Das Geheimnis der Korallen
Tahiti-Expedition: Neue Erkenntnisse zur Geschichte des Meeresspiegelanstiegs erwartet
Anfang Oktober starten Wissenschaftler aus neun Ländern die „Meeresspiegel-Expedition“ in Tahiti. Ziel dieser bislang aufwändigsten Forschungsreise in eine Korallenregion im Rahmen wissenschaftlicher Bohrprojekte ist es, den Anstieg des globalen Meeresspiegels seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit genauer als jemals zuvor zu dokumentieren. Etwa sechs Wochen wird das Expeditionsschiff „DP Hunter“ vor der polynesischen Insel operieren und versteinert Korallen erbohren. Die Korallenkerne werden Anfang kommenden Jahres im IODP-Kernlager an der Universität Bremen eingehend analysiert. Die Tahiti-Expedition ist der zweite europäische Beitrag zum amerikanisch-japanisch-europäischen Integrierten Ozeanbohr-Programm (IODP), das seit Herbst 2004 läuft.
Seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor etwa 21.000 Jahren ist der Meeresspiegel weltweit um rund 120 Meter angestiegen. Mit der Tahiti-Expedition will das internationale Wissenschaftlerteam mehr über den Rhythmus dieses zeitweise sehr schnell abgelaufenen Anstiegs erfahren. Die Ergebnisse sollen auch dazu beitragen, gegenwärtige und zukünftige, durch Treibhausbedingungen ausgelöste Meeresspiegelschwankungen besser zu verstehen. Tahiti ist als Expeditionsziel besonders gut eignet, weil die Insel in einer tektonisch ruhigen Region liegt. Landhebungen durch Bewegungen in der Erdkruste beeinflussen die Ergebnisse daher nicht.
Tropische Korallen leben in einem engen Tiefenfenster. Das Vorkommen bestimmter abgestorbener Korallenarten in unterschiedlichen Wassertiefen liefert den Wissenschaftlern also Informationen über frühere Meeresspiegelstände. Dies auch, weil das Alter der Korallen gut mit Methoden bestimmt werden kann, die auf radioaktivem Zerfall von bestimmten Elementen beruhen. Inzwischen sind die Messverfahren so gut, dass selbst die ältesten Korallen bis auf etwa 50 Jahre genau datiert werden können.
Wie Bäume so bilden auch Korallen jahreszeitlich bedingte Wachstumsbänder aus. Diese stellen für die Wissenschaftler hervorragende Klimaarchive dar. Geochemische Untersuchungen der Korallenskelette liefern zudem Hinweis auf frühere Meeresoberflächentemperaturen und Niederschlagsmengen. Auf diese Weise erfahren die Tahiti-Forscher mehr über die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit.
„Wir sind schon sehr gespannt darauf, die Umweltveränderungen vergangener Zeiten so detailliert untersuchen zu können“ freut sich Yasufumi Iryu von der Tohoku Universität in Japan, einer der beiden wissenschaftlichen Fahrtleiter. Sein französischer Kollege Gilbert Camoin vom CNRS-CEREGE Institut in Aix-en-Provence ergänzt: „Wenn wir verstehen, auf welchen Zeitskalen sich frühere Umweltveränderungen und Meeresspiegelschwankungen abgespielt haben, können wir letztendlich besser einschätzen, welchen Einfluss unser menschliches Handeln heute und in Zukunft auf das System Erde hat.“
Apropos Umweltveränderungen: Ziel der Expedition sind Proben von fossilen, d.h. heute nicht mehr lebenden Riffen. Das oberste Riffstockwerk, das lebendige Korallenriff, wird durch die Bohrarbeiten auf der „DP Hunter“ nicht beeinträchtigt.
Bereits 1988 haben Wissenschaftler die jetzt stattfindende Tahiti-Expedition vorgeschlagen. Allerdings war es im Rahmen der damals laufenden wissenschaftlichen Bohrprogramme nicht möglich, geeignete Schiffe zu chartern. Erst jetzt stehen im Rahmen des Integrierten Ozeanbohrprogramms (IODP) entsprechende Plattformen und ausreichenden Finanzmittel zur Verfügung. Innerhalb des IODP führt ein europäischer „Science Operator“ (ESO) die gut sieben Millionen Euro kostende Expedition durch. Mit seinem IODP-Bohrkernlager und der Bereitstellung von wissenschaftlicher Analytik am gewonnenen Korallenmaterial liefert die Universität Bremen einen wichtigen Beitrag zu diesem internationalen Programm. Mitte Februar werden sich die Wissenschaftler des Tahiti-Projekts deshalb in Bremen treffen, um die in Polynesien gewonnen Kerne erstmalig zu öffnen und detailliert zu untersuchen. Die deutschen Beiträge zum IODP werden an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover koordiniert.
Albert Gerdes
DFG-Forschungszentrum Ozeanränder
an der Universität Bremen
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