Trotz hoher Arbeitslosigkeit offene Stellen im Mittelstand nur schwer zu besetzen

Besetzung qualifizierter Stellen dauert immer länger / Vier von zehn Mittelständlern erhoffen sich vom Firmen-Rating bessere Position bei Kreditverhandlungen / Über drei Viertel der Firmenchefs befürchten schlechtere Wettbewerbsposition durch den Euro / Bereitschaft zur Nachfolge-Regelung lässt nach wie vor zu wünschen übrig

Trotz der rund 3,7 Millionen Arbeitslosen fällt es dem deutschen Mittelstand schwer, geeignetes Personal zu finden. Zu diesem Ergebnis kommt die zweite Mittelstandsstudie von Dresdner Bank und dem Wirtschaftsmagazin ’impulse’ unter wissenschaftlicher Begleitung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM). Befragt wurden über 1.000 repräsentativ ausgewählte Chefs mittelständischer Unternehmen von Mai bis Juni dieses Jahres. Danach sind in 18,8 Prozent der rund 1,1 Millionen mittelständischen Betriebe Arbeitsplätze unbesetzt. Hochgerechnet sind dies über 900.000 offene Stellen. Alarmierend ist dabei der Befund, dass es häufig zu lange dauert, qualifizierte Bewerber für mittelständische Unternehmen zu finden. So gab über die Hälfte der befragten Firmenchefs an, die Suche nach qualifizierten Arbeitern und Angestellten dauere bis zu einem halben Jahr und länger.

„Es liegt die Vermutung nahe, dass der Mittelstand von potenziellen Bewerbern als ein weniger attraktiver Arbeitgeber angesehen wird“, sagte ’impulse’-Chefredakteur Thomas Voigt. Dafür sprächen auch die weiteren MIND-Ergebnisse, wonach sich bei 31,1 Prozent der ausgeschriebenen Stellen erst gar kein Bewerber fand, weiteren 30,5 Prozent die Motivation fehlte, die Stelle anzunehmen, und 15 Prozent mit der Bezahlung nicht einverstanden waren. „Angesichts der gegenwärtig weiter steigenden Arbeitslosenzahlen wirkt diese Situation mehr als befremdlich“, sagte Dresdner Bank-Vorstand Dr. Joachim von Harbou.

Zunehmende Akzeptanz von Basel II – aber erschreckendes Planungsdefizit

Die mit Basel II verbundenen Auflagen zur Gewährung von Firmenkrediten scheinen dagegen für den deutschen Mittelstand an Schrecken zu verlieren. Mit knapp 40 Prozent versprechen sich heute rund 20 Prozent mehr Mittelständler vom Firmen-Rating eine bessere Verhandlungsposition bei Kreditgebern, als die Zwischenstudie „MIND Finance“ im letzten Jahr ergab. Allerdings befürchten nach wie vor rund 37 Prozent durch Basel II höhere Kosten.

Anlass zur Sorge bietet in diesem Zusammenhang aber der sich gegenüber 1999 noch weiter verschlechterte Stand der Unternehmensplanung im Mittelstand. So vernachlässigen 58,4 Prozent der Unternehmer beispielsweise den Planungsbereich „generelle Geschäftsführungskonzepte“ (1999: 51,7 Prozent), und über ihre Finanzen macht sich mit 49,6 Prozent die Hälfte der Mittelständler keine konzeptionellen Gedanken (1999: 43,4 Prozent). Dieser Mangel an Planung sei auch aus Sicht des Bankers bedenklich, betont von Harbou: „Wir alle wissen, dass im Rahmen von Basel II künftig auch Punkte wie Management und Unternehmensplanung eine stärkere Rolle bei der Kreditvergabe spielen werden.“ Diese Entwicklung hält auch der Mittelstands-Experte Dr. Gunter Kayser, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des IfM in Bonn, für gefährlich: „Wer nicht plant, unterlässt es schlicht, seine Zukunft zu gestalten.“

Auffällig sei außerdem die ausgeprägte Selbstzufriedenheit der mittelständischen Unternehmens-Chefs, betont Voigt. Laut MIND stieg nämlich der Anteil derer, die ihr Unternehmen genauso weiter führen wollen wie bisher von 82,9 Prozent in 1999 auf 91 Prozent in diesem Jahr.

Den Euro empfinden viele als Risiko für die Zukunft Selbst kurz vor der Einführung des Euro sind viele Unternehmer noch skeptisch, wenngleich die Zustimmung in den letzten beiden Jahren leicht zugenommen hat: Lediglich 21,1 Prozent der Unternehmer (1999: 17,8 Prozent) erwarten vom Euro eine Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Mit 77,8 Prozent (1999: 81,4 Prozent) rechnet aber eine Drei-Viertel-Mehrheit mit wachsendem Wettbewerbsdruck. Für ’impulse’-Chefredakteur Thomas Voigt sind die Befunde ein Indiz für die unzureichende internationale Praxis eines Großteils des deutschen Mittelstands.

Nachfolge-Regelung bleibt eines der drängendsten Probleme So ungern viele Unternehmer anscheinend die Unternehmenszukunft planen, so ungern denken sie auch über ihre eigene Nachfolge nach. Jeder dritte der 274.000 mittelständischen Unternehmer, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen wollen, hat seine Nachfolge bisher nicht geregelt. Damit ist die Fortführung von rund 90.000 Betrieben gefährdet. Der überwiegende Teil (46 Prozent) hat sich jedoch entschlossen, das Unternehmen an seine Kinder zu übergeben. Lediglich vier Prozent werden das Unternehmen zum Zeitpunkt des Ruhestands aufgeben, zwölf Prozent planen den Verkauf an Teilhaber oder leitende Angestellte.

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Gerd Kühlhorn ots

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