Erdbebenprognose in Zukunft online

Forschende der ETH Zürich und des U.S. Geological Survey (USGS) haben eine Methode entwickelt, welche die Wahrscheinlichkeit für Bodenerschütterungen, die durch Erdbeben ausgelöst werden, für einen Zeitraum von 24 Stunden im Voraus berechnet. Diese Wahrscheinlichkeiten werden wie Wetterprognosen auf Landkarten im Internet dargestellt und stündlich aktualisiert. Als Testregion für das neuartige System wählten die Forschenden Kalifornien. Ihre Arbeiten und die daraus resultierenden neuartigen Karten sind in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Nature“ erschienen.

Seismologen wissen seit Jahrzehnten, dass das Auftreten eines Erdbebens ein nachfolgendes Beben wahrscheinlicher macht. Dies hängt von der Stärke des Bebens, der Entfernung des Bebens vom Epizentrum und der zwischenzeitlich vergangenen Zeit ab. In Kalifornien wurden diese Gesetzmässigkeiten seit etwa 15 Jahren benutzt, um Aussagen darüber zu machen, wie wahrscheinlich ein Nachbeben ist. Die nun online abrufbaren Erdbebenprognosen stellen die nächste Generation der Prognose des Risikos dar. Die Karten sind zwar nicht in der Lage, ein einzelnes Erdbeben vorherzusagen. Aus vergangenen Erdbebenereignissen weiss man aber, dass vor etwa der Hälfte aller stärkeren Erdbeben ein Anstieg in der Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die neuen Karten geben ausserdem detaillierte Informationen über die räumliche und zeitliche Verteilung der Nachbebenwahrscheinlichkeit an.

Nachbeben besser einschätzen

Dr. Matt Gerstenberger, Seismologe beim USGS in Pasadena, hat die Methode unter Leitung von Dr. Stefan Wiemer an der ETH Zürich als Teil seiner Doktorarbeit entwickelt. Er stellt fest: „Die einzige Zeit, zu der die Wahrscheinlichkeiten gross genug sind, um sich Sorgen zu machen, ist kurz nach einem grösserem Erdbeben, das vielleicht schon Schäden angerichtet hat. Es ist allgemein bekannt, dass in solchen Situationen Nachbeben auftreten, unsere Karten zeigen, wie hoch dieses Risiko genau ist und wo es am grössten ist“. Die Möglichkeit, diese Erdbebenprognosen online abzurufen, ist laut dem USGS vor allem aus psychologischen Gründen wichtig. Sie zeigt Anwohnern und Besuchern der Region, wie gering das Erdbebenrisiko im allgemeinen ist.

Prognose auf der Basis von bekannten Fakten

Das von der internationalen Forschungsgruppe entwickelte System berechnet stündlich die Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten 24 Stunden eine Bo-denbeschleunigung mit einer Mercalli-Intensität grösser oder gleich 6 auftritt. Dabei werden alle Beben, die bis zu diesem Zeitpunkt aufgetreten sind, in Be-tracht gezogen. Für jedes Ereignis wird die Wahrscheinlichkeit, dass es von einem Schadenbeben gefolgt sein könnte, bestimmt. Diese Berechnungen basieren auf der aus den letzten 50 Jahren abgeleiteten durchschnittlichen räumlichen und zeitlichen Verteilung der Vor- und Nachbebenaktivität in Kalifornien. Ausserdem macht man sich das Wissen über die zu erwartenden Beschleunigungen in einer Region zu Nutze. „Die Karten repräsentieren eine Synthese unseres momentanen Wissens über Erdbeben in Kalifornien“, sagt Dr. Lucile Jones, die verantwortliche Wissenschaftlerin des USGS Erdbebenprogramms in Kalifornien.

Weitere Forschungen in der Schweiz geplant

Die ETH Wissenschaftler haben für ihre Forschung Kalifornien als erste Testre-gion ausgewählt, weil es einerseits ausreichende Erdbebenaktivität gibt, um die Methode zu testen und zu kalibrieren. Andererseits existiert ein sehr dichtes seismisches Überwachungssystem, das auch kleine Erdbeben verlässlich aufzeichnet. In einem vom Schweizerischen Nationalfonds und der ETH Zürich unterstützten Projekt planen die Forschenden die Prognosemodelle weiter zu verfeinern, aber auch auf andere seismisch weniger aktive Regionen wie etwa die Schweiz auszudehnen.

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Anke Poiger idw

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