Beruf, Familie – oder doch beides? Psychologen untersuchen Spill-over-Effekte
In allen Lebensphasen unterhalten Menschen vielfältige Beziehungsgefüge. Diese Strukturen spiegeln wider, wie Individuen das eigene Leben mit seinen verschiedenen Herausforderungen und oftmals komplexen Aufgaben gestalten und meistern. Ausgehend von zwei Lebensbereichen, der Familie und dem Beruf, analysiert Prof. Dr. Frieder Lang vom Institut für Psychologie mit einem Team die Wechselwirkungen dieser beiden Komplexe unter dem Aspekt gesellschaftlichen Wandels.
„Beruf und Familie haben sich schon immer gegenseitig beeinflusst“, erklärt Lang. Doch könne man seit einigen Jahren beobachten, dass sich die Zusammenhänge zwischen ihnen stark verändern. Heutzutage gewichte man anders als noch vor 20 oder 30 Jahren. Zwar seien Menschen im Beruf oft erfolgreicher, wenn sie eine intakte Familie hinter sich wissen, doch habe der Beruf für viele Menschen mittlerweile einen höheren Stellenwert, so dass sich vor allem junge Menschen häufig für einen Job und gegen Kinder entscheiden.
Gerade in Politik und Gesellschaft sind aufgrund der demographischen Entwicklung Deutschlands viele Diskussionen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Finanzierbarkeit von Kindern zu finden. „Sicherlich sind deren Erkenntnisse nicht falsch. Natürlich hat die Entwicklung etwas mit dem Faktor Geld zu tun und viel mit der Sicherung der Überlebens.“ Aber aufgrund dieser eher allgemeinen Thesen lasse sich keine allumfassenden Aussage treffen. „Wir forschen nach Erkenntnissen, die über diese Hypothesen hinaus gehen“, meint Lang.
Dazu versendete das Team einen neu entwickelten Fragenkatalog an 2500 hallesche Haushalte, in denen junge Menschen leben. Von 25 Prozent der angefragten Personen hat das Team eine Rückmeldung erhalten. „Die Fragen beziehen sich in erster Linie auf das soziale Umfeld, auf Vertraute, Freunde, Eltern. Teilweise haben wir die Verwandten oder Freunde der Probanten direkt befragt“, erläutert der Psychologe. Man wolle analysieren, ob Probanten, die Angaben zu anderen Personen gemacht haben, auch in deren Netzwerken zu finden sind. Die gesellschaftlichen Hintergründe seien für eine Analyse sehr wichtig. „Heutzutage verzichtet ein Teil der jungen Frauen auf eine Schwangerschaft, weil sie keinen Rückhalt in ihren Familien finden.“ Dazu müsse man die soziale Einbettung und die Größe des Netzwerkes untersuchen. „Wir vermuten auch, dass die Größe eines Netzwerks Auswirkungen auf die Umsetzbarkeit von Lebenszielen hat.“ Außerdem sei anzunehmen, dass sich berufliche und familiäre Netzwerke zunehmend überlappen, so dass ein strikt getrennter Übergang zwischen beiden Bereichen kaum noch wahrnehmbar ist.
Weiterhin soll eine andere Behauptung bestätigt werden. „Wer bei der Arbeit Stress und Ärger hat, belastet damit seine Familie“, stellt Lang in den Raum. Hierbei handle es sich um sogenannte Spill-over-Effekte. Diese könnten sich nachhaltig auf das Wohlbefinden und den Zusammenhalt zwischen den Familienmitgliedern auswirken.
Gleiche Erhebungen wurden parallel in Bielefeld durch Prof. Dr. Martin Diewald vom Institut für Soziologie der ansässigen Universität erhoben. „Wir brauchen Vergleichsdaten und Bielefeld bot sich für uns an, da in dieser Stadt ein ähnlicher Strukturwandel zu beobachten ist, wie in Halle.“
Die Erhebungen werden in den kommenden Wochen ausgewertet. Erhält das Team daraus verwertbare Ergebnisse, wird es in zwei bis drei Jahren eine deutschlandweite Längsschnittstudie geben, an denen sich bis zu 10 000 Familien beteiligen sollen. Hier könne dann mit einheitlichen Erhebungsmethoden ein weitaus repräsentativeres Ergebnis erzielt werden.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Frieder R. Lang
Dipl.-Psych. Verena Wendt
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Psychologie
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