Mit High-Tech in die Tiefsee

Der vier Tonnen schwere "Victor 6000" ist mit modernsten Kameras und Probennahmegeräten ausgerüstet; zwei Greifarme ermöglichen das gezielte Absetzen von Messgeräten und die Entnahme von Proben am Meeresboden. <br>Foto: Alfred-Wegener-Institut

Am 13. September 2005 brechen Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung zu einer dreiwöchigen Forschungsreise in den Nordatlantik an Bord des französischen Forschungsschiffes „L’Atalante“ auf.


Während der Expedition werden ein untermeerischer Schlammvulkan vor der Norwegischen Küste untersucht sowie die Langzeitbeobachtung an einer Tiefseestation vor Spitzbergen fortgesetzt.

Auf der Forschungsreise kommt modernste Tiefsee-Technologie zum Einsatz. Das unbemannte Tauchfahrzeug „Victor 6000“ ist rund viereinhalb Tonnen schwer, kann bis zu 6000 Meter tief tauchen und bleibt während der Tauchfahrt über ein Steuerungskabel mit dem Mutterschiff verbunden (ROV = Remotely Operated Vehicle). Der mit Kameras und Greifarmen ausgerüstete Tauchroboter wurde bereits mehrfach erfolgreich auf dem deutschen Forschungseisbrecher „Polarstern“ und der französischen „L’Atalante“ eingesetzt. Zusätzlich ist bei der jetzigen Expedition ein autonomes Tiefseefahrzeug (AUV = Autonomous Underwater Vehicle) des Alfred-Wegener-Instituts mit an Bord. Im Unterschied zu „Victor 6000“ hängt das AUV an keinem Kabel, sondern fährt selbstständig vorprogrammierte Kurse bis in Tiefen von 3000 Meter. „Diese Kombination von ROV und AUV hat vor uns noch kein anderes deutsches Team realisiert“, erläutert Dr. Michael Klages, Fahrtleiter und Leiter der Sektion „Unterwasserfahrzeuge und Tiefsee-Technologie“ am Alfred-Wegener-Institut. „Die enge Kooperation mit unseren französischen Kollegen und Kolleginnen hat uns dazu verholfen, eine der Arbeitsgruppen in Deutschland zu sein, die nicht nur auf die meisten Taucheinsätze mit einem Tiefsee-ROV zurückblicken kann, sondern mit einer erreichten Tiefe von 5550 Metern hier gewissermaßen auch einen Tiefenrekord hält.“

Als ersten Untersuchungsstandort läuft die „L’Atalante“ den in 1250 Metern Tiefe aktiven Håkon Mosby Schlammvulkan vor der Küste Norwegens an. Aus dem 500 Meter großen Zentralkrater des Schlammvulkans entweicht das Treibhausgas Methan. Das wissenschaftliche Interesse gilt den an der Austrittsstelle angesiedelten Mikroorganismen, die das Methan abbauen indem sie es als Energiequelle nutzen. Mit „Victor 6000“ sollen Bodenproben genommen, die darin lebenden Bakterien im Labor kultiviert und weiter untersucht werden.

Der zweite Anlaufpunkt der „L’Atalante“ ist die 1999 in Betrieb genommene Tiefseestation „Hausgarten“ an der Schnittstelle zwischen dem nördlichen Atlantik und dem arktischen Ozean in den Gewässern vor Spitzbergen. Über Experimente am Meeresboden und Langzeituntersuchungen wollen die Forscher den Gründen für die unerwartet hohe Artenvielfalt am Boden der Tiefsee auf die Spur kommen. Erste Anzeichen einer Erwärmung in 2500 Metern Tiefe deuten bereits darauf hin, dass sich der globale Klimawandel auch in der Tiefsee bemerkbar macht. Wie Tiefseeökosysteme hoher geographischer Breite auf die Erwärmung reagieren und wann ihre Belastungsgrenzen erreicht werden, sind offene Fragen, die es durch diese Langzeituntersuchungen ebenfalls zu klären gilt.

Die vom Alfred-Wegener-Institut und dem französischen Institut für Meeresforschung Ifremer organisierte Expedition setzt die erfolgreiche deutsch-französische Kooperation zwischen den beiden Forschungsinstituten fort und ist ein wichtiger Beitrag zu dem von der Europäischen Union geförderten Projekt HERMES (Hotspot Ecosystem Research at the Margins of European Seas). 45 Projektpartner aus 15 europäischen Ländern untersuchen die Artenvielfalt in verschiedenen Tiefseeregionen des europäischen Kontinentalrandes. Auf der „L’Atalante“ sind neben dem Alfred-Wegener-Institut und dem Ifremer das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen und die Universität Gent vertreten.

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