Außenhandel wächst langsamer – Anschläge in den USA bedeuten keine Gefahr für Freihandel

„Im Welthandel rechnen wir in diesem Jahr mit einer Halbierung des Wachstums von zwölf auf sechs Prozent. Der deutsche Außenhandel erweist sich mit einem Wachstum von acht Prozent dennoch als robust und behauptet sich in einem spürbar schwierigeren Klima.“ Dies erklärte Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA), auf der traditionellen Außenhandels-Pressekonferenz des Verbandes heute in Berlin. Vor dem Hintergrund der Anschläge in den USA erklärte Börner: „Jedes Gerede über Weltwirtschaftskrisen halten wir für unseriös. Eine Rezession in Euroland wird es nicht geben. Eine Rezession in den USA erscheint noch unwahrscheinlich.“

Zum deutschen Außenhandel gab der BGA folgende Prognosen ab: Nach einem sehr dynamischen ersten Halbjahr 2001 seien zurückgehende Zuwächse in der zweiten Jahreshälfte zu erwarten. „Denn wir stellen eine rückläufige Entwicklung der Auftragseingänge fest“, so Börner. Für das Gesamtjahr 2001 rechne er noch immer mit einer nominalen Steigerung der Exporte um acht Prozent auf 1260 Milliarden DM. Die Importe würden knapp 1150 Milliarden DM betragen, ein Wachstum von ebenfalls acht Prozent. Für das Jahr 2002 prognostizierte der BGA, dass sich die Abschwächung fortsetzen werde. Die Exporte würden im Gesamtjahr 2002 nominal bestenfalls um sechs Prozent auf 1336 Milliarden DM zunehmen. Die Importe würden ebenfalls um sechs Prozent wachsen und damit 1218 Milliarden DM betragen. „Das prognostizierte Wachstum von sechs Prozent im Außenhandel kann nicht mit den zweistelligen Wachstumsraten der Jahre 2000 und 2001 mithalten. In den vergangenen zehn Jahren lag das Mittel unseres Außenhandelswachstums bei 6,5 Prozent. Daher erreichen wir auch jetzt einen akzeptablen Wert, so dass ich keinesfalls von einer Krise im Außenhandel sprechen kann. Es handelt sich schlimmstenfalls um eine Abkühlung“, sagte Börner. Für das Bruttoinlandsprodukt prognostizierte der BGA-Präsident in diesem Jahr ein Wachstum von 1,2 Prozent. Für das kommende Jahr rechne er mit einer leichten Steigerung; nämlich für 2002 um etwa 1,5 Prozent.

den Exportaussichten für die wichtigsten deutschen Absatzmärkte erklärte Börner: „Die Lieferungen in den Euroraum, unsere wichtigste Absatzregion, haben stark an Dynamik verloren. Dieser Abwärtstrend wird sich wegen der allgemeinen Konjunkturabkühlung fortsetzen. Daraus folgt, dass unser Exportwachstum im Euroraum auf dann vier Prozent abnehmen wird.“ Im ersten Halbjahr 2001 hatten diese noch um 6,9 Prozent zugelegt. Im Nahen Osten herrsche eine tiefe Verunsicherung über die Folgen der Krise für die Region – mit negativen Folgen für die dortige Importnachfrage. Auch in Lateinamerika werde sich die Nachfrage nach Importen aus Deutschland im Zuge hausgemachter Wirtschaftskrisen und der Konjunkturschwäche in den USA abkühlen, dies gelte auch für Japan und Südostasien. Positiv entwickle sich hingegen der Handel mit China. „China ist bereits im laufenden Jahr unser dynamischster Handelspartner mit einer Zunahme von 38 Prozent bei unseren Ausfuhren und 10,5 Prozent bei unseren Einfuhren. Der Handel wird weiter zunehmen und im zweistelligen Prozentbereich wachsen.“ Auch die Außenhandelsbeziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten würden ihre positive Tendenz behalten.

Auswirkungen der Anschläge in den USA auf die Weltwirtschaft seien nur schwer einzuschätzen. „Wir können heute die Schritte zur Eindämmung des weltweiten Terrorismus noch nicht gewichten. Weltweit gibt es aber deutliche Anzeichen für Zuversicht: Es gibt keine Panik auf den Märkten, die freie Welt handelt besonnen und rational. Die deutlichen geldpolitischen Schritte der Notenbanken sorgen auch weiterhin für ausreichende Liquidität und wirken beruhigend auf die Märkte. Die Senkung der Leitzinsen war die richtige Maßnahme zur rechten Zeit. Die Notenbanken werden weitere Spielräume nutzen, um das Vertrauen von Verbrauchern und Investoren zu stärken.“ Die OPEC reagiere ebenfalls positiv und besonnen durch ihre Zusage, Sorge für eine ausreichende Ölversorgung zu tragen. „Ein Ölpreisschock ist ausgeblieben. Die Rohölpreise sind inzwischen unterhalb des Preisniveaus vor den Terroranschlägen.“ Von großer Relevanz seien die marktpsychologischen Auswirkungen, die als mittelbare Effekte zu einer Abkühlung des konjunkturellen Klimas führen könnten. Die entscheidende Größe für die konjunkturelle Entwicklung in den USA sei in den kommenden Monaten das Vertrauen der Verbraucher. „Vieles spricht für eine vorübergehende Kaufzurückhaltung. Der Aufschwung der US-Konjunktur dürfte sich nun um ein bis zwei Quartale verzögern.“

Börner geht davon aus, dass sich Deutschland und Europa auf seine wirtschaftlichen Kräfte und Stärken besinnen müsse. „Wir Europäer haben in unserer Konjunkturpolitik zu sehr auf die Lokomotive USA geschielt. Von uns als Allianzpartner können und müssen die Amerikaner jetzt mit vollem Recht erwarten, dass wir endlich unsere wirtschaftspolitischen Hausaufgaben machen.“ Konkret erwartet Börner, dass die Steuerreform vorgezogen werde. Zusätzlich müsse der Bundesregierung jetzt auch der Einstieg in eine wirklich gewollte Deregulierung der Arbeitsmärkte gelingen. „Setzen wir diese beiden Schritte um, dann rechne ich mit einer Verdoppelung unseres Potentialwachstums von unter zwei auf mindestens vier Prozent für viele Jahre. Mit der dann sicheren Beschäftigungszunahme und den dann höheren Steuereinnahmen lässt sich die Haushaltskonsolidierung erheblich voranbringen.“

Zukunft des freien Handels sah Börner durch die Attentate nicht gefährdet. „Wir haben in den zurückliegenden Tagen eines erlebt: Nur die Globalisierung schützt die Weltwirtschaft auch bei krisenhaften Zuspitzungen. Daher gilt es, den Weg für eine weitere Liberalisierung des Welthandels unbeirrt und konsequent fortzusetzen, nationale Interessen weiter zurückzunehmen zugunsten der Schaffung von weltweitem Wohlstand und der Freiheit aller Menschen“, erklärte Börner auf der traditionellen BGA-Außenhandels-Pressekonferenz in Berlin.

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