Millionenschweres EU-Projekt: Klimawandel wird per Satellit untersucht

Ein über acht Millionen Mark (4,3 Mio. Euro) schweres, multinationales Klimaforschungs-Projekt hat die Europäische Union an die Universität Jena vergeben. „Siberia II“ startet im kommenden Frühjahr und wird von der Geoinformatik-Professorin Christiane Schmullius koordiniert. Das Großprojekt, das zunächst auf dreieinhalb Jahre angelegt ist, observiert per Satellit und über Bodenmessstationen ein zwei Millionen Quadratkilometer großes Gebiet östlich des Ural – sechsmal so groß wie die Bundesrepublik – und soll erstmals realistische Daten für zuverlässige Klimamodelle liefern.

Beteiligt daran sind 14 Forschungsinstitute aus Westeuropa und Russland, die Daten von zwölf geowissenschaftlichen Satelliten der europäischen, amerikanischen und japanischen Weltraumbehörden fließen mit ein. Rund eine Million Mark erhält allein das Team um Christiane Schmullius für die Fernerkundung. Jena steigt damit zu einem der Zentren in der Weltklimaforschung auf.

„Wir können den globalen Klimawandel erst dann wirklich ergründen, wenn wir ein genaues Bild von den entscheidenden Faktoren wie etwa der Vegetation und ihren jahreszeitlichen Zyklen haben“, erläutert Schmullius. „Bislang beruhen unsere Klimamodelle noch auf zu vielen Hypothesen.“ „Klimakiller“ – vor allem Treibhausgase aus Kohlen- und Stickstoffverbindungen – lassen sich vom Satelliten aus zwar nicht direkt detektieren, aber ihre Entstehung, ihre Ausdehnung und letztlich auch die Veränderungen und Wechselwirkungen können die Wissenschaftler nur dann präzise berechnen, wenn sie die maßgeblichen Umweltfaktoren kennen. „Hier machen wir jetzt gründlich unsere Hausaufgaben“, so Schmullius, „und zwar in einem Gebiet, das besonders sensibel auf Klimaveränderungen reagiert: dem borealen Raum, der eurasischen Taiga.“

In einem ersten Schritt generieren die Jenaer Wissenschaftler mit Hilfe von Radar- und Wärmebildern per Satellit Landnutzungs- und Vegetationskarten, die einen relativ unveränderlichen Rahmen bilden. „Wir wissen natürlich, dass zum Beispiel Laubwald erheblich mehr Kohlendioxid-Gase bindet als Moose und Gräser“, so Schmullius, „aber präzise Daten für ein konkretes Gebiet der Erde gibt es bislang noch nicht.“ Danach kümmern sich die Forscher um die jahreszeitlichen Veränderungen, die sie mit Messungen im zehn-Tages-Rhythmus gewissermaßen wie in einem Film darstellen. Denn zum Beispiel betreiben die meisten Pflanzen im Winter keine Photosynthese, verbrauchen also keine Kohlenstoffgase aus der Luft, während aber die Schneeoberfläche mehr Sonnenlicht reflektiert und somit zusätzlich die Atmosphäre „aufheizt“. Entstehen dann im Frühjahr während der Schneeschmelze große Überschwemmungsgebiete, so sorgen Mikroorganismen unter Luftabschluss für eine ungewöhnlich hohe Methangasproduktion.

„All diese Prozesse sind prinzipiell und theoretisch bekannt“, so Schmullius, „aber wir überprüfen zum ersten Mal die Klimamodelle an der Wirklichkeit.“ Das aufwändige Instrumentarium, um die Satelliten-Datenflut mittels mathematischer Algorithmen am Computer zu filtern, zu synchronisieren und auszuwerten, wird dann auch auf andere Regionen der nördlichen Erdhalbkugel übertragbar sein, zum Beispiel auch auf Thüringen. „Für subtropische und tropische Gebiete, etwa den Amazonas-Regenwald oder die afrikanischen Savannengebiete müssten wir unseren Ansatz modifizieren“, weiß Schmullius, „aber ein gewichtiger Anfang ist mit unserem Projekt getan, weil der weitaus größere Teil der Landmasse ja auf der nördlichen Halbkugel liegt.“

Kontakt:
Prof. Dr. Christiane Schmullius
Institut für Geographie der Uni Jena
Tel.: 03641/948877
E-Mail: c.schmullius@geogr.uni-jena.de


Friedrich-Schiller-Universität
Dr. Wolfgang Hirsch
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Fürstengraben 1
D-07743 Jena
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