Junge Erwachsene – die Verlierer der Globalisierung?

Bamberger Forscher veröffentlichen das erste von vier Büchern im Rahmen des von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts „Globalife“


Globalisierung – für die einen stecken hinter diesem Begriff ungeahnte wirtschaftliche und kommunikative Möglichkeiten, für die anderen ist er fast ein Schimpfwort. Fest steht: Der globale Entgrenzungsprozess hat weit reichende Konsequenzen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat er einerseits zu Produktivitätszuwächsen und zu einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards geführt. Andererseits wird es in der sich schnell verändernden Weltwirtschaft immer schwerer, Entwicklungen vorauszusehen und langfristig zu planen. Auswirkungen hat dies nicht zuletzt auf die berufliche und persönliche Lebensplanung der von der Globalisierung betroffenen Menschen.

In dem von der VolkswagenStiftung geförderten – und nahezu beendeten – Forschungsprojekt „Lebensverläufe im Globalisierungsprozess. Veränderung im Bildungs-, Beschäftigungs- und Familiensystem moderner Gesellschaften“ – kurz: „Globalife“ – hat der Bamberger Soziologe Professor Dr. Hans-Peter Blossfeld mit einer internationalen und interdisziplinär zusammengesetzten Forschergruppe die Daten von Menschen aus 14 OECD-Staaten (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit) in vier unterschiedlichen Lebensphasen miteinander verglichen. Die Wissenschaftler wollten aufzeigen, mit welchen Steuerungsmaßnahmen die einzelnen Länder den durch die Globalisierung entstehenden Unsicherheiten begegnen und wie sich Bildungs-, Berufs- und Familienverläufe verändern. Von Interesse war dabei insbesondere, welche Lebensverläufe sich durchsetzen und global verbreiten und welche Konsequenzen sich daraus für die soziale Ungleichheit in modernen Gesellschaften ergeben. Untersucht wurde die Situation in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Schweden, Norwegen, Ungarn, Estland, Großbritannien, Kanada, USA, Mexiko, Italien, Spanien und Irland.

Dass vor allem junge Menschen stark von der Globalisierung betroffen sind, zeigt nun die erste von vier Buchveröffentlichungen der Forschergruppe, soeben erschienen im Routledge-Verlag, London und New York, 2005, unter dem Titel „Globalization, Uncertainty and Youth in Society“ (ISBN: 0-415-35730-6).

Rezensionsexemplare können angefordert werden bei Katherine Carpenter, Routledge Research, Taylor & Francis Books Ltd., 2 Park Square, Milton Park, Abingdon, Oxon, OX14 4RN, England (Telefon: +44(0)1264 332424; E-Mail: Katherine.carpenter@tandf.co.uk)

Die Wissenschaftler dokumentieren, wie sich der Zeitraum des Übergangs vom Jugendlichen zum Erwachsenen in allen modernen Gesellschaften drastisch verändert hat. Deutlich wird, dass die durch die Globalisierung entstehenden wachsenden Unsicherheiten zunehmend auf die junge Generation abgewälzt werden. So sind junge Menschen besonders den Veränderungen am Arbeitsmarkt ausgesetzt, denn sie besitzen noch keine oder nur wenig Berufserfahrung und können kaum von Kontakten zu Arbeitgebern profitieren. Sich unter diesen Bedingungen auf Arbeitsplätzen mit längerfristiger Perspektive zu etablieren, wird für diese Altersgruppe zunehmend schwer. Die Folgen sind höhere und längere Arbeitslosigkeit, Teilzeitbeschäftigung, prekäre Formen der Selbstständigkeit oder befristete Arbeitsverhältnisse. Junge Menschen müssen weitaus flexibler sein als noch vor wenigen Jahren und bleiben länger finanziell abhängig. Diese unsicherere Situation beeinflusst unter anderem die Bereitschaft, langfristige Bindungen einzugehen, zu heiraten oder eine Familie zu gründen. Häufig wird eine Entscheidung hierfür aufgeschoben oder sogar völlig aufgegeben – mit entsprechend negativen Auswirkungen für die Geburtenrate in den jeweiligen Staaten.

Nach Ansicht der Forscher handelt es sich dabei um ein globales Phänomen – mit spürbaren nationalen Unterschieden. So ist insbesondere die junge Generation in Deutschland und Südeuropa von der Beschleunigung der Wandlungsprozesse stark betroffen. Auch in Osteuropa zeichnet sich in jüngster Zeit ein starker Geburtenrückgang ab. In skandinavischen Ländern, in denen der Staat vergleichsweise großzügige Leistungen und Betreuungseinrichtungen für Kinder zur Verfügung stellt, ist die Geburtenrate dagegen deutlich höher. Eine Ausnahme bildet Irland. „Der Staat ist geradezu ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie ein Land von der Globalisierung profitieren kann“, sagt Blossfeld. Irland hat sich der Konkurrenz auf dem Weltmarkt gestellt, offene Handelsbeziehungen gefördert und steuerliche Anreize für Investoren angeboten. Dabei profitiert es davon, dass die steuerlichen Bedingungen für Unternehmensansiedlungen in anderen Ländern deutlich schlechter sind. Ende der 1990er Jahre erreichte das Land nahezu Vollbeschäftigung, seit etwa zehn Jahren steigen Heirats- und Geburtenrate wieder deutlich an.

Blossfeld und sein Team haben im Zuge des Globalife-Projekts, das die VolkswagenStiftung im Rahmen ihres Förderangebots „Offen – für Außergewöhnliches“ mit rund 1,4 Millionen Euro unterstützt, neben den Lebensphasen junger Berufseinsteiger auch diejenigen von Frauen und Männern in der Mitte ihrer Karrierephase sowie von Arbeitnehmern vor dem Übergang in den Ruhestand untersucht. Eine weitere Veröffentlichung über die Auswirkungen der Globalisierung explizit mit Blick auf die Lebensverläufe von Männern im Berufsleben ist derzeit in Vorbereitung. Die Forschungsergebnisse des gesamten Projekts sollen in Verbindung mit weiteren Buchveröffentlichungen bei einer Veranstaltung im kommenden Frühjahr präsentiert werden.

Kontakt
VolkswagenStiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Christian Jung
Telefon: 05 11/83 81 – 380
E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

Kontakt
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Lehrstuhl Soziologie I
Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Professor Dr. Hans-Peter Blossfeld
Telefon: 09 51/8 63 – 2595/6
E-Mail: hans-peter.blossfeld@sowi.uni-bamberg.de

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Dr. Christian Jung idw

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