Bielefelder Wissenschaftspreis 2004 geht an Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf

Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf erhalten den Bielefelder Wissenschaftspreis 2004.

Der im Jahr 2004 erstmalig vergebene Bielefelder Wissenschaftspreis, gestiftet durch die Stiftung der Sparkasse Bielefeld im Gedenken an Niklas Luhmann, geht gemeinsam an Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Renate Mayntz und Prof. Dr. Dr. h.c. Fritz W. Scharpf, beide emeritierte Direktoren des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln.

Mit der Preisverleihung würdigt die Jury die international herausragende Bedeutung der Forschungen über die Steuerungsmöglichkeiten komplexer Gesellschaften, welche die beiden Wissenschaftler mit dem Aufbau und der gemeinsamen Leitung des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln auf den Weg gebracht haben.

Wie lässt sich die von Land zu Land unterschiedliche Ausbreitung von Medien der Massenkommunikation erklären: vom Telefon bis zum Internet? Wie operiert die Steuerung unterschiedlicher nationaler Systeme der Gesundheitsversorgung? Wovon ist eine erfolgreiche Wissenschafts- und Forschungspolitik abhängig? Wie gehen Wohlfahrtsstaaten mit den ökonomischen Herausforderungen der Globalisierung um? Wie kommen politische Problemlösungen im Spannungsfeld zwischen Europäischer Union und den Regierungen der Mitgliedstaaten zustande? Dies waren zentrale Forschungsfragen des Instituts unter der Leitung von Renate Mayntz (1985-1997) und Fritz W. Scharpf (1986-2003).

In Auseinandersetzung mit diesen und ähnlichen Fragen ist eine empirische Makrosoziologie organisierter gesellschaftlicher Komplexität entstanden, welche ihr Augenmerk auf politisch-gesellschaftliche Problemlösungsformen „zwischen Staat und Markt“ richtet: Verbandsbildungen, Verhandlungssysteme, Politiknetzwerke, institutionelle Formen der Koordination und Interessenvermittlung unter Berücksichtigung mehrer Politikebenen, usw.

Dieses dynamische Forschungsprogramm wurde in präzisierender Auseinandersetzung mit wesentlichen Einsichten der Gesellschaftstheorie des in Bielefeld lehrenden Soziologen Niklas Luhmann (1927-1998) entwickelt, an den der Bielefelder Wissenschaftspreis erinnern will. Die Luhmannsche Systemtheorie betont die Eigendynamik und „Selbstreferenz“ sozialer Systeme und die daraus folgenden Steuerungsschwierigkeiten. Die Arbeiten von Mayntz und Scharpf setzen diese Schwierigkeiten voraus und versuchen zu erklären, wie trotzdem politische Steuerung und Koordination kollektiver Akteure möglich ist. Ihre theoretische Antwort bezeichnen sie als „akteurszentrierten Institutionalismus“: Organisationen werden als kollektive Akteure betrachtet, welche unter bestimmten institutionellen Voraussetzungen operieren, welche einer kollektiven Problemlösungen eher zuträglich oder abträglich sein können. Eben dies gilt es empirisch zu erforschen. Zahlreiche jüngerer Sozialwissenschaftler sind durch die beiden Preisträger während ihrer Institutstätigkeit geprägt und gefördert worden. Damit wurden nicht nur neue Fragen erforscht, sondern auch die Standards soziologischer Lehre und Forschung in der Bundesrepublik nachhaltig beeinflusst.

Renate Mayntz studierte in den Vereinigten Staaten und an der FU Berlin, wo sie sich 1957 habilitierte. Vor Ihrer Berufung als Gründungsdirektorin des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung war sie Ordinaria für Soziologie an der FU Berlin, der Hochschule für Veraltungswissenschaften in Speyer und der Universität zu Köln. Die international renommierte Wissenschaftlerin hat zahlreiche Ehrungen erhalten, zuletzt mit der Wahl zum Auswärtigen Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Fritz W. Scharpf ist Volljurist und Politikwissenschaftler. Nach Studien in Tübingen, Freiburg im Breisgau und an der Yale Law School wurde er Ordinarius für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz, wo er den ersten verwaltungswissenschaftlichen Studiengang in der Bundesrepublik aufbaute. Von 1973 bis 1986 war er Direktor und Forschungsprofessor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Durch seine Publikationen und durch Politikberatung hat er wiederholt zu einer Veränderung politischer Einschätzungen beigetragen. Unter seinen Ehrungen ragt der international renommierte Johan-Skytte-Preis der Universität Uppsala hervor.

Der mit 25 000 Euro dotierte Bielefelder Wissenschaftspreis wird den beiden Preisträgern am 4. Dezember 2004 in der Bielefelder Stadthalle verliehen.

Media Contact

Dr. Gerhard Trott idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bielefeld.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Förderungen Preise

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…