Armut und Reichtum: DIW Berlin stellt neue Forschungsergebnisse vor
Die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen in Deutschland hat sich gegenüber den 90er Jahren erhöht. Diese Entwicklung ist unter anderem auf die höhere Ungleichheit der zugrunde liegenden Markteinkommen, das schwache Wirtschaftswachstum sowie die gestiegene Zahl an Arbeitslosen zurückzuführen. In der Folge hat das Armutsrisiko zugenommen. Das aktuelle Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung des DIW Berlin trägt dazu bei, diese Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven zeitnah wissenschaftlich zu begleiten.
Innovative Forschungsansätze und neue Fragen in der Armuts- und Reichtumsforschung in Deutschland werden auf einer breiten Datengrundlage zusammengefasst. Neben eingeführten Verteilungsanalysen werden dabei auch weitere Formen der Konzeptualisierung und Messung von Einkommen und Vermögen im Kontext multidimensionaler Ansätze berücksichtigt.
Der einführende Beitrag von Christian Arndt und Jürgen Volkert beweist, dass sich Amartya Sens ethisch fundierter Ansatz des „capability approach“ gut als Grundlage für die Armuts- und Reichtumsforschung eignet und entwirft auf Grundlage des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) dazu exemplarisch ein mehrstufiges Indikatorensystem. Ortrud Leßmann findet eine erstaunlich hohe Kongruenz zwischen dem Senschen Capability-Ansatz und dem – international kaum rezipierten – älteren deutschen Lebenslagen-Ansatz. Franz Eiffe und Karin Heitzmann zeigen, dass theoretisch-konzeptuelle Arbeiten zur exakten Formulierung des Armutsbegriffs zwar weit gediehen sind, ihre empirische Umsetzbarkeit aber nach wie vor an Grenzen stößt. Martin Kohli, Harald Kühnemund, Andrea Schäfer, Jürgen Schupp und Claudia Vogel stellen dar, wie Erbschaften auf die Vermögensverteilung tendenziell nivellierend wirken. Gerda Holz und Beate Hock beschreiben die Infantilisierung der Armut aus der Sicht der betroffenen Kinder. Eva Reinowski und Christine Steiner widmen sich in ihrem Beitrag den in den letzten Jahren stark gestiegenen Armutsrisiken von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ralf Himmelreicher und Dina Frommert erwarten aufgrund der jüngsten Rentenreformen eine verstärkte Ungleichheit der Alterseinkünfte und damit ein wachsendes Armutsrisiko im Alter. Der Beitrag von Hans-Jürgen Andreß zeigt, dass das Ausmaß der Deprivation mit der Höhe der Arbeitslosigkeit variiert und im letzten Jahrzehnt erheblich zugenommen hat. Peter Krause und Daniel Ritz beschreiben anhand der aus dem Prozess von Lissabon hervorgegangenen Laeken-Indikatoren, wie sich in Deutschland nicht nur das Armutsrisiko, sondern auch Armutsdauer und -intensität erhöht haben.
Christoph Birkel bestätigt abschließend die These des „Umverteilungsparadoxes“ von Korpi und Palmi hinsichtlich der Umverteilungseffizienz und schließt daraus, dass sowohl die Umverteilungswirkung der sozialen Sicherungssysteme als auch die Unterstützung für staatliche Umverteilung bei den Mittelschichten nachlassen wird.
Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung des DIW Berlin, Heft 1(2006), erschienen bei Verlag Duncker & Humblot GmbH. Eine begrenzte Zahl von Rezensionsexemplaren kann über die Pressestelle des DIW Berlin bezogen werden.
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