Stammzellen zur Selbsterneuerung anregen
Gentherapie und Knochenmark-Transplantation kombinieren
Hamburg (so) – Blut besteht aus vielen verschiedenen Zelltypen. Vorstufe aller Blutzellen sind die Stammzellen. Sie sitzen im Inneren des Knochenmarks. Das besondere Potential der Stammzellen besteht in ihrer Fähigkeit, sich entweder in reife Blutzellen zu differenzieren oder sich ständig selbst zu erneuern. Sie sind damit die Garanten der lebenslangen Blutbildung. Welchen Weg die Stammzellen einschlagen, hängt von der Aktivität bestimmter Gene ab. Wissenschaftler aus Hamburg wollen die Selbsterneuerung der Stammzellen jetzt gentherapeutisch steuern. Dieser neue Therapieansatz könnte Knochenmark-transplantierten Krebspatienten helfen. Denn: Die von einem Spender übertragenen Zellen sind in der Regel nicht mehr so „teilungsfreudig“. Mögliche Folge sind Blutarmut und Abwehrschwäche. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das zweijährige Projekt mit knapp 375.000 Mark.
Zur Behandlung verschiedener Krebsarten müssen Chemotherapeutika oftmals sehr hoch dosiert werden. Doch diese Chemotherapie zerstört nicht nur die Krebszellen, sondern greift auch alle Zellen des blutbildenden Systems an, einschließlich der Stammzellen im Knochenmark. Deshalb entnehmen Mediziner den Betroffenen vor einer Hochdosis-Chemotherapie gesundes Knochenmark und übertragen es nach der Behandlung zurück. Diese „autologe“ Knochenmark-Transplantation macht es möglich, dass die Patienten nach der Behandlung wieder rote und weiße Blutzellen sowie Blutplättchen in ausreichender Menge bilden.
Bestimmte Gene der so genannten HOX-Genfamilie sind nur in Stamm- und sehr frühen Vorläuferzellen aktiv. Mit zunehmender Differenzierung zu reifen Blutzellen werden sie nacheinander abgeschaltet, während andere Gene aktiviert werden. In Experimenten mit Knochenmark-transplantierten Mäusen konnten Wissenschaftler aus Kanada zeigen, dass eines dieser frühen Gene – das „HOXB4“ – wesentlich an der Regulation der Selbsterneuerung der blutbildenden Stammzellen beteiligt ist: Gentherapeutisch veränderte Blutstammzellen der Maus mit permanent aktivem HOXB4-Gen waren wieder in der Lage, schon innerhalb weniger Wochen nach Transplantation den Stammzellpool auf das natürliche Maß aufzufüllen.
Dieses Wissen machen sich Forscher vom Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie an der Universität Hamburg jetzt zu Nutze: Unter der Leitung von Professor Dr. Wolfram Ostertag und Dr. Bernd Schiedlmeier wollen die Wissenschaftler menschliche Stammzellen, die transplantiert werden sollen, mit dem aktiven HOXB4-Gen bestücken. Als Gen-Fähre dient ihnen ein Virus. „Im Tiermodell überprüfen wir, ob die transplantierten, gentherapeutisch veränderten humanen Stammzellen sich wieder im natürlichen Maß vervielfältigen“, so Professor Ostertag. „Dieser neue Therapieansatz könnte zukünftig Knochenmark-transplantierten Krebspatienten helfen: Mögliche Gefahren wie Blutarmut und geschwächte Abwehrkräfte als Langzeitfolge einer Knochenmark-Transplantation würden damit erheblich minimiert.“
Allerdings ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Denn: Das ständig aktive HOXB4-Gen führt möglicherweise zu Fehlern bei der Bildung der unterschiedlichen Blutzellen. Die Folge: Blutkrebs (Leukämie). Dr. Schiedlmeier: „Deswegen gehen wir im Rahmen des von der Deutschen Krebshilfe geförderten Projektes auch der Frage nach, ob das aktive HOXB4-Gen das Risiko der Leukämie-Entstehung erhöht.“
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