Zuwachs an Selbständigen unter Ausländern stärker als bei Deutschen

Ausgangsniveau noch gering/Starke Konzentration auf Handel und Gastgewerbe

Immer mehr Ausländer entschließen sich ein eigenes Unternehmen zu gründen und schaffen hierdurch zusätzliche Arbeitsplätze. Das Potenzial an ausländischen Selbständigen ist allerdings noch nicht ausgeschöpft. Ein besserer Zugang zur beruflichen Bildung könnte u.a. zur Existenzsicherung beitragen und den Anteil an Selbständigen unter Ausländern auch jenseits der Schwerpunkte Handel und Gastgewerbe intensivieren.

Dies sind zentrale Ergebnisse einer Untersuchung, die das Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim (ifm) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg durchgeführt hat (Projektleiter Dr. René Leicht). Die Studie ist soeben in der Veröffentlichungsreihe des ifm erschienen.

„In der aktuellen Debatte über Fragen der Zuwanderung wird vielfach übersehen, dass die Migration nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Unternehmer und Investoren ins Land gebracht hat“, so Projektleiter Dr. René Leicht. Obwohl für manche Ausländer die Voraussetzungen zur Gründung eines Unternehmens vergleichsweise schwierig sind, hat die Zahl ausländischer Selbständiger in den letzten zehn Jahren weitaus stärker zugenommen (+50%) als die der deutschen (+15%).

In den 90er Jahren sind in Baden-Württemberg rund 12.000 Selbständige mit ausländischem Pass hinzugekommen. Damit, so die Geschäftsführerin des Instituts, Dr. Birgit Buschmann, „tragen ausländische Selbständige entscheidend zur Nahversorgung bei“ und vermitteln, nach Auskunft der Mannheimer Autoren „der heimischen Wirtschaft Impulse in Form von neuen Ideen, Initiativen und Produkten, die heute nicht mehr wegzudenken sind.“

Jeder dreizehnte Selbständige im Land ist ein Ausländer. Werden die Ausländer für sich betrachtet, fällt allerdings die Selbständigenquote mit 6% derzeit noch niedriger aus als bei den Deutschen (10%). Nach Nationalitäten unterschieden stellen die Italiener mit rund neun Tausend Selbständigen die stärkste Gruppe (ein Viertel aller nichtdeutschen Selbständigen) in Ba-Wü, gefolgt von den Türken (fast sechs Tausend). Knapp die Hälfte aller ausländischen Selbständigen kommt aus einem Land der EU.

Die Untersuchung zeigt auch einige kritische Aspekte auf. So wird unter Ausländern insgesamt zwar eine vergleichsweise stärkere Gründungsneigung ersichtlich, jedoch auch ein häufigeres Scheitern. Dies erweist sich oftmals auch als eine Frage mangelnder Ausbildung. Wenngleich das Qualifikationsniveau ausländischer Selbständiger höher als bei den Arbeitnehmern ist, bleibt die Zahl derjenigen ohne Berufsabschluss hoch. Auch deswegen sind ausländische Selbständige im Durchschnitt jünger als die deutschen. „Zur Existenzsicherung bedarf es gezielter Infrastruktur-, Beratungs- und Qualifizierungsangebote bei ausländischen Selbständigen“, so Dr. Buschmann.

Berücksichtigt werden muss bei all dem auch die Heterogenität in der Zusammensetzung ausländischer Selbständiger und damit die je nach Herkunftsland sehr unterschiedlichen rechtlichen und qualifikatorischen Voraussetzungen für die Gründung eines Unternehmens. Manche Ethnien zeigen eine auffällige Konzentration auf einschlägige Märkte und Nischen. So gründen viele Italiener vor allem im Gastgewerbe und die Türken eher im Einzelhandel. Hier bestätigt sich also zum Teil die Alltagsbeobachtung. Demgegenüber ähnelt bspw. das Tätigkeitsprofil der Nordeuropäer eher dem der deutschen Selbständigen. D.h. ein beachtlicher Teil der Angehörigen dieser Herkunftsländer macht sich auch in den neuen Dienstleistungsbereichen selbständig.
Rund 60% aller ausländischen Selbständigen sind bereits länger als 20 Jahre hier, d.h. das Gros von ihnen kann nur noch unter formalen Gesichtspunkten überhaupt als Ausländer eingestuft werden. „Insgesamt wird deutlich, dass sich viele ehemals als „Gastarbeiter“ bezeichnete Ausländer längst in hohem Maß aktiv in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Geschehen hierzulande integriert haben, nicht zuletzt, indem sie ein eigenes Unternehmen gegründet und dabei auch weitere Arbeitsplätze geschaffen haben“, so abschließend Dr. Buschmann. Dies sind insgesamt in Baden-Württemberg rund 127.000 Arbeitsplätze.

Gegenwärtig weitet das ifm seine Untersuchungen auf die Situation in der Bundesrepublik aus und wird dabei auch stärker die Frage in den Mittelpunkt rücken, ob für Ausländer andere Kontextbedingungen als für Deutsche maßgeblich sind, falls sie sich für den Weg in die Selbständigkeit entscheiden.

Das Institut für Mittelstandsforschung ist mit seiner Themenstellung ein Unikat in Baden-Württemberg. Es hat derzeit 31 Mitarbeiter. Schwerpunktaufgaben sind neben der Mittelstandsforschung die Strukturberichterstattung – insbesondere für Kleinunternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern, die Kontakt- und Dokumentationsstelle für den Mittelstand und die Beratung von Politik und Wirtschaftsorganisationen. Das Institut verfügt über einen Vorstand aus vier Lehrstuhlvertretern der Universität, einen Beirat aus den Spitzenvertretern der mittelstandspolitischen Verbände und Kammern sowie einen Förderverein aus Unternehmern und Multiplikatoren.

Media Contact

Achim Fischer idw

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