Artenreichtum nährt Korallenriffe
Deutsch-jordanisches Forscherteam entdeckt völlig neue Lebensgemeinschaften im Innern von Korallenriffen / Symbiotisches Miteinander sichert Überleben
Korallenriffe gelten heute neben den tropischen Regenwäldern sowohl als artenreichste als auch am stärksten bedrohte Lebensräume der Erde. Mit Hilfe eines neuentwickelten Unterwasser-Endoskops ist es einem deutsch-jordanischem Meeresforscherteam gelungen, erstmals Bilder aus dem Inneren von Korallenriffen zu gewinnen. Die Wissenschaftler vom Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) an der Universität Bremen, vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und von der Marine Science Station der University of Jordan untersuchten das dichte Labyrinth von Gängen und Höhlen im Innern der Riffe und entdeckten an deren Wänden eine Vielzahl von Lebewesen, insbesondere Schwämme. Diese Symbionten führen dem Korallenriff zusätzlich Nahrung zu und ermöglichen ihm so, unter der extremen Nährstoffarmut tropischer Meere zu existieren (nature, 18. Oktober 2001). Die Schwämme stehen am Ende der riffinternen Nähstoffskette und haben daher eine wichtige Indikatorfunktion für den Gesundheitszustand der Korallenriffe.
Korallenriffe sind hochkomplizierte Ökosysteme, die in tropischen und subtropischen Meeren weit verbreitet sind. Die Korallenriffe gelten – neben den tropischen Regenwäldern – als artenreichster Lebensraum der Erde: Schätzungen ihrer Artenvielfalt reichen von 600.000 bis zu mehr als 9 Millionen Arten weltweit. Sie gehören zu den am stärksten bedrohten Ökosystemen. Doch bevor Konzepte für ihren Schutz entwickelt werden können, müssen die funktionalen Zusammenhänge verstanden werden, die das artenreiche und produktive Nebeneinander verschiedener Lebensformen in diesem Ökosystem überhaupt ermöglichen.
Ein interdisziplinäres Forscherteam um Claudio Richter und Mark Wunsch vom Zentrum für Marine Tropenökologie erforschte im Golf von Akaba am Roten Meer gemeinsam mit Wissenschaftlern von der jordanischen Marine Science Station der University of Jordan sowie vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie verschiedene Korallenriffe. Dieses Projekt ist Teil des arabisch-israelisch-deutschen „Red Sea Programme“, das Wissenschaftlern Zugang zu verschiedenen Riffs in Ägypten, Israel und Jordanien ermöglichte.
Mit einem technischen Trick gelangen den Forschern erstmals tiefe Einblicke in das Innere der Riffs. Mit neu entwickelten endoskopischen Methoden konnten sie bis zu vier Meter in das Karbonatgestein hineinblicken und entdeckten dort ein dichtes Labyrinth von Gängen und Höhlen. Diese Gänge führen dazu, dass die Riffe im Innern über eine bis zu siebenfach größere Oberfläche verfügen als auf ihrer „Außenhaut“. Die Wände der Korallengänge sind dicht bewachsen – vor allem mit Schwämmen. Diese filtern kleinste Nahrungspartikel aus dem durchströmenden Wasser. „Die Schwämme in den Höhlen führen dem Korallenriff seine Nahrung zu, indem sie dabei ähnlich wie die Darmzotten im menschlichen Verdauungssystem funktionieren“, erklärt Claudio Richter. Die auf diese Weise gewonnenen Phosphor- und Stickstoffverbindungen bilden nach Berechnungen des deutsch-jordanischen Teams aus Ökologen, Chemikern und Mikrobiologen eine lebenswichtige Quelle an Mineralien für die ansonsten in notorischer Nährstoffknappheit lebenden Korallen.
Diese Forschungsergebnisse dürften zur Lösung eines bereits von Charles Darwin 1842 beschriebene Paradoxons beitragen: Wie gelingt es Korallenriffs, unter der extremen Nährstoffarmut tropischer Meere – wie eine „Oase in der Wüste“ – zu existieren? Die von den Wissenschaftlern verwendeten endoskopischen Methoden liefern darüber hinaus Informationen, inwieweit das untersuchte Riff noch lebensfähig ist. Den in den Riffs wachsenden verschiedenen Schwämmen kommt dabei eine „Bio-Indikator-Funktion“ zu. In einem neuen Projekt wollen die Wissenschaftler vom Zentrum für Marine Tropenökologie und vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie deshalb gemeinsam untersuchen, wie der Stoffaustausch zwischen den verschiedenen Organismen erfolgt und welche Nährstoffketten in den Korallenriffs bestehen.
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Claudio Richter
Tel.: 04 21 / 23 800 – 25
E-Mail: claudio.richter@zmt.uni-bremen.de
Dr. Mark Wunsch
Tel.: 04 21 / 23 800 – 45
E-Mail: mark.wunsch@zmt.uni-bremen.de
Mohammed Rasheed
Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
Tel.: 04 21 / 20 28 – 644
Fax: 04 21 / 20 28 – 614
E-Mail: mrasheed@mpi-bremen.de
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