Wissenschaftler entdecken Enzyme, die beschädigtes genetisches Material duplizieren können


Mögliche Anwendungen dieser am Weizmann Institut gemachten Entdeckung sind: Bekämpfung der wachsenden Ausbreitung Antibiotika-resistenter Bakterien und Rekonstruktion antiker DNS oder beschädigter DNS an Verbrechenstatorten.

Genetisches Material (DNS) wird täglich durch Umweltfaktoren wie Sonneneinstrahlung oder die Einwirkung bestimmter Schadstoffe sowie natürliche Vorgänge innerhalb der Zelle beschädigt. Diese Schäden können zu einem Chaos führen, wenn die genetischen ’Buchstaben’, die gewisse Eigenschaften eines Organismus kodieren, durcheinander geraten oder gelöscht werden. Bleibt eine Korrektur aus, wird die mutierte DNS weiter repliziert, was zu einer fehlerhaften Proteinproduktion und Krankheit führen kann. Zum Glück verfügen alle Organismen über verschiedene DNS-Reparatursysteme in den Zellen. In den meisten Fällen jedoch arbeiten sie nach dem Schema ’Alles oder Nichts’: Kann die beschädigte Stelle nicht korrigiert werden, stellen sie die Arbeit ein und bringen die genetische Replikation zum Stillstand. Das Endergebnis, das sogar schlimmer als der ursprüngliche Schaden ist, ist der Zelltod.

Der Schlüssel zum Leben liegt daher in der ’Kompromissbereitschaft’ der Zelle, die eine gewisse ’Schludrigkeit’ der DNS-Reparatursysteme zulässt und eine kleine Anzahl von Mutationen in Kauf nimmt. Dies stellt zwar ein gewisses Risiko dar, sichert aber andererseits die weitere Existenz der Zelle. Wichtig ist dabei auch, dass dieser Vorgang die genetische Diversitaet erhöht und natürliche Auslese, die treibende Kraft der Evolution, ermöglicht.

Prof. Zvi Livneh von der Abteilung Biologische Chemie des Weizmann Instituts hat eine Gruppe von Enzymen entdeckt, die nach einem solchen Mechanismus arbeiten. Seine jüngsten Ergebnisse werden in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS USA) vorgestellt.

Genetisches Material wird ständig dupliziert – integraler Bestandteil der Zellteilung und -reproduktion aller Lebewesen. Bei der Teilung öffnet die Zelle die DNS-Doppelhelix (die aus einem zusammengewundenen Doppelstrang passender Basenpaare besteht), und benutzt dann jeden Einzelstrang als Vorlage für die direkte Bildung eines neuen Gegenübers. Die Aufsicht über diesen Vorgang hat ein einzigartiges Enzym, DNS-Polymerfase, das auf dem Originalstrang entlangfährt – ähnlich wie ein Zug auf einer einzigen Schiene – und die genetische Sequenz liest, um den passenden Gegenstrang zu bilden. Das Resultat, das herkoemmlicherweise mit beachtlicher Präzision erreicht wird, sind zwei identische DNS-Moleküle, die jeweils aus einem Original- und einem neu synthetisierten Strang bestehen. Stößt das Enzym auf beschädigte DNS, steht es still und lässt die besondere ’Truppe zur Schadensbekämpfung’ ans Werk. Prof. Livneh hat kürzlich einen dieser DNS-Reparaturmechanismen entdeckt, der sich auf eine bisher unbekannte Gruppe von Polymerase-Enzymen stuetzt. Auch diese Enzyme duplizieren genetisches Material, doch sie halten normalerweise nicht an, wenn sie auf beschädigte DNS stoßen. Stattdessen duplizieren sie das Material, wobei oft neue Mutationen entstehen.

Laut Livneh ist diese Familie von Enzymen, die sowohl beim Menschen als auch bei Bakterien vorkommt, eine der wichtigsten Faktoren zur Vermeidung unnötiger Zellzerstörung und eine treibende Kraft im Prozess der Evolution. Der Nachteil ist jedoch, dass sie den Bakterien die rasche Entwicklung neuer genetischer Eigenschaften ermöglichen, womit diese Enzyme auch für den Anstieg bakterieller Antibiotika-Resistenz verantwortlich sind. Die jüngste Entdeckung eines bestimmten Mitglieds dieser Enzymfamilie, der so genannten DNS-Polymerase R1, am Weizmann Institut, könnte neue Interventionsmöglichkeiten gegen diese wachsende Bedrohung eröffnen. Durch die Unterdrückung der Aktivität von R1 und anderen ähnlichen DNS-Polymerasen könnte es möglich sein, die Verbreitung Antibiotika-resistenter Bakterien einzudämmen. Eine andere mögliche Anwendung ist die Rekonstruktion beschädigter DNS, die an Verbrechenstatorten zurückgelassen wurde, oder historischer DNS, die sich in den Überresten prähistorischer Pflanzen und Tiere findet. Diese zwei Formen der DNS sind oft beschädigt (zum Beispiel durch Putzmittel, die die Indizien am Tatort beseitigen sollten, oder schlicht durch den Zahn der Zeit im Fall historischer DNS).

’Frühere Rekonstruktionsversuche mit bekannten DNS-Polymerasen wurden oft behindert, da selbst begrenzte DNS-Schäden die Enzyme zur Unterbrechung ihrer Arbeit zwingt, was den gesamten Reproduktionsprozess zunichte macht’, erklärt Livneh. ’Das ´schludrige` Duplikationsenzym R1 könnte sich mit seiner Toleranz für beschädigtes genetisches Material in dieser Hinsicht als äußerst hilfreich erweisen.

Prof. Zvi Livneh ist Inhaber des Maxwell Ellis-Lehrstuhls für Biomedizinische Forschung. Seine Forschung wird unterstützt vom Dolfi-und-Lola-Ebner-Zentrum für Biomedizinische Forschung und der Minerva-Stiftung.

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Debbie Weiss idw

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