Promotionen, Preise und polymerer Zucker
Medizinische Hochschule Hannover (MHH) begeht am 29. 04. 2005 11. Promotionsfeier
So viele Urkunden gab es noch nie: Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) begeht zum elften Mal ihre Promotionsfeier und lädt dazu Preisträger und Nominierte, Bekannte, Verwandte und Freunde herzlich in den Hörsaal F ein. Präsident Professor Dr. Dieter Bitter-Suermann wird die Urkunden für die erfolgreich beendeten Doktorarbeiten 156 jungen Ärztinnen und Ärzten und zwei Humanbiologen überreichen; 16 von ihnen haben ihre Promotionen „mit Auszeichnung“ abgeschlossen. Zwei Promotionspreise gehen an Dr. med. Christine Radtke, MD, (29) und an Dr. med. Magnus Otto (29). Die Auszeichnungen sind mit je 2.500 Euro dotiert und werden von der Gesellschaft der Freunde der Medizinischen Hochschule Hannover e. V. vergeben. Der mit 2.500 Euro dotierte Hans-Heinrich-Niemann-Preis geht an Dr. rer. nat. Katharina Stummeyer (29) aus der MHH-Abteilung Zelluläre Chemie. Dieser Preis wird ebenfalls von der Gesellschaft der Freunde der MHH verliehen. Zum Abschluss vergibt Professor Bitter-Suermann die Fördergelder der Braukmann-Wittenberg-Herz-Stiftung an MHH-Forscherinnen und -Forscher – insgesamt mehr als 627.000 Euro.
Die Promotionspreise
Verpflanzte Stammzellen reparieren das Zentrale Nervensystem
Alle Nervenzellen des Menschen sind von einer Isolierschicht, der Myelinscheide, umgeben, die in regelmäßigen Abständen unterbrochen ist. Sie wird gebildet von spezialisierten Zellen, die die jeweilige Nervenfaser (Axon) mehrfach spiralförmig umhüllen. Sie dienen als elektrischer Isolator der Axone und spielen eine wichtige Rolle bei der Fortleitung von elektrischen Erregungen und damit von Informationen. Bei einigen Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) wie der Multiplen Sklerose wird die Myelinscheide zerstört (demyelinisiert) und dadurch auch das Axon geschädigt. Im Gegensatz zur Peripherie findet im Zentralen Nervensystem keine Regeneration statt. Zudem sind die therapeutischen Mittel bislang begrenzt. Allerdings können Forscher heute bestimmte Zellen so präparieren und kultivieren, dass die Zellen geschädigte Axone im ZNS wieder remyelinisieren und deren Wachstum nach Verletzung unterstützen.
Hier setzt die Arbeit von Dr. Christine Radtke an: Sie untersuchte, ob sich verschiedene Zellarten (Knochenmark-Stammzellen, olfaktorische Gliazellen und Schwann-Zellen) zur Reparatur des ZNS einsetzen lassen. Zunächst isolierte sie Stammzellen aus dem Knochenmark, die nicht der Blutbildung dienen und sich unter bestimmten Bedingungen in eine Vielzahl von Zellen differenzieren können – unter anderem in Gliazellen, wie Dr. Radtke erstmalig zeigen konnte. Anschließend injizierte sie im Tiermodell die Zellen in das Rückenmark. Das Ergebnis: Die verpflanzten Zellen entwickeln sich weiter und reparieren demyelinisierte Axone. Dies geschieht sogar, wenn die Knochenmark-Stammzellen in eine äußere Vene gespritzt werden. Der Vorteil: Die Zellen stammen von demselben Individuum, das sie auch später wieder erhält.
Ein zweiter Versuch beschäftigte sich mit olfaktorischen Gliazellen, die normalerweise kein Myelin bilden. Dr. Radtke verpflanzte diese Zellen in die Nähe von verletzten Axonen bei Primaten; dort produzierten die Zellen überraschenderweise Myelin – dies war die erste Demonstration einer Remyelinisierung bei Primaten. Aufgrund dieser Ergebnisse startete eine erste Studie zur Transplantation von Schwann-Zellen bei Patienten mit Multipler Sklerose. Dr. Radtke ist es in ihrer Arbeit gelungen, experimentelle Strategien aus der Grundlagenforschung klinisch anzuwenden – ein wichtiger Schritt zu einer künftigen Therapie.
