Der Bakterien-Detektiv: Rasche Diagnose mit DNS-Analyse
Schwere Infektionen behandeln Ärzte oft mit Antibiotika, die gegen mehrere Bakterienarten wirken – möglicherweise aber nicht gegen den tatsächlichen Erreger. Der Einsatz des bestmöglichen Medikaments ist nur dann möglich, wenn der Arzt weiß, welches Bakterium hinter den Symptomen steckt. Dazu muss eine Kultur im Labor angelegt werden, was mehrere Tage dauert. Bei einer Blasen- oder Lungenentzündung ist indes rasche Hilfe gefragt. Mit einem völlig neuartigen Untersuchungsgerät kann der Arzt künftig schon in der Praxis feststellen, welches Bakterium Ursache des Übels ist und gezielt einen Wirkstoff einsetzen.
Siemens und das Erlanger Biotechnologieunternehmen november entwickeln jetzt gemeinsam ein System, das die Diagnose nicht nur bakterieller Infektionen revolutionieren und die Kosten im Gesundheitswesen drastisch senken könnte. Die Partner setzen dabei auf molekulare Medizin: Das Gerät erkennt Krankheitserreger an ihrer Erbsubstanz DNS. Es besteht aus einer kompakten Detektoreinheit und einer austauschbaren Kassette, um nacheinander verschiedene Analysen zu ermöglichen. In der Kassette befinden sich beispielsweise auf einer Platte verteilt DNS-Fängermoleküle von rund 20 verschiedenen Bakterien. Als Probe genügt eine geringe Menge Urin oder Blut, die der Patient beim Eintreffen in der Praxis abgibt. Wenn die DNS des Erregers zu einem auf der Kassette gespeicherten DNS-Fragment passt, meldet das System einen Treffer. Für das Ergebnis braucht es keine Untersuchung im Großlabor.
Wenn der Patient ins Sprechzimmer kommt, weiß der Arzt oft schon, um welche Bakterien es sich handelt. Im Gegensatz zu optischen Detektoren beim DNS-Nachweis identifiziert das System die Proben über deren elektrochemisches Verhalten. Der Vorteil: Die Produktion der Einmal-Kassetten ist einfach, das verwendete Material billig, die Technik wenig anfällig. Bisherige DNS-Analysegeräte für die Forschung kosten größtenteils über 100.000 Mark oder sind in der Handhabung extrem aufwändig. Deshalb sind sie für Arztpraxen ungeeignet. Auch die Probenträger sind teuer, so dass eine breite Anwendung unmöglich ist.
Das Gerät von Siemens und november soll dagegen für Arztpraxen erschwinglich sein. Im Jahr 2003 soll die Technologie verfügbar sein. Teure Untersuchungen im Großlabor werden dann überflüssig. Der Einsatz ist nicht nur auf Bakterien beschränkt. Mit anders gestalteten Kassetten können auch Viren erkannt werden. Eine vielversprechende Anwendung ist zudem die Untersuchung von Krebs. Denn Tumorzellen haben charakteristische DNS-Profile, die sie von gesunden Zellen unterscheiden. Künftig könnte die Erkrankung früher nachgewiesen werden; auch die Kontrolle nach einer Therapie wäre einfacher.
Neben der Kooperation mit november entwickelt Siemens mit dem Leipziger Biotechunternehmen PeS diagnosesysteme ein System zur Erkennung von Eiweißen – eine wichtige Ergänzung für die medizinische Diagnostik.
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