sylt
Am 20. Mai 2005 wird der Grundstein für den Neubau der Wattenmeerstation des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in List auf Sylt gelegt.
Mit über 1500 Quadratmetern Nutzfläche bietet der mit modernen Laboren und Arbeitsplätzen eingerichtete Neubau Platz für die notwendigen Untersuchungen zur Ökologie in der europäischen Küstenforschung. Durch das erweiterte Raumangebot können auch vermehrt Gastforscher aus dem In- und Ausland die Veränderungen in der biologischen Artenvielfalt direkt in der Nordsee sowie im Labor mit fließendem Meerwasser analysieren. Der Neubau wird zum Ende des kommenden Jahres fertig gestellt.
Da zunehmender Schiffsverkehr und maritimer Delikatessenbedarf immer mehr Meeresgetier und Algen weltweit verfrachten, müssen auch Küstenforscher über große Entfernungen eng zusammenarbeiten, um die ökologischen Folgen dieser ungewollten Globalisierung von Meeresflora und -fauna zu ergründen. In rasantem Tempo machen sich im Wattenmeer pazifische Austern auf Muschelbänken breit. Wie wirken diese neuen Filtrierer auf das Nordseeplankton? Warum fressen Nordsee-Strandkrabben weiterhin Miesmuscheln statt die pazifischen Austern? Gastforscher aus Korea gaben wertvolle Hinweise über „ihre Austern“, während sie auf Sylt die Strandkrabben studierten, von denen die ersten unlängst an asiatischen Küsten auftauchten.
Während die Insel Sylt schützend vor Watt und Festland liegt, verliert sie selbst bei jedem Sturm von ihrer Substanz. Die geologische Forschergruppe der nördlichsten Forschungseinrichtung auf deutschem Boden fragt: „Wo bleibt der Sylter Sand?“ Was verschwindet davon für immer im Meer, was driftet zu den Nachbarinseln oder füllt die Watten auf? Die Watten brauchen fortlaufend neuen Sand, um beim Anstieg des Meeresspiegels nicht für immer abzutauchen. Das System ist auf empfindliche Weise klimagesteuert. Die Verfrachtung der Sedimente mit den Strömungen wird von den Geologen mit Hilfe von hyperspektralen Luftbildern und vom Forschungskatamaran MYA aus mit einem Fächerlot gemessen.
Zusammen mit dänischen, holländischen und polnischen Gastforschern wird untersucht, wie der Meeressand als biologischer Filter funktioniert. Die Nordseewellen drücken mehrere hundert Liter Wasser pro Tag und Quadratmeter durch die oberen Sandschichten. Warum verstopft dieser Filter nie, trotz Überproduktion an Planktonalgen im überdüngten Nordseewasser? Mit einem Großexperiment im Sylter Watt sind die Forscher dem Wattwurm auf die Spur gekommen. Der lockert und durchlüftet die Sedimente so, dass dieser Biofilter stets optimal funktionieren kann.
Mit diesen Messungen und Experimenten liegen die Sylter an vorderster Front der internationalen Küstenforschung. Der Neubau des Laborgebäudes wird nicht nur dazu beitragen, dass dieser hohe Standard beibehalten werden kann. Gleichzeitig wird auch in die Nachwuchsförderung investiert und die Studenten an der Station erhalten den dringend benötigten modernen Kursraum.
Der Neubau überspannt eines der existierenden Laborgebäude und bildet eine Verbindung zum zweiten Gebäude der Station. Nord- und Südfassade sind leicht nach Süd geneigt, so, als hätte der vorherrschende Nordwestwind das Gebäude verzerrt. So entsteht eine markante Form, die sich aus der Dünenlandschaft zu einer turmartigen Südfassade erhebt und damit zwischen dem Ort List und der Küste vermittelt. Die traditionelle Fassade der alten Gebäude aus rotem Ziegelmauerwerk bleibt erhalten; die Neubaufassade besteht aus unbehandeltem Holz der kanadischen Zeder und wird in wenigen Jahren vergrauen.
Die Baukosten von fast sechs Millionen Euro für den vom dänischen Architekturbüro KHR arkitekter AS aus Virum/ Dänemark entworfenen Neubau teilen sich Bund und das Land Schleswig-Holstein im Verhältnis 9:1. Mit dem Neubau werden auch die noch aus militärischer Nutzung stammenden weitläufigen Betonflächen aufgenommen und als standorttypische Trockenrasen und Dünen renaturiert. Mit dem für Spaziergänger geplanten Uferweg zwischen Forschungsstation und Strand gewinnt auch der Ort List, der zur Zeit seine Seefront rundum erneuert: Hafen und Strandpromenade sind bereits fertig und ein großer Parkplatz für die Besucher des viel besuchten Hafens ist seit Pfingsten nutzbar. Aber die Pläne gehen noch weiter: Komplett wird das Ganze erst mit einem maritimen Erlebniszentrum „Naturgewalten“ sein, das Forschungsstation und Lister Hafen verbinden soll.
Bei der feierlichen Grundsteinlegung am 20. Mai muss die Festgesellschaft keinen Mairegen fürchten. Im neu errichteten Gewächshaus wird ein zünftiges Buffet mit Meeresfrüchten ausgebreitet werden, bei dem auch die Pazifischen Austern und in der Wattenmeerstation gezüchtete Algen nicht fehlen werden.
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