Gegen Rheuma und Allergie – kleines Molekül mit großer Wirkung
Das Komplementsystem ist Teil des angeborenen Immunsystems und hilft entscheidend mit, Infektionserreger abzuwehren. Zudem vermittelt es Entzündungsreaktionen, die dem Körper helfen, als fremd erkannte Zellen und Stoffe zu bekämpfen. Unter bestimmten Bedingungen kann es jedoch zur unkontrollierten, überschießenden Aktivierung des Komplementsystems kommen – und damit zu einer schwerwiegenden Erkrankung. Während der Aktivierung entsteht unter anderem das so genannte Anaphylatoxin C5a. Dieses Gift ist bei akut („Blutvergiftung“, Sepsis) und chronisch entzündlichen Erkrankungen (rheumatoide Arthritis oder allergisches Asthma) von entscheidender Bedeutung. Seine biologische Wirkung entfaltet C5a durch zwei Oberflächenmoleküle auf einer Reihe von Körperzellen, den so genannten C5a-Rezeptoren. In der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Jörg Köhl, ehemals MHH, wurde vor einigen Jahren ein Molekül entwickelt, das die biologischen Funktionen von C5a entscheidend hemmt.
In seiner Promotionsarbeit konnte Dr. Magnus Otto mittels molekularbiologischer Methoden den Wirkmechanismus dieses C5a-Rezeptorantagonisten aufklären und seine Wirksamkeit entscheidend verbessern. Zudem zeigte er, dass dieses Molekül in besonderer Weise die Wechselwirkung von C5a mit seinen beiden Rezeptoren unterbindet. Dank seiner Arbeit können Forscher Erkrankungen besser untersuchen, bei denen C5a entscheidend beteiligt ist. Gleichzeitig eröffnen sich mit dem verbesserten C5a-Rezeptorantagonisten neue, dringend benötigte Behandlungs-Möglichkeiten für rheumatische und allergische Erkrankungen.
Der Hans-Heinrich-Niemann-Gedächtnispreis
Polysialinsäure: Enzyme helfen, Bakterien und Tumoren zu knacken
Ein großes Zuckermolekül, die Polysialinsäure (polySia), ist sehr wichtig für die Entwicklung und Funktion des Nervensystems. PolySia unterstützt ein Leben lang Lern- und Gedächtnisleistungen. Allerdings hat sie auch Schattenseiten: Bei bösartigen Tumoren des Nervengewebes tritt sie in hoher Konzentration auf. Und bei bestimmten Bakterien umgibt eine große polySia-Kapsel die Zellen wie ein Schutzmantel – dazu gehören die Meningitiserreger Escherichia coli K1 und Neisseria meningitidis, Serogruppe B. Das menschliche Immunsystem kann so die Tumor- und Bakterienzellen nicht als fremd erkennen. Deshalb bemühen sich Forscherinnen und Forscher für die Diagnostik und die Therapie, polySia zu erkennen und mit Hilfe von Enzymen abzubauen. Von besonderem Interesse sind dabei die Endosialidasen. Sie kommen in Viren vor, deren Wirte Bakterien sind, – und sind die bislang einzig bekannten Enzyme, die hochspezifisch polySia abbauen können.
Dr. Katharina Stummeyer gelang es in ihrer Arbeit erstmals, die räumliche Struktur einer Endosialidase zu beschreiben. Dadurch ermöglichte sie detaillierte Einblicke in die einzigartigen Struktur- und Funktionsbeziehungen dieser Enzymfamilie und es gelang ihr erstmalig, die Bindung zwischen Polysialinsäure und einem Protein näher zu beschreiben. Da nun die molekulare Struktur bekannt war, konnte Dr. Stummeyer gezielt veränderte Formen der Endosialidase herstellen – so zum Beispiel Enzyme, die keine Spaltungsaktivität mehr aufweisen, aber unvermindert bindungsfähig sind. Damit lässt sich polySia in Forschung und Entwicklung künftig zielsicher aufspüren.
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