Atom für Atom neue Erkenntnisse
Physiker des Paul-Drude-Instituts erforschen den Übergang von der Nanowelt zur normalen Welt
Was vor wenigen Jahren noch wie pure Science-Fiction klang, ist am Berliner Paul- Drude-Institut für Festkörperelektronik Forscheralltag. Wissenschaftler hantieren mit einzelnen Atomen und fügen sie zu Drähten oder winzigen Gruppen („Cluster”) zusammen. Dabei zeigt sich eine Facette der Nanotechnologie, die in der Allgemeinheit wenig bekannt ist: Grundlegende physikalische Eigenschaften eines Materials, wie Magnetismus, elektrische Leitfähigkeit oder chemische Reaktivität, ändern sich mit den Abmessungen. Macht man ein Stück Metall oder Halbleiterkristall also nur winzig genug, so treten oft Effekte auf, die sich nur noch mit den Gesetzen der Quantenwelt erklären lassen. Erst kürzlich gelang es einer Gruppe um Stefan Fölsch, den Übergang von der Quantenwelt atomarer Strukturen in die „normale” Welt makroskopischer Materialeigenschaften sichtbar zu machen. Die Wissenschaftler aus dem Paul-Drude- Institut (PDI) haben dazu einzelne Kupferatome auf einer kristallinen Kupferoberfläche zu Gruppen angeordnet und dann untersucht. Jérôme Lagoute, Xi Liu und Stefan Fölsch berichten darüber in der aktuellen Ausgabe von Physical Review Letters.
Atom für Atom fügten die Wissenschaftler zusammen und stellten fest, dass je nach Anzahl der Bausteine eine ganze Reihe von Quantenzuständen auftreten. Diese gehen schließlich in eine bereits bekannte und sehr allgemeine Oberflächeneigenschaft über, den so genannten Shockley-Oberflächenzustand: eine Art Elektronengas, das an der ausgedehnten Oberfläche lokalisiert ist. „Dieser zweidimensionale Zustand ist Lehrbuchphysik”, sagt Stefan Fölsch, „neu dagegen sind unsere Erkenntnisse darüber, wie die Quantenzustände kleinster Strukturen in den Shockley-Oberflächenzustand übergehen.” Die Forscher vermuten, dass dies nicht nur bei Kupfer der Fall ist, sondern auch bei anderen Metallen. Erstmals dokumentieren Wissenschaftler die physikalische Verknüpfung von Quantenzuständen atomarer „Cluster“ mit Eigenheiten herkömmlicher Oberflächen.
Zur Manipulation der Atome nutzten die Wissenschaftler ein selbst gebautes Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskop. Die Maschine dient zugleich dazu, die Messungen vorzunehmen. „Experimente auf dieser Ebene können nur wenige Arbeitsgruppen weltweit durchführen”, berichtet Fölsch. Für baldige Anwendungen eignet sich die Methode allerdings nicht. „Wir arbeiten im Ultrahochvakuum mit sehr perfekten Oberflächen”, erläutert der Wissenschaftler. Die Studien an derlei perfekten Systemen lieferten dennoch grundlegende Informationen. Fölsch sagt: „Wer einen Quantendraht aus einzelnen Atomen formt, der will natürlich wissen, welche elektronischen Eigenschaften der Draht hat und welche Dynamik die Elektronen in diesem eindimensionalen Objekt besitzen.” Und wer versteht, wie sich die Eigenschaften von Gebilden aus einzelnen Atomen mit der Anzahl ihrer Bausteine ändern, der kommt dem ultimativen Ziel der Nanotechnologie näher: die magnetischen und elektronischen Materialeigenschaften maßzuschneidern, indem man ihre Größe, die Anordnung der Atome sowie die chemische Zusammensetzung exakt steuert.
K o n t a k t :
PD Dr. Stefan Fölsch
Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik
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